Am Klavier

Danger Dan in Berlin: Punks im Revuetheater

Danger Dan spielt 2022 an vier ausverkauften Abenden im Admiralspalast. Nicht mit seiner Antilopen Gang, sondern als politischer Liedermacher am Klavier. Ist das noch Hip-Hop? Ist das noch Punk? Wir waren dabei.

Danger Dan in Berlin am E-Piano. Foto: Imago/Votos-Roland Owsnitzki

Danger Dan in Berlin: Rote Rosen am Klavier

Hildegard Knef singt von ihren Rosen. Schüchternes Mitsummen, Gläserklirren, Nebel im roten Scheinwerferlicht. Panik Panzer betritt die Bühne des Admiralspalastes. Im Smoking. Normalerweise rappt er bei der linken Hip-Hop-Formation Antilopen Gang. Am Abend des 31. Oktobers übernimmt der Musiker die gebührende Begrüßungsrede für seinen Bruder und Bandkollegen Danger Dan. Immerhin spielt man nicht alle Tage in einem denkmalgeschützen Theater in Mitte. An vier ausverkauften Konzertabenden hintereinander. Man solle sich nicht von dem prunkvollen Ambiente einschüchtern lassen, sagt Panik Panzer, wie auf einem normalen Konzert könne mitgesungen, geklatscht, gepfiffen werden. Alles für die richtige Atmosphäre, schließlich soll ein Live-Album bei dem Konzert entstehen.

Dann tritt Danger Dan ins runde Scheinwerferlicht. Rote Bomberjacke, rote Dr. Martens, nach hinten gegeelte Haare: Er sieht aus wie die Kreuzberger Coretex-Punks am ersten Mai. Passt irgendwie. Der 39-Jährige hat ja auch eine Punk-Vergangenheit, er schrieb provokative Texte, spielte in verschiedenen Bands, hing in besetzten Häusern und Hardcore-Clubs rum, setzte sich als erster deutscher Rapper in einem Song mit Antisemitismus und Holocaust auseinander, forderte die „Atombombe auf Deutschland“.

Revolution oder Liebeslied

Stirbt der Punk im Revuetheater? Zumindest ist er plötzlich der Lieblings-Linke der breiten Masse, der Star der „Radioeins“-Hörer:innen, die gleich drei seiner Songs auf das Siegerpodest der besten Songs des Jahres 2021 wählten und bei zwei großen „Radioeins“-Abend in der Waldbühne zu Groupies wurden. Während Danger Dan die linke Faust in die Luft streckt, jubeln Uni-Punks mit gefärbten Haaren neben ihren Dozent:innen mit Halbglatze, Hip-Hop-Mittzwanziger in Fatoni-Shirts neben 50-jährigen Toten-Hosen-Fans.

Danger Dan beginnt den Abend mit der einfühlsamen Klavier-Ballade „Lauf davon“ – Platz 3 der „Radioeins“-Hitliste. Er singt von „After-Work-Partys mit dem Chef“. Passt zu Berlin-Mitte. Der einsame Piano-Man findet genau die richtigen Beschreibungen, er wohnt ja selber seit vielen Jahren in der Hauptstadt: „So ein Start-Up-Unternehmer, der Ramones-Shirts trägt“. Man kennt’s. Noch unangenehmer sind Attila Hildmann und Nikolai Nerling, die Danger Dan immer wieder in der Nähe des Admiralspalastes demonstrieren sah und auf die sein Song „Das schreckliche Buch“ wohl Bezug nimmt.

Danger Dan in Berlin: Punks und Professor:innen

Punks und Professor:innen sind textsicher, zwischen jeder Zeile wird gejubelt. Gänsehaut. Danger Dan grinst sich einen ab, verzögert den Einsatz, improvisiert, spielt mit den Erwartungen des Publikums. Ganz nach alter Liedermacher:innen-Manier, frei, schlagfertig und alleine am Klavier.

Danger Dan in Berlin mit seiner Antilopen Gang. Foto: Imago/Carsten Thesing

Zwischen den Songs erzählt er pointierte Geschichten, liefert Eindrücke in die Entstehung seines Klavieralbums „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“, das im Frühling 2021 wie ein Phoenix aus dem Aschenbecher der Lockdown-Küche emporgestiegen war. Persönlich, selbstironisch, politisch klar positioniert.

