„Das literarische Berlin ist kiezorganisiert“: Nach zehn Jahren in Stuttgart ist der Tropen Verlag zurück in Berlin, er bezieht ab Januar Räume in Kreuzberg. Tom Müller, zuletzt bei Aufbau, wird Verlagsleiter. Ein Gespräch über seine Rückkehr zu Klett-Cotta, eine Schreib-Auszeit und neue Bücher 2019
tip Herr Müller, Sie haben nach sechs Jahren den Aufbau-Verlag verlassen, wo Sie zuletzt das Imprint Blumenbar leiteten. Warum gehen Sie zu Tropen?
Tom Müller Der Verleger von Klett-Cotta, Tom Kraushaar, fragte mich, ob ich die Verlagsleitung des Imprints Tropen übernehmen wolle. Bei Aufbau hatten wir von 2014 bis 2017 goldene Jahre mit Autoren wie Simon Strauß, Han Kang, Bov Bjerg, Ronja von Rönne und Philipp Winkler. In dieser Zeit habe ich ein Gespür dafür entwickelt, was funktioniert. Dann gab es viele Umbrüche, wie etwa den Weggang von Gunnar Cynybulk zu Ullstein. Ich war sehr gern bei Aufbau, aber es war Zeit für etwas Neues.
tip Wie werden Sie Tropen inhaltlich ausrichten? Gibt es Veränderungen zum bisherigen Programm?
Tom Müller Gemeinsam mit Sarah Lewandowski in der Belletristik und Julia Matthias im Sachbuch wollen wir vor allem das deutschsprachige Programm stärken. Wir sind ein kleines Team, was eine große Chance ist. Wir werden weniger Zeit mit Meetings verbringen, sondern mehr Zeit draußen, wo die Geschichten entstehen und die Leute sind, die sie aufschreiben können. Ich kann bereits einen kleinen Ausblick auf den Herbst geben: Ein neuer Roman von Tom Kummer erscheint, außerdem veröffentlichen wir das erste Buch von Lady Bitch Ray. Und es wird eine große Überraschung geben, die ich noch nicht verraten möchte.
tip Warum zieht Tropen nach Berlin?
Tom Müller Klett-Cotta, der Mutterverlag von Tropen, sitzt in Stuttgart. Wenn man da aus dem Verlag geht, kann man einen Wein trinken gehen, findet aber kaum literarisches Leben. Hier ist das anders, gerade für einen Verlag wie Tropen ist die Nähe zu Autoren besonders wichtig.
tip Wie ist in Ihren Augen das literarische Leben hier?
Tom Müller Die Szene ist reich und vielfältig, aber auch zersplittert, weil es so viele Veranstaltungsreihen gibt. Das literarische Leben in Berlin ist kiezorganisiert. Vielleicht ist das gut, denn so besteht die Möglichkeit, viele Menschen zu erreichen. Was ich beobachte: Lesebühnen mit lustigen Alltagstexten sind weniger geworden, die Tendenz geht zu mehr Literatur. Auch Talkformate wie Kabeljau und Talk im Roten Salon gefallen mir gut.
tip 2018 hat sich in der Buchbranche viel getan. Wie sieht Ihr persönliches Fazit aus?
Tom Müller Ich war ein halbes Jahr nicht in der Buchbranche, um in Ruhe an meinem Roman zu arbeiten. Mir hat die Zeit fern der täglichen Absatzzahlenkontrolle geholfen, etwas befreiter darüber nachzudenken, was spannend wäre und wo man von üblichen Pfaden abweichen könnte. Der Reality Check wird mich dann ab Januar sicher einholen. Und sonst? Klar, der Rückgang an Lesern bereitet mir Sorgen. Es ist schwer, das Lesen gegen andere Tätigkeiten zu verteidigen. Dabei schaffen Schreiben und Lesen einen ganz besonderen Kontakt, eine Mischung aus Intimität und Öffentlichkeit, die es im Fernsehen oder in den sozialen Medien nicht gibt. Lesen war nie Mainstream, abgesehen von Ausnahmen wie „Harry Potter“. Den Leserrückgang zu beschwören, gehört vielleicht auch ein wenig dazu, als Distinktionsgeste. Ich persönlich glaube daran, dass das Buch bestehen wird.
tip Können Sie uns auch einen Ausblick auf Ihr persönliches 2019 geben?
Tom Müller Dafür muss ich ein wenig ausholen: Bevor ich Lektor wurde, war ich war eigentlich Autor. So entstand auch mein erster Kontakt zu Tropen: 2009 las ich auf der Weihnachtsfeier von Klett-Cotta eine Kurzgeschichte vor – die Tom Kraushaar, vermutlich zurecht, verriss. Ich schrieb daraufhin eine weitere Geschichte und wurde zum Open Mike eingeladen. Später war ich Stipendiat der Ponto-Stiftung, wo ich auch den damaligen Aufbau-Verlagsleiter Gunnar Cynybulk kennenlernte. Jetzt geht‘s zurück zu den Wurzeln: Im Herbst erscheint bei Rowohlt Hundert Augen mein Debütroman „Die Jüngsten Tage“. Es geht darin um deutsche Züge, italienische Dichter und die Frage, ob ein junger Mensch heute noch etwas Großartiges vollbringen kann.
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