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Göttlicher Identitätsdiebstahl

Herbert Fritsch macht sich einen Spaß mit Heinrich von Kleists „Amphitryon“ in der Schaubühne

Zum Abschied von der Schaubühne hat sich Herbert Fritsch, geschmackssicher wie immer, die aberwitzigste Komödie der deutschen Literatur ausgesucht: Heinrich von Kleist schließt in „Amphitryon“ die Boulevard-Mechanik der Verwechslungskomödie mit antikem Mythos, hoher Sprache und Existenzfragen nach Identität als sozialer Konstruktion kurz

Carol Schuler in Herbert Fritschs Inszenierung von „Amphitryon“, Foto: Thomas Aurin

Identitätsdiebstahl ist eine Zumutung, aber Amphitryon (Florian Anderer) und sein Diener Sosias (Joachim Meyerhoff) haben immerhin die Ehre von einem Gott, Jupiter persönlich (Axel Wandtke), und seinem Halbgott-Begleiter Merkur (Bastian Reiber) gedoubelt, betrogen, verprügelt und verhöhnt zu werden. Und das nur, weil sich Jupiter im Götterhimmel langweilt und sich die Zeit mit Amphitryons Gattin Alkmene (Annika Meier) vertreiben will.

Als sein eigener Bühnenbildner hat sich Fritsch eine buntbemalte Gassen- und Soffitten-Bühne wie im Barock- und Rokoko-Theater gebaut, eine kleine Hommage ans Hof- und Volkstheater Molières, der den Amphitryon-Stoff vor Kleist und ohne dessen deutsche Tiefsinn-Anfälle zur Komödie gemacht hatte.

Spott und Vollkaracho

Die feierlichen Antikenanklänge und Kleists Hang zum Blick in den Abgrund kontert Fritsch mit guter Laune und atemberaubender Spielfreude-Leichtigkeit, vor allem aber mit dem nicht ganz unhöhnischen Vergnügen am grimmassierenden, überzogenen, unglaublich gekonnt quatsch-machenden Bad Acting. Annika Meier als von Jupiter (den Wandtke eher als Bauerntheater-Tölpel denn als strahlend göttliche Erscheinung spielt) Verführte muss sich jede Menge Sissi-, Ufa- und Marika-Rökk-Filme angesehen haben, um den vor anbiederungsbegeistertem Jungmädchenkitsch perlenden und triefenden Trashtonfall mit österreichischen Untertönen so perfekt und mit unüberhörbar durchklingendem Spott imitieren zu können. Großer Spaß!

Der Vollkaracho-Schauspieler Joachim Meyerhoff als naiv dauerstaunender Knecht Sosias gibt hier sein Schaubühnen-Debüt, und was soll man sagen, er gibt es glänzend. Niemand macht als hochtourig gegen Wände laufender, reingelegter Trottel so eine tolle Bühnenfigur wie Meyerhoff! Aber der Abend ist kein Meyerhoff-Starvehikel, der Star ist Fritschs Truppe mit einem ungebremst sämtlichen Affen allen verfügbaren Zucker gebenden Bastian Reiber als Merkur und Sosias-Vespotter, mit Werner Eng als seltsamer Edeltranse, mit den kongenialen Musikern Ingo Günther am Klavier und Taiko Saito am Vibraphon. Jenseits der Komödienmechanik besteht das Glück dieses Abends unter anderem darin, dieser hochvirtuosen Truppe zuzusehen, mit der Fritsch seine Kunst in immer neue, überraschende Pirouetten treibt – diesmal, indem er zu den Wurzeln zurückgeht und nach der Entstehung der Komödie aus dem Geist des Irrsinns fragt.

Termine: Amphitryon in der Schaubühne

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