Büke Schwarz denkt in ihrem Debütcomic „Jein“ über das ambivalente Verhältnis von Kunst, Identität und Politik nach
„Vielleicht müssen in solchen Zeiten auch Künstler mal klar Stellung beziehen“, steht auf dem Buchumschlag des Debütcomics der deutsch-türkischen Zeichnerin Büke Schwarz. 2017, als Deniz Yücel in Istanbul inhaftiert wurde und Recep Tayyip Erdoğan die Türkei nach seinen autoritären Vorstellungen umbaute, wird die junge türkeistämmige Künstlerin Elâ Schwarz von einer Berliner Kunststiftung als Stipendiatin ausgewählt. Mit drei weiteren Nachwuchskünstlern soll sie eine Gruppenausstellung umsetzen. Nach langen Diskussionen verständigen sich die vier Preisträger darauf, über ihre gemeinsame Ausstellung „Jein“ als Motto zu schreiben. „Es wollen immer alle voneinander wissen, wo der andere steht und von uns Künstlern besonders. Aber diesmal verweigern wir uns der Aussage“, so die Begründung des Kollektivs.
So einleuchtend das Konzept klingt, so sehr lähmt es Elâ. Mitten in ihre Schaffenskrise platzen die Ergebnisse des Verfassungsreferendums, mit dem Erdoğan seine Befugnisse zu Lasten der Demokratie deutlich ausweitete. Es ist der Moment, in dem das Alter Ego der Zeichnerin ihre Herkunft als Teil ihrer Identität anerkennt. Aber hat das was mit ihrer Kunst zu tun? Eigentlich nicht. Doch als sie in einem Interview zur Gruppenschau zu Erdoğans Kulturpolitik befragt wird, bekennt sie sich unmissverständlich zu den Werten der Freiheit. Angesichts der Spannungen zwischen Anhängern und Gegnern des türkischen Machthabers eine Provokation, die zu Drohungen und Selbstzweifeln sowie zu einem Eklat während der Vernissage führt.
Stilistisch an Catherine Meurisse erinnernd, denkt Büke Schwarz in leichten Tusche- und Aquarellzeichnungen über das Verhältnis von Kunst(freiheit), Politik und Moral vor dem Hintergrund der eigenen türkischen Wurzeln nach. Sie fragt sich nach ihrer persönlichen Verantwortung, nach der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Kunst und ihrer moralischen Verpflichtung. „Kunst ist Kunst“, heißt es an einer Stelle, und habe mit Moral und Demokratie nichts zu tun. „Jein“ zeigt, dass es so einfach nicht ist.
Jein von Büke Schwarz, Jaja Verlag. 232 S., 24 €