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Minidrama

Heiner Müllers „Herzstück“ als Clownsnummer ist am Gorki zu sehen

Am Maxim Gorki Theater beginnt die Spielzeit als lockere Mischung aus Dauerbaustelle, ideologisch hochgetunter Großsprecherei und offensiver Arbeitsverweigerung – also sehr berlintypisch.

v. l. n. r.: Maryam Abu Khaled, Elena Schmidt, Dominic Hartmann. Foto: Ute Langkafel / Maifoto

Weil Technik und Untermaschinerie samt den noch aus den 1970er-Jahren stammenden Bühnenzügen bei laufendem Spielbetrieb instand gesetzt werden müssen, steht vor dem Theater bis Ende kommenden Jahres als Ersatzspielstätte ein grauer Container für 200 Zuschauer und eine flexibel bespielbare Raumbühne. Aber weil es im Theater nicht nur um praktische Notlösungen geht, sondern am liebsten gleich ums große Ganze, verkündet eine Parole an der Längsseite des Containers die Radical-Chic-Parole zum Spielzeitauftakt: „De-Heimatize-It!“ Was wohl irgendwie ideologiekritisch gemeint ist, aber vor allem sehr phrasenhaft wirkt.

In der schrulligen Sprachverfremdung schrumpft die Parole zum Insidersignal, das sich als Coolness-Demonstration selbst genügt. Andererseits soll der Container natürlich trotzdem eine Art Theater-Heimat werden. Also besingen dem Haus verbundene Künstler ihre neue Wirkungsstätte ohne Scheu vor blumigen Ausrufezeichen im Spielzeitheft als „das Symbol von Nichts“ (Lola Arias), als „Asyl“ (Oliver Frljić), als Ort, „um unsere Kehrseiten zu erforschen“ (Yael Ronen).

Die Wucht solcher Weltzerklärungsvokabeln steht im Kontrast zum Bühnengeschehen der ersten Spielzeitpremiere. Sebastian Nübling hat Heiner Müllers Minidrama „Herzstück“ inszeniert, eher ein Scherzartikel am Rande der Selbstparodie als ein Theaterstück. Bei Müller macht ein Clown einem anderen eine vergebliche Liebeserklärung („Darf ich Ihnen mein Herz zu Füßen legen?“), bei Nübling stolpern und tänzeln sieben Clowns mit Halskrause in lustig knallbunten Ganzkörperstrampelanzügen aus Seide über die leere Bühne (Maryam Abu Khaled, Mazen Aljubbeh, Karim Daoud, Dominic Hartmann, Kenda Hmeidan, Vidina Popov, Elena Schmidt). Ein Ballett mit Akkuschraubern ist wohl eine Hommage an die Bauarbeiter im Haupthaus; der Aufbau eines kleinen Gerüsts zieht sich endlos hin, um immer wieder zusammenzukrachen, ein großes Holzherz wird mit größtmöglichem Aufwand an Stolperern und Missgriffen auf das Gerüst gezogen – das Liebesleben der Clowns ist eine Baustelle.

Heiner Müllers auf die Rückwand proijzierter Stoßseufzer „Arbeiten und nicht verzweifeln“ wird kalauernd umgedreht: „Verzweifeln und nicht arbeiten.“ Haha, lustig. Genau wie das Erklärschild vor einem dösend auf dem Boden liegenden Clown: „Artist at work.“ In einer aufgedrehten Selbstreferenzrede wird wieder einmal mit Gummi­hammerironie der Intendantin gedankt. Über der Bühne sorgt ein lustig blinkendes Herz für Lichtspielfreuden – irgendwie muss das Nichts des hochtourig im Leerlauf um sich selbst kreisenden Theaters ja aufgepimpt werden. Immerhin ist nach 70 Minuten der Abend zu Ende und Heiner Müllers Herz mit Hilfe eines Taschenmessers glücklich aus der Brust geschnitten. Es ist zwar nur ein Ziegelstein, „aber es schlägt nur für Sie“.

Termine: Herzstück am Maxim Gorki Theater Am Festungsgraben 2, Mitte

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