Normalerweise habe er immer genervt auf Typen am Klavier reagiert: „Eigentlich bin ich ja Gangster-Rapper und kein Pianist“, sagt Danger Dan mit einem Augenzwinkern. Die Corona-Pandemie habe ihn zur Alleinunterhaltung gebracht. „Ich hatte Zeit und ein Klavier.“ Der erste Song aus dieser Zeit ist „Nudeln und Klopapier“, wie schon am Titel zu erkennen ist. Nur das Publikum soll das Wort Klopapier an den richtigen Stellen singen. Eine schöne Albernheit. Im melancholischen Refrain erinnert man sich an eine Zeit, in der der größte Wunsch ein „Frühlingsspaziergang durch den Berliner Zoo“ gewesen ist.

Leichte Worte für schwere Themen

Danger Dan findet leichte Worte für schwere Themen. Nach „Ode an den Mord“ lässt er eine Zeichnung durchs Publikum gehen, auf der Fans Mordmethoden aus dem Song illustriert haben. „Die Person, die umgebracht wird, ist immer Putin“, sagt er.

Zwischen den humorvollen Ansagen und Geschichten – besonders amüsant ist Danger Dans Streichung aus der Wikipedia-Seite des Viktoria-Gymnasiums in Aachen, die die Schule nach seinem Abrechnungssong „Ingloria Victoria“ vorgenommen hatte – wird es immer wieder politisch. Nicht aufgesetzt oder imagepflegend. Nein, es wird deutlich, dass Danger Dan Überzeugungstäter ist. Auf einem Hip-Hop-Festival oder im Admiralspalast.

Danger Dan besucht auch Konzerthäuser. Foto: Imago/Manngold

So hält Daniel Pongratz, wie sein bürgerlicher Name lautet, eine bewegende Rede zur Kunstfreiheit. Er erinnert an Zeiten der Zensur, Bücherverbrennung und Verfolgung in Deutschland. Es sei eine der wichtigsten Errungenschaften sich öffentlich gegen Nazis, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Ableismus, Patriotismus und Verschwörungsideologien äußern zu können. Jede:r habe die Pflicht, sich mit den Verbrechen auseinanderzusetzen und alles dafür zu geben, dass sich diese niemals wiederholen können.

Das Jonathan Heck Quartett liefert den Moment des Abends

Zur Unterstreichung seines Anliegens hat er ein Lied mitgebracht, das in der Zeit des Nationalsozialismus verboten war: Hans Drachs „Mein Vater wird gesucht“ von 1935. Danger Dan überlässt die Bühne dem Jonathan Heck Quartett, das eine tieftraurige Version des Liedes zupft und streicht. Niemand im ausverkauften Admiralspalast redet dazwischen.

Den Rest des Abends begleitet das fantastische Streichquartett Danger Dans Klavierstücke. Teilweise steht er auch auf und rappt zur Geigen-, Bratschen- und Cello-Begleitung. Schnell bekommt man wieder Lust auf die Antilopen Gang. Eine enorme emotionale Wucht entfesselt sich und hallt durch Parkett und Ränge. Die Leute singen mit, klatschen, stampfen, lachen – einige von ihnen wischen sich Tränen aus den Augen. Es ist eine Freude, gemeinsam Elsässer, Kubitschek, Gauland und Jebsen anzupöbeln, die Unantastbarkeit von Polizei und Verfassungsschutz anzuzweifeln. Dank Danger Dan wissen wir: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“.

Für immer Punk. Danger Dan in Berlin. Foto: Imago/Votos-Roland Owsnitzki

Neben fast allen Stücken seines Albums spielt er auch alte Songs wie „Ölsardinenindustrie“ von 2012 in Streicher-Piano-Versionen. Sogar „Private Altersvorsorge“ von seiner „Coming Out EP“ aus dem Jahr 2008 darf nicht fehlen. Mit „Private Altersvorsorge 2“, das Danger Dan im Anschluss singt, antwortet er seinem früheren Ich. Der Abend ist ein Fest des Erwachsenwerdens und Jungbleibens, ein persönlicher Einblick in das Leben eines sympathischen und vielschichtigen Künstlers und Auftakt eines Konzertmarathons. Danger Dan hat es geschafft, viele neue Fans zu gewinnen, ohne seine Werte aufzugeben. Er verbindet schwere Themen mit verspielten Melodien und biografischer Melancholie. Und er ist ein Punk geblieben – selbst im Revuetheater.

  • Admiralspalast Friedrichstr. 101–102, Mitte, Mo 31.10.–Do 3.11., 20 Uhr, ausverkauft, weitere Infos hier

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