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Brassens in Brandenburg: Gespräch mit der Macherin des Basdorfer Chanson-Festivals

Georges Brassens ist ein Nationalheiliger in Frankreich. Der Dichter, Schriftsteller und Chansonnier begann seine Karriere in den frühen 1950er-Jahren und prägte das Bild des linken Bohemien, der in Pariser Nachtlokalen Wein trinkt, Gitarre spielt und mit rauchiger Stimme von Liebe, Tod und Sehnsucht singt. Zu seinem Umfeld zählten Poeten, Anarchisten, Philosophen und Musiker wie Leó Ferré. Der Chanson-Sänger Georges Moustaki benannt sich gar nach dem großen Vorbild. In kurzer Zeit wurde Brassens zum populärsten Chanson-Sänger Frankreichs, er tourte intensiv durch sein Heimatland, vermied jedoch Konzerte im Ausland.

Brassens erkrankte in den 1970er-Jahren an Nierenkrebs und starb 1981 nach einer Operation. In diesem Jahr hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert, zwar erst am 22. Oktober, doch schon jetzt präsentiert das Basdorfer Chanson-Festival Brassens‘ Werk. Aus dem Anlass sprachen wir mit Marion Schuster, die trotz Corona das Festival im Jubiläumsjahr möglich gemacht hat.

Georges Brassens, 1966. Foto: Bibliothèque nationale de France/Gemeinfrei
Georges Brassens, 1966. Foto: Bibliothèque nationale de France/Gemeinfrei

tipBerlin Frau Schuster, sie organisieren nun die 18. Ausgabe des Chanson-Festivals in Basdorf, bei dem Brassens traditionell eine wichtige Rolle spielt. Im Jubiläumsjahr steht er natürlich im Mittelpunkt des Geschehens. Wie sind Sie selbst zu Brassens und dem Chanson gekommen?

Marion Schuster Mein Vater war von 1945 bis 1953 als Dolmetscher bei der französischen Militärregierung in West-Berlin angestellt und ich hatte dadurch seit meiner Kindheit, ich bin 1945 geboren, regen Kontakt zu Frankreich und der französischen Kultur. Ich liebte Musik, lernte mit neun Jahren Akkordeon zu spielen, bekam von meinem Vater Kinder-Bilderbücher mit französischen Texten. Später studierte ich an der FU Berlin Romanistik und Slawistik und arbeitete in den 1960ern und Anfang der 1970er beim DFJW in den deutsch-französischen Programmen. Dort lernte ich von Freunden Gitarre zu spielen und wir sangen zusammen Chansons, viel Moustaki, Graeme Allwright, auch Ferrat, ein wenig Brassens und andere. 1971 bis 1972 arbeitete ich in dem Gymnasium von Antony bei Paris als Lehrerin und hatte die Chance, Moustaki beim Konzert in Bobino zu erleben.

tipBerlin Aber gerade Georges Brassens hat es Ihnen besonders angetan, was macht ihn so besonders?

Marion Schuster Brassens war für mich auch schon damals interessant, aber ich liebte die Chansons von Moustaki, Ferrat. Als Brassens 1981 im Oktober verstarb, war ich gerade mit französischen Freunden zusammen im Schwarzwald. Es war ein trauriger Tag für uns und für ganz Frankreich. Nach der Wende zogen wir, mein Mann Jürgen Günther und ich, von Berlin nach Basdorf und dann kam das Erstaunliche: im Juni 2003 las ich im Amtsblatt, dass unsere Bürgermeisterin einen Georges-Brassens-Platz am 4. Juli 2003 in Basdorf einweihen wollte, den Platz vor der Bibliothek, die wiederum eine Brassens-Plaquette erhalten sollte.

Brassens und Brandenburg, die Verbindung reicht in düsterste Zeiten des Zweiten Weltkriegs zurück

tipBerlin Ein Brassens-Platz in Basdorf. Wie kommt man denn auf so eine Idee?

Marion Schuster Der Grund dafür hat mich erschüttert. Brassens musste in Basdorf von März 1943 bis März 1944 Zwangsarbeit in den Brandenburgischen, später Bayerischen, Motorenwerken (Bramo/BMW) leisten. In Basdorf hat es die Bürgermeisterin Heidi Freistedt von einem deutschen Künstler aus Avignon erfahren, der sie im Namen eines französischen Brassens-Vereins zu dem großen Brassens-Festival nach Vaison-la-Romaine eingeladen hat. Sie, die vorher nie etwas von Brassens gehört hatte, fuhr hin und ihr wurde bei dem Empfang in Vaison klar, dass dies eine ganz wichtige Begebenheit war, dass sie nun die Aufgabe hatte, an Brassens in Basdorf zu erinnern.

tipBerlin Was geschah dann?

