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Interview

„It’s Britney, Bitch!“ im Berliner Ensemble: Monologe zum Megastar

Mit dem Stück „It’s Britney, Bitch!“ wagen Lena Brasch als Regisseurin und Sina Martens als einzige Darstellerin am Berliner Ensemble eine Liebeserklärung an Britney Spears, den gezeichneten Weltstar. Auf ihren kometenhaften Aufstieg zur Jahrtausendwende folgten wilde Jahre, dann eine Vormundschaft: 13 Jahre hatte ihr Vater die totale Kontrolle über das Leben der heute 40-Jährigen, die erst seit Mitte November frei ist. Eine Erkenntnis bei den Vorbereitungen zum Stück? „Sie ist unglaublich unterschätzt“. Wir haben mit den beiden über Beweggründe und die Britney in uns allen gesprochen.

„It’s Britney, Bitch“ im Berliner Ensemble; Regisseurin Lena Brasch (stehend) und Schauspielerin Sina Martens. Foto: Saskia Uppenkamp

„It’s Britney, Bitch“ am Berliner Ensemble: Planungen begannen vor Britneys Freiheit

tipBerlin Die Planungen zu „It’s Britney, Bitch!“ begannen vor mehr als einem Jahr, als die Situation von Britney Spears noch weitgehend spekulativ war. Wie gehen Sie ein solches Thema aus der Distanz an?

Lena Brasch Wir beschäftigen uns gar nicht vorrangig mit der der Vormundschaft und dem Gerichtsdrama, das man sicher auch sehr gut erzählen könnte. Wir erzählen viel mehr die Britney in uns allen.

tipBerlin Zu Beginn ihrer Karriere wurde Britney als Puppe dargestellt, also Sexhäschen ohne Talent, blöd, blond. Dann gab es eine umfassend dokumentierte Krise, ein Comeback, die Vormundschaft. Wie bezieht man das auf sich selbst?

Sina Martens Wir stellten fest, wie sehr diese Frau unterschätzt wird in der medialen Öffentlichkeit. Fokussiert wurde nie ihr Talent. Sie tanzt wahnsinnig gut. Oft durfte sie nicht live singen. Wenn sie es tat, hat es uns beeindruckt. Unsere Auseinandersetzung mit ihr sorgte dafür, dass ich immer mehr von ihr gehalten habe. Jetzt denke ich: Sie ist unglaublich unterschätzt. Daraus kann man Dinge ableiten.

tipBerlin Wie übersetzen Sie das auf die Bühne?

Sina Martens Wir merkten, dass wir eine ganze Reihe über sie machen könnten, weil es so viele potenzielle Erzählungen gibt. Wir wählten Themen, die uns interessierten und die wir mit uns verbinden konnten: zum Beispiel wie junge Frauen in der Öffentlichkeit gesehen werde; oder Vater-Tochter-Beziehungen. Wir haben vier Autor:innen, Lena eingeschlossen, gefragt, ob sie dazu Texte schreiben, die wir, wie Lena es neulich nannte, zu einem Mosaik zusammengefügt haben.

Britney Spears bei einem Konzert 2017 in Taiwan: Weltstar ohne Rechte. Foto: Imago/Top Photo Group

Britney Spears: „Themen, die über den Kanon von dramatischen Stücken hinausgehen“

tipBerlin Wer hatte die Idee? Offensichtlich ist die Verbindung BE und Britney ja nun nicht.

Lena Brasch Die Idee kam tatsächlich vom Intendanten, Oliver Reese. Er hatte zu Sina gesagt, man müsste einen Abend über Britney Spears machen. Sie durfte sich dann ein Team zusammensuchen. Und ja, BE und Britney wirkt nicht sofort wie Faust auf Auge – deswegen rechne ich es Oliver Reese hoch an, dass er da so offen gegenüber Popkultur ist.

Sina Martens Und die Menschen in unserem Umfeld fanden es sofort spannend, weil andere Themen reingebracht werden, die über den Kanon von dramatischen Stücken und üblichen Texten hinausgehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige sich damit auch schwertun, das ist aber nicht meine Sicht auf Theater. Ich bin dafür, dass möglichst viele Handschriften möglichst diverse Themen verhandeln.

tipBerlin Während der Vorbereitungen Ihres Stückes sprach Britney das erste Mal umfassend öffentlich über die Vormundschaft und ihr Leben als „Alptraum“, als „Sklavin“, unterdrückt von ihrem Vater, den sie hasst. Mitte November vergangenen Jahres wurde sie aus der Vormundschaft entlassen. Wie wirkten sich diese Fortschritte für Britney auf Ihre Arbeit hier aus?

