Das Berliner Ensemble eröffnet eine neue Spielstätte: Das Neue Haus mit Werkraum wird ein Ort für zeitgenössische Stoffe und Dramen
Text: Friedhelm Teicke
Wie bitte? Hier soll in knapp einem Monat ein Hoffest stattfinden und eine funkelnagelneue Zweitspielstätte des BE, das Neue Haus, feierlich eröffnet werden? Der Hofplatz neben dem altehrwürdigen, neobarocken Theaterbau des Berliner Ensembles ist inmitten Gerüsten, Absperrungen, Sandbergen und Baugruben vor allem noch ganz eindeutig: eine Baustelle.
Rund um den Hof gruppieren sich beim Theater des Berliner Ensemble drei Nebengebäude unterschiedlichster Baustile, wovon eines dem Architektur- Ensemble in grauer, terracotta- und glas-aluminium-weißer Firnis-Dis- sonanz ein lindgrünes Farbtrauma hinzusetzt: Das Neue Haus. „Das wird später umgestrichen“, verspricht Oliver Reese, der seit 2017 als Intendant die Geschicke des Berliner Ensembles lenkt – und nicht nur als künstlerischer Leiter, sondern eben auch als Bauherr, der den jahrzehntelangen Sanierungsstau seines Vorgängers Claus Peymann abarbeitet. Erst wurde das Haupthaus renoviert, nun ging es an die Zweitspielstätte – deren Anstrich allerdings also noch warten müssen wird, wie überhaupt der äußere Ausbau. Denn der wird erst in einem zweiten Bauabschnitt im nächsten Jahr fertiggestellt.
Zunächst gilt die Priorität dem Innenleben des einst zu Helene-Weigel- Zeiten errichteten Provisoriums, das so unterschiedliche Nutzer wie einen Schachklub, eine Parteizentrale, eine Sauna sowie Ton- und Verwaltungsräume hatte. Und eine Probebühne, die auch als Spielstätte genutzt wurde, aber für den Theaterbetrieb eher ungeeignet war. Mangels Foyer stand „das Publikum im Hof und musste sich nassregnen lassen“, erinnert sich Reese. Nun wurde das ganze Gebäude entkernt, eine Dreh- bühne eingerichtet mit Tribüne für 189 Zuschauer, eine „Werkraum“ genannte Studiobühne mit 80 Plätzen, Toiletten, Schauspieler-Garderoben, einem Lift für Rollstuhlfahrer und einem Lastenauf- zug für die Technik, dazu Lärmschutz, Energieeffizienz, Klimaanlage – und endlich auch ein Foyer im Erdgeschoss. „Bei uns muss niemand mehr im Regen stehen“, meint Reese stolz. 5,5 Millionen Euro kostet der Spaß.
Um für alles den nötigen Raum zu gewinnen, hatten die Architekten eine glänzende Idee: Das Treppenhaus wird kurzerhand nach außen verlegt – aber natürlich regensicher: Die Stiege wird ein Plexiglasdach erhalten. Allerdings final erst im nächsten Jahr; bis dahin bleibt das Neue Haus außen noch ein Provisorium. Das neue Innenleben aber beginnt mit dem Spielbetrieb am 20. September. Die US-amerikanische Regisseurin Karen Breece eröffnet die neue Spielstätte mit „Mütter und Söhne“, einem Recher- chestück über Rechtsextremisten mit Corinna Kirchhoff und Bettina Hoppe in Hauptrollen.
Im Neuen Haus werden, zumindest in dieser Spielzeit, fast ausschließlich neue Stücke junger Autor*innen zur Uraufführung kommen, viele davon sind im Rahmen des Autoren-Programms des BE entstanden, und werden von ihnen selbst auf die Bühne gebracht. So inszeniert die Niederländerin Stephanie van Batum ihr eigenes Stück „Pussy – Eine Ode an die Männlichkeit“ (Uraufführung: 14.11.), Kurt-Hübner-Regiepreisträger Alexander Eisenach sein Stück „Stunde der Hochstapler“ (UA: 13.12.) und der Belgier Stef Lernous seine Alfred-Jarry-Über- schreibung „Ubu Rex“ (UA: 13.2.2020).
Die Premiere „Mütter und Söhne“ läutet ein ganzes Eröffnungswochenende ein, bei dem – passend zum Thema des Stücks – am 21. September unter dem Titel „Was ist rechts? Was ist links?“ ein „Thementag zur politischen Standortbestimmung“ mit Vorträgen, Podiumsgesprächen und einem Workshop stattfindet. Bis Ende September darf das Publikum übrigens bei allen Vorstellungen im Neuen Haus selbst den Eintrittspreis bestimmen. Erst im Anschluss an die Vorstellung wird gezahlt – je nachdem, wie viel einem der Abend wert ist. Das Pay-what-you-want-Angebot gilt auch für die Eröffnungspremiere „Mutter und Söhne“.
Am Sonntag, dem 22. September, schließlich wird vor dem Neuen Haus bei einem Hoffest mit Konzert des BE-Tanzorchesters gefeiert – falls bis dahin die Baustelle abgeräumt ist. Trotz aller Erfahrung mit Berliner Baustellen ist Reese sehr optimistisch, dass das tatsächlich gelingt.
20.9., Eröffnung Neues Haus mit der Uraufführung „Mütter und Söhne“, Regie: Karen Breece, und Eröff- nungsparty; sowie dem Thementag „Rechtes Denken“ am 21.9., Hoffest am 22.9., Berliner Ensemble, Bertolt- Brecht-Platz 1, Mitte, www.berliner-ensemble.de