Marion Schuster Sie lud eine Delegation von Freunden von Brassens nach Basdorf ein, das war im September 2003. Ich ging also zur Einweihung des Brassens-Platzes am 4. Juli 2003, mit einer Videokassette von Brassens Konzerten im Bobino in Paris unter dem Arm, die ich ihr präsentieren wollte, da sie die Chansons von Brassens nicht kannte, sie aber natürlich kennenlernen wollte. Sie bat mich, im September bei dem Besuch der Delegation sprachlich zu helfen. Der offizielle Dolmetscher war Ralf Tauchmann aus Radebeul.

tipBerlin Wer kam aus Frankreich angereist?

Marion Schuster Zwei alte Freunde von Brassens, René Iskin und Pierre Onteniente, die mit ihm im Lager waren und auch der Schulfreund von Brassens, Victor Laville, durch dessen Vermittlung der scheue Brassens Anfang der 1950er-Jahre auf die Pariser Bühnen kam, und Gerhard Kismann, der deutsche Freund von Brassens, der als Landschaftsgärtner in Crespières westlich von Paris gearbeitet und Brassens in einem Lokal dort kennengelernt hat. Die beiden verband eine Freundschaft bis zu Brassens‘ Tod.

tipBerlin Und so entstand die Idee, sich Brassens anzunehmen und mit einem Festival an ihn aber auch seine Zeit als Zwangsarbeiter in Basdorf zu erinnern?

Marion Schuster Während des kurzen Aufenthaltes dieser Gruppe war der Austausch so intensiv, dass ich sofort das Gefühl hatte, dass diese gerade entstandenen Freundschaften weiter leben müssen, und so kam die Idee auf, ein Chanson-Festival zu organisieren. In den ersten zwei Jahren lebte das Festival allein von der Unterstützung der Musiker, denen wir nur Kost und Logis bieten konnten, und von den kleinen und größeren Spenden. Mit der Zeit wurde die Idee als ein Zeichen der Völkerverständigung in der Gemeinde und im Landkreis wahrgenommen und wir erhielten Fördermittel, die mittlerweile relativ konstant sind und uns erlauben, den Künstlern über Kost und Logis hinaus ein Honorar zu zahlen.

Salvatore Zambataro reist nach Brandenburg, um den 100. Geburtstag von Georges Brassens zu feiern. Foto: Pidj Photography
Salvatore Zambataro reist nach Brandenburg, um den 100. Geburtstag von Georges Brassens zu feiern. Foto: Pidj Photography

tipBerlin Was wird in diesem Jahr besonders wichtig sein, worauf können wir uns freuen?

Marion Schuster Dieses Jahr feiern wir den 100. Geburtstag von Brassens, jetzt im Juni und dann auch ausführlich vom 21. bis zum 24. Oktober. Das alles findet an mehreren Spielorten statt, in Brandenburg und in Berlin, es kommen zahlreiche internationale Künstler angereist, darunter Amandine Thiriet, Salvatore Zambataro und Marco Turriziani. Wir haben das Glück, dass in diesem schwierigen Frühjahr unsere Eröffnungskonzerte im Mai als Stream auf YouTube zu sehen waren und immer noch sind.

Ebenso wird unser erstes Konzert des Musikfestes, am 17. Juni 2021 ein Livestream-Konzert werden, das über YouTube jeder sehen kann. Es findet an unserem „Heimatort“ des Festivals statt, im Eventcafé Petticoat in Basdorf, das für ein normales Konzert unter Corona-Bedingungen zu wenig Platz bietet. Die übrigen Konzerte des Musikfestes finden Open Air statt, in Basdorf und in Biesenthal, bis auf das Konzert in der Kunstfabrik Schlot am 18. Juni 2021 um 20.30 Uhr.

  • 18. Chansonfestival Brassens Basdorf „100 Jahre Brassens“ – Alle Termine und weitere Informationen zum Basdorfer Chanson-Festival finden sich auf der Website des Veranstalters.

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