Ausstellung

„Garten der irdischen Freuden“ im Gropius-Bau

Der Gropius Bau zeigt den Garten als gesellschaftsübergreifende Paradies-Vorstellung – und fragt, wer draußen bleiben muss

Rashid Johnson: „Antoine’s Organ“ – bevor das Werk in den Gropius Bau reiste © Rashid Johnson Courtesy the artist and Hauser & Wirth.

Es rankt und sprießt im Erdgeschoss des Gropius Baus. Und es klingt, denn in der gewaltigen grünen Großinstallation von Rashid Johnson mitten im Lichthof ist noch ein Klavier versteckt. Und wenn man ganz nah rangeht an diese großartige Ansammlung aus Pflanzen, Büchern und Teppichen, dann riecht es auch – einmal nach den vielen Topfpflanzen, die die Riesenstellage bevölkern. Aber auch nach Holz und Sheabutter, identitätsstiftende Materialien, die der afroamerikanische Künstler Johnson oft nutzt, um eine weitere, soziokulturelle Ebene in seine Arbeit einzuziehen.

Damit stimmt sein „Antoine’s Organ“ perfekt ein auf die große Gruppenschau „Garten der irdischen Freuden“: Es geht natürlich um die Schönheit des Gartens, um die in Jahrhunderten perfektionierte Form des Grüns. Von der persischen Kultur über die asiatische bis hin zur abendländischen Gartenvorstellung, und diese tatsächlich hier in ihrer surrealsten, phantastischsten Ausprägung, nämlich in der Version von Hieronymus Bosch. Eine Nachfolgeversion seines „Garten der Lüste“ (1535 bis 1550) bildet daher auch einen Ausgangspunkt der Ausstellung, ebenso wie es ein persischer Gartenteppich aus der frühen Neuzeit tut. Ein Hybrid für drinnen und draußen, der zudem ein ideales Verhältnis der Elemente im Garten abbildet und für die Harmonie von Natur und Kultur stehen soll.

Foto: Martin Parsekian / Rashid Johnson, Courtesy: der Künstler und Hauser & Wirth

Die mehrheitlich zeitgenössischen Arbeiten der Ausstellung drehen sich aber natürlich mehr um die aktuellen gesellschaftlichen Fragen, nicht nur in der Kunst: „Wir denken mit dem Garten unter anderem über das Zeitalter des Anthropozäns nach, über unsere Beziehung zu Pflanzen und wie sie in Zukunft aussehen kann. Gleichzeitig erzählen botanische Gärten uns vom Kolonialismus – und die Bewegung von Pflanzen, die hier wachsen, über Migration“, sagt Co-Kuratorin Clara Meister, die die Schau zusammen mit Gropius-Bau-Leiterin Stephanie Rosenthal entwickelt hat. Und es geht, wie bei jedem Paradies, egal ob religionsgeschichtlich oder soziokulturell gesehen, natürlich um die Frage, wer dort hineinkommt – und wie. Und ob man daraus wieder vertrieben werden kann. Oder wie Clara Meister sagt: „Wenn wir den Garten als einen abgeschlossenen Ort verstehen, stellt sich natürlich sofort die Frage, wen oder was er auch ausschließt.“

Und natürlich, auf wessen Schweiß einige dieser paradiesischen Gärten aufgebaut sind. Eine tolle Position dazu gibt es von der Südafrikanerin Lungiswa Gqunta, die hier ihre Arbeit „Lawn 1“ zeigt, in der zerborstene Flaschen die grünen, penibel gepflegten Rasenflächen der weißen Oberschicht in ihrem Land mit der Realität in den Townships konterkarieren. Sie hat die Arbeit für den Gropius Bau aktualisiert, so wie es einige der über zwanzig zeitgenössischen Künstler*innen getan haben.
Ergänzt werden diese Aktualisierungen noch durch ganz neue, sowie fast schon klassische zeitgenössische Arbeiten. Lungiswa Gquntas „Lawn1“-Arbeit befindet sich entsprechend direkt neben einem weiteren Highlight der Schau, der Videoinstallation „Homo Sapiens Sapiens“ von Pipilotti Rist aus dem Jahr 2005, in der es sehr sinnlich, sehr spirituell und sehr botanisch zugeht. Und die damit auch bestens zeigt, dass der Mensch ohne Garten, ohne Grün schlicht verkümmern würde.

Gropius Bau Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Mi–Mo 10–19 Uhr, am 27.7. gibt es „The Two Days Of Earthly Delights“ mit Performances, Lectures und Künstlergesprächen, Samstag ab 11 Uhr

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