Lena Brasch Wir haben den Autor:innen von Anfang an die Möglichkeit gegeben, über das zu schreiben, was sie interessierte. Das sind individuelle Sichtweisen. Und es sind junge Texte, die nicht schon ein Jahr liegen, sondern auch das Aktuelle reflektieren. Wobei wir nicht explizit abhandeln, was im Detail passiert ist. Selbstverständlich gibt es rückblickende Elemente. Wir müssen aber, und das liebe ich am Theater, keine minutiöse Nacherzählung liefern. Die Texte haben eine Allgemeingültigkeit unabhängig von aktuellen Ereignissen.

Lena Barsch: Britneys „Breakfree tief in meinem Gedächtnis verankert“

tipBerlin Was ist Ihr persönlicher Bezug zu Britney Spears?

Sina Martens Ich habe Gefühl, ich bin mit ihr aufgewachsen, seit auf MTV „Baby One More Time“ lief. Ich war kein riesiger Fan, aber habe zum Beispiel auf Premierenfeiern auch immer „Toxic“ und „Gimme More“ aufgelegt. 2007 aber, da war Britney dann wirklich Thema. Ich habe das gespeist, was mir aufgetischt wurde: „Absoluter Zusammenbruch“ und „Oh mein Gott, sie hat sich die Haare abrasiert“. Ich habe das nicht in Frage gestellt. Jetzt, als wir uns damit beschäftigten, sagte Lena irgendwann, dass sie keinen Absturz sieht, sondern einen emanzipatorischen Akt. Sie sieht nicht leidend aus, nicht verrückt, sondern befreit. Das hat mich meine Wahrnehmung hinterfragen lassen.

Lena Brasch 2007, dieser versuchte „Breakfree“, ist in meinem Gedächtnis tief verankert. Ohne es irgendwie gleichsetzen zu wollen: So wie ich mich an 9/11 erinnere, erinnere ich mich an diese Zeit, in der Britney Spears sich die Haare abrasiert hat. Das sind Bilder, die in die Geschichte eingebrannt sind.

Fans von Britney Spears (und Gerechtigkeit) feiern Mitte November vor einem Gericht in Los Angeles die Freiheit der Sängerin nach 13 Jahren Vormundschaft. Foto: Imago/Zuma Wire/Ringo Chiu

„It’s Britney, Bitch“ ist keine Romantisierung oder Heroisierung

tipBerlin Vieles, was damals geschah, wurde medial geächtet. Ist eine Motivation für Sie auch, da etwas geradezurücken?

Lena Brasch Ich finde es schwierig zu sagen, dass wir da etwas geraderücken. Wir wollten ihr auch kein Denkmal setzen, sondern eine Liebeserklärung machen. Wir wissen nicht, was richtig ist und was falsch, wir können nur beobachten und daraus etwas erzeugen. Unser Blick ist liebevoll und intensiv. Es geht um eine Beleuchtung aus einem anderen Winkel, auch kritisch, nicht um Romantisierung oder gar Heroisierung. Wir wollen aber zeigen, dass sie mehr ist als nur ein freundlicher Dur-Akkord in der Geschichte des Pops.

Sina Martens Und generell hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zum Glück für Frauen in der Öffentlichkeit viel verändert. Trotzdem leben wir noch längst nicht in einer gleichberechtigten Welt. Es gibt noch viel zu tun. Auch darüber können wir etwas erzählen, es auf uns beziehen, und da ist der Abend, um den Bogen wieder zu schlagen, schon auch ein Stück weit als Befreiung gedacht, solche Dinge auszusprechen.

tipBerlin Sie beziehen sich auch auf die Beziehung von Töchtern zu Vätern. Inwiefern geht es da konkret um Britneys Vater Jamie Spears, der die Vormundschaft verantwortet hat?

Sina Martens Was wir gemacht haben, ist, uns mit dieser Folie des Lebens von Britney, mit Vater-Tochter-Beziehungen, mit dem Geliebtwerden, dem Auflehnen, auseinanderzusetzen. Auch das bilden die Texte ab – die auch diskutieren, wie ein Vater von Verantwortung und Schutz sprechen würde, eine Tochter vielleicht von Übergriffigkeit. Nicht im körperlichen Sinne, aber irgendwie schon. Töchter möchten aber auch geliebt werden. Wir erzählen, was wir dazu erzählen können, eben auch über die Ambivalenz in diesen Beziehungen. Theater ist ja auch immer ein Brennglas auf Themen. Bei Britney müssen wir das Thema nicht größer machen, es ist schon theatral. 13 Jahre Vormundschaft, ich kann mir das alles nicht vorstellen. Als erwachsene Frau, als Mutter, unmündig zu sein – das kann man kaum überspitzen, weil es so groß ist.

  • It’s Britney, Bitch Berliner Ensemble Bertolt-Brecht-Platz 1, Mitte, Fr 7.1., Sa 8.1., 20.30 Uhr, So 9.1., 20 Uhr, Do 13.1., 20.30 Uhr, Sa 15.1., 20.30 Uhr, So 16.1., 20 Uhr,  Mo 14.2., Mo 21.2., Sa 26.2., So 27.2., 12 € (ermä. 8 €), Infos und Tickets hier

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