Theater

Jan Bosse inszeniert „Don Quijote“

Am Deutschen Theater spielt Ulrich Matthes Don Quijote, Wolfram Koch schlüpft in die Rolle des Sancho Panza. Wir haben den Regisseur zum Interview getroffen

Don Quijote von Jakob Nolte nach Miguel de Cervantes Regie: Jan Bosse, Deutsches Theater

Herr Bosse, ist der verwirrte Ritter Don Quijote ein armer Irrer oder der letzte Romantiker – oder beides?

Mich interessiert mehr das quijoteske Gedankenexperiment als der lustig-lächerliche Idealist – denn sein Wahnsinn hat Methode. Der selbsternannte Weltenretter erklärt seine „Verrücktheit“ zur bewussten Strategie: „ohne Grund verrückt werden“ als höchste Freiheit. Die Asozialität als Nische im System, aus der heraus vielleicht Veränderung möglich wäre. Aber auch die Freiheit des Spiels, des Theaters. Wer sagt, dass die Windmühle nicht genau das ist, was ich „Riese“ nenne und dringend bekämpft werden muss?

Don Quijote ist eine Zumutung. Was mögen Sie an ihm? Und weshalb bleibt der arme Sancho Panza bei ihm?

Es gibt ja heute viel zu wenige Don Quijotes. In einer aus den Fugen geratenen Welt beharren da zwei Sinn- und Glückssucher darauf, die Autoren ihrer Geschichte zu sein – und zu bleiben. Sie erfinden sich selbst neu und alle anderen gleich mit, machen die Welt zur Bühne, um die Deutungshoheit über die eigene Biografie nicht abzugeben.

Wie bei den ehe-ähnlichen, ko-abhängigen Beckett-Paaren handelt es sich auch hier um eine Liebesgeschichte in stürmischen Zeiten

Jan Bosse

Sind Don Quijote und Sancho Panza Verwandte von Hamm und Clov in Becketts „Endspiel“, das Sie mit demselben umwerfenden Schauspieler-Duo, Ulrich Matthes und Wolfram Koch, inszeniert haben?

Na klar, dieses Traumpaar der Weltliteratur ist wie eine Blaupause der Beckett-Figuren. Ein Mann, der sich zum Ritter erklärt, ein zweiter, der seinen Knappen spielt, um gemeinsam die Welt zu retten. Wie bei den ehe-ähnlichen, ko-abhängigen Beckett-Paaren handelt es sich auch hier um eine Liebesgeschichte in stürmischen Zeiten, samt fiesem Machtgefälle zwischen Herr und Knecht.

Ersetzt Ihre Inszenierung die Lektüre des Romans?

Theater kann ja das Lesen von Literatur nie ersetzen. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob überhaupt jemand diese 1.600 Seiten tatsächlich komplett gelesen hat! Jeder kennt den „Ritter von der traurigen Gestalt“ und vielleicht ein paar seiner Abenteuer, aber die Schönheit und Brutalität von Cervantes‘ Sprache scheint mir unter Klischees verschüttet. Also los: Erst ins Theater! Und dann: Lesen!

Deutsches Theater, Schumannstraße 13a, Mitte, Tel. 28 44 10, die nächsten Termine und Karten unter www.deutschestheater.de

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