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Kulturpolitik

Wer Ateliers vernichtet …


… bekommt jetzt von der Künstler*innen-Initiative AbBA einen bitterbösen Preis: den Weak Art Award

AbBa Critical Mass Mobile: Der Kampf für bezahlbare Ateliers wird ideenstark geführt, Foto: Ulf Saupe 2017

Ende 2017 flogen Steine und Brandsätze im Norden Treptows. Zielscheibe der hilflosen Wut war ein fast 100 Jahre alter Backsteinbau, die ehemalige Agfa-Film-Fabrik an der Grenze zu Kreuzberg. Hier gab es bis 2016 eine bunt gemischte Mieterschaft von Künstlerinnen und Kleingewerbe, bis das geschichtsträchtige Gebäude an den Immobilienunternehmer Gregor Marweld verkauft wurde. Es folgten Kündigungen, Umbau und Neuvermietung an die Factory II Berlin mit Geschäftsführer Udo Schlömer, der sein Haus als „Startup-Campus“ bezeichnet, und zwar einer der größten seiner Art in Europa. Vor dem Einzug wurde dann noch in diesem „alten verlassenen Fabrikgebäude“ Halloween gefeiert. „Ich finde an diesem Fall so interessant, dass mit dem Kreativitätsbegriff gespielt wird“, sagt der Stadtökonom Felix Hartenstein vom urbanophil e.V., eines der vier Jurymitglieder, die Ende Januar dieses Jahres einen Preisträger unter den 2018 zahlreich nominierten Investorinnen gewählt haben. „Dass sich an das künstlerische Berlin angelehnt wird, als wären Startups jetzt die Nachfolger. Das seien ja auch alles Kreative, so wie die Künstler der 1990er Jahre. Aber was eigentlich dahintersteckt, ist ein Kapitalanlageprojekt.“

Die Factory wurde für den 2018 von der Künstlerinneninitiative AbBA ins Leben gerufenen „Weak Art Award“ als Doppel-Preis nominiert, denn das gleiche Prozedere fand in Friedrichshain statt. Hier hatten sich im alten Postgebäude an der Palisadenstraße seit Jahren Künstlerinnen als Atelierhausgemeinschaft „PostOst“ angesiedelt. Damit war 2016 Schluss, nachdem die Telekom das Gebäude an Factory-Geschäftsführer Udo Schlömer verkauft hatte. Die alte Belegschaft musste gehen, nachdem noch versucht worden war, zu verhandeln und eine gemeinsame Nutzung zu entwickeln.

„Es war ein undurchsichtiges Verschieben von Verantwortung und Nichterreichbarkeit, reine Hinhaltetaktik“, berichtet Boris Joens, Künstler der PostOst und Mitglied der 2014 gegründeten „Allianz bedrohter Berliner Atelierhäuser“ (AbBA), die seither mit Aktionen die Öffentlichkeit auf den Ateliernotstand in Berlin aufmerksam macht.

Jedes Jahr gehen in Berlin wegen der rasant steigenden Mieten mindestens 350 bezahlbare Künstlerinnen-Ateliers verloren. Nun sollen die Player auf dem Berliner Immobilienmarkt sichtbar gemacht werden. Besonders rabiat und perfide vorgehende Investorinnen werden sozusagen für die Schwächung der Kunstproduktion in Berlin mit dem „Weak Art Award“ ausgezeichnet.

„Man muss sichtbar machen, was eigentlich passiert“, erklärt der Berliner Atelierbeauftragte Martin Schwegmann, der als Fachberater an der Jurysitzung teilnahm. „Es geht nicht darum, Investoren-Bashing zu betreiben, sondern eine Öffentlichkeit und Diskussionsplattform zu schaffen, das Ganze aber mit einem Augenzwinkern, in einem künstlerischen, eher spielerischen Format.“

Ein weiterer Anwärter auf den heißen Preis, der sozusagen „der Goldene Windbeutel für das Immobiliengeschehen“ sein soll, wie Boris Joens als Moderator der Jury-Sitzung erklärte, ist die Nicolas Berggruen Holdings GmbH. Erst vor Kurzem machte der Immobiliengigant von sich reden, als er dafür sorgte, dass die Bar Babette in der Karl-Marx-Allee schließen musste. Die Berggruen Holdings hat in Berlin viele Atelierhäuser gekauft, die dann gekündigt wurden, so zum Beispiel das Atelierhaus am Treptower Park 28-30 und die Oranienstraße 185.

Preisverdächtig ist auch Romeo Uhlmann von Campus Viva, Grundkontor Projekt GmbH, der kürzlich Thema in den Medien wurde, weil er einen Abrisstrupp in die Weddinger Koloniestraße 10 geschickt hatte, ein Wohnhaus mit Hinterhofgaragen, die künstlerisch genutzt wurden. Weil es sich um ein Milieuschutzgebiet handelt, konnten die Bagger noch aufgehalten werden.

„Wir gehen von etwa 8.000 bildenden Künstlerinnen und Künstlern in der Stadt aus, von denen mehr oder weniger die Hälfte ein Atelier sucht beziehungsweise von Verdrängung bedroht ist“, sagt der Atelierbeauftragte Martin Schwegmann. „Angesichts der derzeitigen Marktlage befindet sich faktisch jeder, der einen Gewerbemietvertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist hat, in prekärer Situation.“

Die Formen der Verdrängung werden aggressiver. Ob der Gewinner zur Preisverleihung erscheint, ist zweifelhaft. Doch die nächste Trophäe wartet auch im folgenden Jahr auf einen „Sieger“. „Einfach sich zurückzuziehen und zu sagen, sorry, aber wir sind der Rendite verpflichtet, das soll ab heute nicht mehr so einfach gehen, sage ich jetzt mal großspurig“, bemerkt Boris Joens von AbBA.

„Weak Art Award“ Preisverleihung und Podiumsgespräch mit Jurymitgliedern Heather Allen, „Wiesenburg“, Felix Hartenstein, urbanophil e.V., Katalin Gennburg (Die Linke), Sprecherin für Stadtentwicklung im Abgeordnetenhaus, und mit dem Atelierbeauftragten Martin Schwegmann; Werkstatt Haus der Statistik, Pavillon Karl-Marx-Allee 1, Mitte, Mi 27. 2., 18.30 Uhr

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