Die Berliner Verlegerin Christiane Frohmann hat ihre Verlagsseite bei Facebook gelöscht. Die Gründe dafür erläutert sie hier. Ein Gastbeitrag
Mein unbezahltes zehnjähriges Praktikum bei Facebook ist vorbei, ich habe mich und damit auch die Verlagsseite des Frohmann Verlags auf der Plattform gelöscht. Amazon und Google schleiche ich gerade aus, auf Twitter pausiere ich. Monokultur ist schlecht für die Umwelt, dies gilt für materielle Sphären ebenso wie für symbolische und für digitale eben auch. Trotzdem hätten Google, Amazon und Facebook nur zu gern die jeweilige Monopolstellung und am liebsten die der beiden anderen gleich mit, schließlich haben sie und mit ihnen ihre Gründer sich im Neoliberalismus entwickelt. Sie sind jetzt schon reicher und mächtiger als viele Nationalstaaten, und man bekommt zunehmend das Gefühl, dass ihre Erfinder selbst nicht mehr ganz verstehen, was sie da in die Welt gesetzt haben.
Die Forderung, alle drei zu enteignen und in gemeinnützige Organisationen zu verwandeln, ist vernünftig, wenn man das Wohl der Menschheit vor alles andere stellt – die digitalen Kirchenväter Larry Page, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg könnten ja ihre bislang verdienten 50 oder mehr Milliarden Dollar behalten, womit sie gut klarkommen sollten –, doch so weit ist der Entscheiderteil der Menschheit einfach noch nicht.
Derweil rezipieren Menschen, die, wenn sie ehrlich sind, längst wissen, was zu tun ist, nur, um es nicht wirklich tun zu müssen, mit wohligem Schauer dystopische Romane und Serien mit hohem Realitätsanteil. Es entbehrt nicht der Ironie, Bücher wie „The Circle“ von Dave Eggers, „QUIZ“ von Günter Hack oder „Helle Materie“ von Sina Kamala Kaufmann auf Google zu suchen, bei Amazon zu kaufen und bei Facebook zu besprechen oder Folgen von „Black Mirror“ auf dem Apple iPhone anzusehen, denn man performt damit die kannibalistische, Menschlichkeit fressende Technik- und Plattformnutzung, um die es mal mehr, mal weniger moralin in den genannten Werken geht. Vernünftig ist das nicht, aber leichter, als sich der unbehaglichen Vorstellung eines Lebens ohne die digitale Dreifaltigkeit auszusetzen. Das Nichts zu denken, ist für die meisten Menschen immer schon zu viel gewesen.
Nun bin ich aber wie fast alle im Netz nicht nur Konsumentin, sondern auch Produzentin von Inhalten. Ich schreibe sehr oft Texte ins Internet, begonnen habe ich dies auf Facebook, digital erwachsen geworden bin ich auf Twitter. Ich habe den Großteil der Autorinnen und Autoren, die ich verlege, in sozialen Netzwerken entdeckt. Nicht zuletzt habe ich mich dank Microblogging und digitalem Netzwerken in Turbogeschwindigkeit von einer Mutti in eine kreativ und selbstbestimmt arbeitende Person zurückverwandelt. Es gibt also durchaus Gründe, dankbar zu sein.
Aber Zeiten ändern sich, und als unabhängige Verlegerin, die für eine faire Welt mit wirksamen Menschenrechten, allgemeiner Teilhabe, frei zugänglichen Bildungsinhalten und Open-Source-Software kämpft, kann ich nicht länger Plattformen unterstützen, die ihren wirtschaftlichen Erfolg vor demokratische Werte und den Persönlichkeitsschutz ihrer Nutzenden stellen. Milliardenschwere Unternehmen, die nicht alles tun, um gegen diskriminierende Angriffe auf echte Menschen vorzugehen und die wegen ihres schlechten Communitymanagements von Populisten und Nazis gekapert werden, verdienen weder das Vertrauen noch die Lebenszeit von Individuen.
Manche Menschen haben Angst vor dem Darknet, ich habe Angst davor, zu bequem zu sein, das als richtig Erkannte zu tun. Sich bei Facebook zu löschen, ist kein digitaler Sprung in den Ätna, es ist nur ein Klick, nein noch einer und noch einer und noch einer – »sie« wollen natürlich, dass man entnervt aufgibt –, und dann dauert es immer noch vier Wochen, aber irgendwann ist man raus und kann woanders weitermachen, ich etwa auf mojoreads. Das Internet wird mein Leben weiterhin bereichern, weil ich mich ihm nicht konsumierend überlasse, sondern es mitgestalte.
Text: Christiane Frohmann