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Fotografie

„Food for the Eyes. Die Geschichte des Essens in der Fotografie“ bei C/O Berlin

Mit der Ausstellung „Food for the Eyes. Die Geschichte des Essens in der Fotografie“ geht C/O Berlin ein Thema an, das eine lange Kunsttradition hat und gleichzeitig ein hochpräziser Indikator gesellschaftlicher Entwicklungen ist

Foto: Martin Parr / Magnum Photos

Die Erfindung der Tiefkühltruhe war für das Werk „Frozen Foods with String Beans“ von Irving Penn äußerst wichtig. Denn dafür stapelte der Fotograf 1977 Blöcke von gefrorenem Essen aufeinander. Ein Früchte-Stillleben entstand, seit dem Barock in der Malerei ein klassisches Genre, aber von Penn in einem ganz neuen, schroffen Stil und Motiv umgesetzt.

„Essen berührt die vielseitigsten Aspekte“, sagt Kuratorin Ann-Christin Bertrand von C/O Berlin. Sie hat die Ausstellung zur Geschichte des Essens in der Fotografie ko-kuratiert. Am Essen kommt man einfach nicht vorbei – das erklärt auch die Vielzahl von Künstler*innen, die in der Ausstellung „Food for the Eyes. The Story of Food in Photography“ gezeigt werden. Seien es Nan Golding, Cindy Sherman oder Wolfgang Tillmans – sie alle und viele mehr haben Nahrung in ihrer Fotografie thematisiert. In der Vorbereitung zu „Food for the Eyes“ wurden Bertrand die zahlreichen Meta-Ebenen immer klarer, die neben der physischen Komponente von Nahrung auf Fotografien existieren. „In den Werken der Ausstellung bekommt man nicht nur einen Überblick über die verschiedenen Darstellungsmodi des Essens an sich, sondern immer auch über die kulturelle Verankerung des Essens in der Gesellschaft“, sagt sie und zählt Komponenten wie Religion, besondere Anlässe oder politische und technische Entwicklungen auf.

Irving Penns tiefgefrorene Bohnen und weitere Food-Fotografien, die er unter anderem für das „Vogue“ Magazin schoss, sind im ersten Teil der Ausstellung zu sehen. Dort geht es um Stillleben. Mit dabei ist auch seine bekannte „Salad Ingredients“-Fotografie aus dem Jahr 1947, in der er eine behutsam angeordnete Komposition aus einem Salatkopf, Gewürzen, einer halben Zitrone und jeweils einem Löffel Öl und Essig aus Vogelperspektive aufnahm. Penns Blick von oben und die Anordnung von flüssigen Zutaten auf Löffeln erweiterten schon damals den traditionellen Stillleben-Begriff.

Als junge Gegenposition reichert Daniel Gordon das klassische Stillleben um eine digitale Ebene an. „Der Künstler durchforstet für seine Stillleben-Collagen das Internet nach Motiven, die er ausdruckt, aus dem ausgedruckten Material dreidimensionale Stillleben im Raum arrangiert und diese anschließend wieder in den zweidimensionalen Raum zurückführt, indem er davon erneut ein Foto schießt“, erklärt Bertrand die Vorgehensweise von Gordon. Das Spiel mit analog und digital ist in „Pineapple and Shadow“ aus dem Jahr 2011 zu erkennen, in dem die Ananas durch ihre Papierbeschaffenheit eine merkwürdig eckige Ästhetik besitzt.

Foto: Joseph Maida

Fotografien von angeordneten Nahrungsmitteln gab es jedoch auch schon, als die Fotografie noch nicht als Kunst betrachtet wurde. Besonders über die Werke von Roger Fenton aus dem Jahr 1860, eine Leihgabe aus dem Londoner Victoria & Albert Museum, freut sich Bertrand. Fentons Anordnungen des Obstes, darunter Trauben, Ananas und Pfirsiche, bestechen durch die unterschiedlichen Oberflächen. Diese werden durch die Technologie der Fotografie und sein Experimentieren beim Entwickeln en detail erkennbar. Dass Fenton die oberen Ecken seiner Lichtbilder abrundete und sie so in die Tradition der damaligen Malerei stellte, macht deutlich, dass er hier trotz Ablehnung der Fotografie in der Kunst einen starken, künstlerischen Ansatz verfolgte.

Seine durchdachten Kompositionen voller ikonografischer Andeutungen wurden schnell zum Vorbild für Kochbücher, die im ersten Teil der Ausstellung nicht fehlen dürfen. Bertrand bemerkt: „Kochbücher sind immer auch Ausdruck ihrer Zeit und lassen Rückschlüsse über die Gesellschaft in einer bestimmten Zeit zu.“ Darum bekommt man die Möglichkeit, bei C/O Berlin in Kochbüchern aus verschiedenen Jahrzehnten zu stöbern.

In den weiteren Teilen der Ausstellung, die „Around the Table“ und „Playing with Food“ heißen, wird es experimenteller. Martin Parrs Fotografie „Untitled (Hot Dog Stand)“ aus den 80er-Jahren kann als soziokulturelle Studie aus Großbritannien angesehen werden. Die Szene einer Menschenansammlung vor einem Hot Dog Stand in einem Freibad ist groß ausgestellt. Die Gesichter der Personen auf der Fotografie sprechen Bände – manche sind genervt, andere geduldig oder voll vertieft ins Ketchup-Auftragen an dem mit Essenresten versehenen Tisch. Die Frage, wie wir miteinander essen, wird hier mit dem Massenphänomen Fast Food, und was das mit sich gebracht hat, beantwortet.

In „Playing with Food“, dem letzten Teil der Ausstellung, wird Carolee Schneemanns Film „Meat Joy NYC“ aus dem Jahr 1964 gezeigt, in dem sich halbnackte Menschen in Fleisch wälzen. Andere junge Vertreter der Food Photography, die spielerisch mit Essen umgehen, werden für das umfangreiche Rahmenprogramm nach Berlin eingeladen. So auch der italienische Künstler Lorenzo Vitturi, der für seine poppige Food Photography bekannt ist. Er will am 11. Juli nach einer Kuratorenführung bei einem Kochevent mit Performance seinen eigenen Ansatz in der Kunst und in der Küche darlegen. Dann wird sich zeigen, inwiefern das tägliche Kochen und seine übereinander gestapelten Essenskulpturen in knalligen Farben zusammen passen.

Food for the Eyes. Die Geschichte des Essens in der Fotografie C/O Berlin Foundation, Amerika Haus, Hardenbergstr. 22–24, Charlottenburg, Eintritt 10/ erm. 6 €, tgl. 11–20 Uhr, 8.6.–7.9.

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