Julian Charrière erzählt in der Ausstellung „Silent World“ sehr eindringlich von der Verletzlichkeit unserer Welt
Noch zweifeln manche Gelehrte – aber wenn wir tatsächlich im Anthropozän leben, dann ist einer der relevanten Künstler unserer Zeit der 1987 in der Schweiz geborene Berliner Julian Charrière. Ihn und sein Werk zu übersehen, dürfte inzwischen schwer fallen, da der in Ólafur Elíassons „Institut für Raumexperimente“ ausgebildete Künstler einfach überall zu sein scheint: in Venedig und in der Berlinischen Galerie, auf dem Bikini-Atoll und im Berghain, wo er 2018 während der Art Week gemeinsam mit Ed Davenport alias Inland seine Arbeit „An Invitation to Disappear“ vorstellte.
Doch ganz gleich, ob er auf einem Eisberg vor Grönland mit dem Bunsenbrenner hantiert oder sich auf ein postsowjetisches Kernwaffentestgelände wagt – immer spielt die existenzielle Konfrontation zwischen Mensch und Natur eine Rolle.
Dazu scheint ihm die weitverbreitete Scheu vor Risiken fremd zu sein; er geht sie ein, zur Produktion von Werken mit großer Dringlichkeit. Seine aktuelle Ausstellung „Silent World“ ist sozusagen das nahezu geräuschlose und dennoch deutlich vernehmbare Gegenstück zu all dem Lärm, den „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ und andere machen müssen, um überhaupt gehört zu werden. Doch dort, wo tausendfach gehörte Mahnungen zu verhallen drohen, überzeugen Charrières Aufnahmen von Freitauchern in einer Höhle in Mexiko durch ihre einzigartige Dramatik, die sowohl auf die Verletzlichkeit unser eigenen Existenz als auch auf die Schönheit und Komplexität submariner Milieus verweist, indem sie den Übergang von einer Tiefenschicht in eine andere dokumentieren.
Dazu ermöglichen zwei Installationen auf ganz unterschiedliche Weise, sich wenigstens ein Stück weit ins individuelle Erleben der Unterwasserwelt zu versetzen. In trüben Zeiten wie diesen, in denen sogar Wasser ein Problem ist, das geklärt werden muss, ist diese Ausstellung zweifelsfrei ein Muss.
Julian Charrière: Silent World
Dittrich & Schlechtriem, Linienstr. 23, Mitte,
Di–Sa 11–18 Uhr, bis 29.6.,