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Skulptur

Im Kolbe Museum verbindet sich Emy Roeders Werk mit den märchenhaften Welten Fujikawas und Hockneys

Als vor dem roten Rathaus für den Bau der U-Bahn gebuddelt wurde, trat 2010 ein spektakulärer Fund zutage. Es war der abgebrochene Kopf einer Terrakotta von Emy Roeder. Die komplette Plastik „Schwangere“ stand 1937 in der Schau „Entartete Kunst“ und galt seither als verschollen. Ihre Urheberin zählt neben Renée Sintenis zu den wenigen Bildhauerinnen, die sowohl vor als auch nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich und anerkannt waren.

Asana Fujikawa, Maria, 2019, Keramik, Foto: Asana Fujikawa

Im Georg Kolbe Museum wird nun ihr fast 60-jähriges, figuratives Schaffen vorgestellt. Oder besser gesagt: es wird erlebbar gemacht, denn Direktorin Julia Wallner gelingt eine überaus ansprechende Inszenierung. Hier stimmt alles und wird inspirierend kombiniert: Eingangs, im ehemaligen Bildhaueratelier Kolbes, haben die 1981 geborene Japanerin Asana Fujikawa und der Brite David Hockney einen märchenhaften Auftritt. Die in Hamburg lebende Künstlerin ist eine Entdeckung. Sie erzählt fantastische Geschichten in druckgrafischen Bildfolgen, die an die Tradition japanischer Holzschnitte anknüpfen. Das ist schon besonders. Doch kommt hinzu, abgesehen vom handwerklichen Können in dieser alten Technik, dass die 38-Jährige einzelne Figuren aus ihren Bildgeschichten als Keramiken zum Leben erweckt. Vom „einsamen Seeungeheuer“ über den „Seelenbehälter“ bis zum „Waldmenschen“ reicht das Spektrum ihrer filigranen Plastiken, die nicht selten bezaubernde Zwitterwesen zwischen Mensch und Pflanze darstellen. Die enge Beziehung zur Natur und die Verwandlung derselben passen bestens zu Hockneys grafischer Bildserie „Six Fairy Tales from the Brothers Grimm“ (von 1969): ein Spiel um Maskerade und Enthüllung.

Rumpelstilzchen und Rapunzel

Kuratorin Matilda Felix hat mit diesem Auftakt ganze Arbeit geleistet. In den „Figuren der fließenden Welt“ beleuchten beide Künstler Metamorphosen, die dem Alltäglichen eine magische Aura verleihen und die das Interesse an einer einfachen Erzählstruktur eint. Wer Rumpelstilzchen und Rapunzel in Hockneys Grafiken gesichtet hat und die sinnbildhaften Verstrickungen hinter sich lässt, gelangt im Neubau zur Retrospektive Emy Roeders. Die Bildhauerin und Zeichnerin nahm 1955 an der ersten Documenta teil und wird mit rund 70 Skulpturen und Zeichnungen auf zwei Etagen gewürdigt. Geboren 1890 in Würzburg, war sie Schülerin Bernhard Hoetgers und zog 1914 nach Berlin (bis 1933/35). Hier war sie in Ausstellungen der „Berliner Secession“ und der „Freien Secession“ präsent, Mitglied der „Novembergruppe“ und befreundet mit Karl Schmidt-Rottluff.

Sechs von Roeder gestaltete Büsten des Malers zeigt die Schau, ebenso weitere Porträts, weibliche Aktfiguren, Mütter und Kinder, Freundinnengruppen und Tierskulpturen sowie das geheimnisvolle Fragment der „Schwangeren“. Es sind unaufgeregte, überzeitliche Formulierungen für „Das Kosmische allen Seins“, so der Titel der Schau nach einer Aussage der Künstlerin. Die Zeit des Dritten Reichs verbrachte Emy Roeder im italienischen Exil, zunächst als Stipendiatin der Villa Romana.

Zurück in Deutschland, erhielt sie 1949 einen Lehrauftrag in Mainz an der Landeskunstschule, wurde später ausgezeichnet mit dem Preis für Bildhauerei des Berliner Senats und in die West-Berliner Akademie der Künste gewählt. Charakteristisch für ihre betörenden Nachkriegsarbeiten sind verschlankte Proportionen und eine zeichenhaftere Bildsprache. Mit 81 Jahren starb die Bildhauer-Pionierin, die bis zuletzt an ihren Werken feilte.

Georg Kolbe Museum Sensburger Allee 25, Charlottenburg, tgl .10-18 Uhr, 7/ erm. 5 €, bis 12.1.

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