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Jubiläum

Zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane und über den „jüdischen Fontane“ Georg Hermann

Theodor Fontanes Geburtstag jährt sich am 30. Dezember zum 200sten Mal. Begangen wird das Jubiläum seit Monaten mit einer Flut an Buch-Publikationen – genannt sei hier nur Iwan-Michelangelo d’Apriles herausragender Band „Fontane“ – mit Ausstellungen, Vorträgen, Theaterabenden, Lesungen und zahllosen medialen Beiträgen

Fontane (rechts) war schon sehr betagt, als ihm Georg Hermanns (l.) Roman in die Hände fiel, Foto: picture alliance / ullstein bild (links), J. C. Schaarwächter / Wikimedia Commons / gemeinfrei

Zu Recht wird seiner gedacht, ist doch Fontane einer der wichtigsten Romanciers und Dichter deutscher Sprache und noch dazu Berliner. Zumindest lebte der gebürtige Neuruppiner die meiste Zeit seines Lebens hier. Dass „Effi Briest“ der Flaubert’schen „Madame Bovary“ überlegen ist, wurde längst erkannt, und auch, dass der frühe große Roman „Vor dem Sturm“, der die Napoleonische Besatzung Preußens thematisiert, auf Augenhöhe mit Tolstois Monumentalwerk „Krieg und Frieden“ rangiert. Fontanes Romane, Gedichte und auch Briefe erfreuen sich großer Beliebtheit – noch und wieder.

Der Jubilar wird aber nicht nur gefeiert – als Ausnahme-Schriftsteller, Feminist avant la lettre, Internationalist und zeitkritischer wie liberaler Geist –, sondern auch kritisch beleuchtet. Was gut ist. Etwa sein Antisemitismus. „Wissense denn nich, det Fontane Antisemit is?“, berlinerte einmal Max Liebermann, als in seiner Gegenwart der Name fiel. Tatsächlich äußerte sich Fontane abfällig über Juden. Gleichzeitig betonte der gelernte Apotheker, dass er von ihnen „nur Gutes erfahren“ habe. Seine Haltung ist ambivalent – und nach den Maßstäben seiner Epoche, die schließlich auch antisemitische Hetzprediger wie Richard Wagner hervorbrachte, als eher gemäßigt zu sehen. Ein Wegbereiter des Holocausts lässt sich aus ihm jedenfalls nicht so einfach machen; sicher hätte er das Morden der Nazis nicht gutgeheißen.

Die Braut, die sich nicht traut

Fontane war schon sehr alt, als ihm der im Verlag seines Sohnes Friedrich erschienene Debütroman eines jungen Kollegen in die Hände fiel – angeblich hatte er ihm sehr gefallen. „Spielkinder“ hieß er und stammte aus der Feder Georg Hermanns, Jahrgang 1871, einer der erfolgreichsten Schriftsteller seiner Zeit, der aufgrund seines Plaudertons und seiner „Milljöh“-Beschreibungen als „Jüdischer Fontane“ in die Literaturgeschichte eingehen und von den Nazis erfolgreich aus dieser ausradiert werden sollte. Seine Bücher – viele sind Berlin-Romane, wie auch der jüngst neu aufgelegte humoristische Friseurgehilfen-Roman „Kubinke“ – erlebten Anfang des letzten Jahrhunderts gigantische Auflagen, allen voran der brillante Bestseller „Jettchen Gebert“ und dessen Fortsetzung „Henriette Jacoby“.

Die Titelheldin wächst in einem jüdisch-bürgerlichen Haushalt im alten Berlin der Biedermeierzeit auf und soll einen Mann heiraten, den sie nicht liebt. Die Hochzeit wird prächtig gefeiert, aber die Braut flieht – anders als Effi Briest es tut, mit der Jettchen Gebert eine tiefe Zerrissenheit teilt. Parallelen gibt es auch zu den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann, der Georg Hermann schätzte. Seine Werke aber standen auf der „schwarzen Liste“ der Nazis und wurden 1933 im Zuge der Bücherverbrennungen den Flammen übergeben. Hermann selbst floh nach Holland, entkam aber nur vorübergehend. 1943 wurde er nach Auschwitz deportiert und dort im selben Jahr vergast. Er wurde von den Nazis nicht nur ermordet, sondern auch aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt – trotz löblicher Versuche, seine Werke wieder aus der Versenkung zu holen. Empfohlen sei neben den genannten Titeln noch der ebenso kenntnisreiche wie amüsante „Spaziergang in Potsdam“.

In einer Zeit, in der Antisemitismus in Deutschland wieder lauter wird, sollte nicht nur der großen Klassiker gedacht werden, zumal, wenn sie gegen dieses Übel selbst nicht gefeit waren. Angebracht ist es in jedem Fall, auch an den „jüdischen Fontane“ zu erinnern. Aber wer weiß, vielleicht wird ja 2021 Georg Hermanns 150ster Geburtstag ebenfalls gefeiert.

Kubinke von Georg Hermann, Andere Bibliothek, Berlin 2019, 360 Seiten, 42 €

Spaziergang in Potsdam Georg Hermann, vbb, Berlin 2013, 184 Seiten, 9,99 €

Veranstaltungen zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane

Lesung: „Die ganze Stadt voll Lichter ist“ Renaissance-Theater, So 29.12., 11.30 Uhr

Lesung: „Meine Kinderjahre“, DT-Kammerspiele, So 29.12., 11 Uhr

Vortrag: „Mit Theodor Fontane unterwegs
nach Schloss Tegel“ Mendelssohn-Remise, Fr 12.12., 19 Uhr

Vortrag: „Die Zuneigung ist etwas Rätselvolles“ Schloss Schönhausen, Do 15.12., 11 Uhr

Vortrag: „Tochter der Luft – Effi Briest und die Anderen“, Mendelssohn-Remise, Do 19.12., 16.30 Uhr,

Theater: „Silverster, Sekt und Kaviar Nr. 23“ Theater im Palais, Di 31.12., 18 Uhr

Ausstellung: „Fontanes Berlin“, Märkisches Museum, bis 5.1.

Führung: „Zu Fontane durch die Mauer“ Friedhöfe an der Liesenstraße, Sa 30.12., 14-16 Uhr

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