Falk Richter hat mit „In My Room“ am Maxim Gorki Theater ein persönliches und oft genug ziemlich ratloses Stück über Väter und Söhne, über schwule und mehr oder weniger heterosexuelle Männer, über das eigene Leben inszeniert
Und dann geht es ganz schnell. Der junge Mann, der eben noch mit Genuss durchs schwule Leben tanzte, altert in Minuten. Er sackt in sich zusammen, die Bewegungen werden schwerer, er sinkt ins Krankenhausbett, bewegt sich noch ein wenig, ein schutzloses Bündel Mensch (Knut Berger), das auf den Tod wartet und für die Außenwelt nicht mehr erreichbar ist. Falk Richter hat mit „In My Room“ am Maxim Gorki Theater ein persönliches und oft genug ziemlich ratloses Stück über Väter und Söhne, über schwule und mehr oder weniger heterosexuelle Männer, über das eigene Leben inszeniert. Der taz hat er in einem Interview erzählt, dass sein eigener Vater, offenbar ein Vertreter einer gefühlsverpanzerten, soldatisch verhärteten Männlichkeit, gestorben ist, während er, Falk Richter, an diesem Theatertext geschrieben hat.
Am Ende des Abends bevölkern lauter verwirrte, kranke, sterbende Greise die Bühne. Die Hass- und Angst- , die Geborgenheits- und Fremdheitsfiguren der Väter sind zu hilflosen, zerbrechlichen Alten geworden, die man nur noch beschützen möchte. Auch diese Pflegestation-Insassen werden von den fünf jungen bis mittelalten Schauspielern gespielt, die wir zuvor als lauter Söhne kennen gelernt haben, die mit ihren Vätern hadern oder sich liebevoll an sie erinnern (in der Regel beides, als wäre das Eine ohne das Andere nicht zu haben). Denn natürlich werden auch sie und wir, die Zuschauer, irgendwann sabbernd oder debil oder betäubt von Medikamenten in einem Pflegeheim die Wände anstarren. Wenn wir Glück haben und es für ein gutes Heim reicht.
Jonas Dassler bohrt sich in seinem Eingangsmonolog
Die Inszenierung geht in den genauen Beobachtungen, den offenkundig autobiografischen Such- und Erinnerungsbewegungen des Autors und der fünf Schauspieler (Emre Aksizoglu, Knut Berger, Benny Claessens, Jonas Dassler, Taner Sahintürk) weit über Instant-Schlagworte wie die beliebte Rede von der „toxischen Männlichkeit“ hinaus. Jonas Dassler bohrt sich in seinem Eingangsmonolog in Falk Richters Porträt eines seltsam sprachlosen Vaters, dessen eigene Jugend von der Erziehung im Nationalsozialismus und Fronteinsätzen beschädigt, deformiert, geraubt wurde. Er liebte John Wayne, die Ikone des selbstgefälligen, entsicherten Macker-Rassismus. Das schafft einerseits sehr klare ideologische Bilder, aber Richter schaut auch hier eher ratlos als wütend auf diesen fremden Vater. Polemik und Hohn würden die weit quälendere Befragung der eigenen Gefühle nur blockieren.
Knut Berger erzählt, wie seine Mutter bei seinem Coming-Out als Jugendlicher weinte – nicht wegen ihm, sondern weil sein Vater Jahre vor Knut Bergers Geburt selbst einen Liebhaber hatte, eine Sehnsucht, die er sich danach nie wieder erfüllte.
Taner Sahintürk singt für seinen Vater, der sein Leben lang im Kohlebergwerk malochte, der nie eine Chance auf eine bessere Arbeit, ein besseres Leben hatte, Marianne Faithfulls John-Lennon-Cover „Working Class Hero“. Benny Claessens weiß noch, wie er sich als Achtjähriger als Madonna oder Cher verkleidete, eine minderjährige Dragqueen auf einem holländischen Campingplatz. Sein Vater, ein Lastwagenfahrer, ist schon vor Jahren gestorben.
Termine: In My Room am Maxim Gorki Theater, 10–38 €