Thomas Wild verkaufte als Student polnische Bernsteine in Tibet, bekam Teppiche im Tausch angeboten und wurde Teppichhändler. Claudia Diedenhoven stieß während ihres Kunstgeschichtsstudiums auf eine Annonce eines Persischen Teppichrestaurateurs und wurde Restaurateurin für Orienttepiche. Wild und Diedenhoven eint jahrzehntelange Freundschaft, Leidenschaft und Expertise für ihr Metier. Wir haben mit ihnen über Räume, Trends und Rotweinflecken gesprochen.
Berliner Teppich-Experten: Es wird nie langweilig
tipBerlin Seit über dreißig Jahren sind Sie beide im Geschäft. Können Sie Teppiche überhaupt noch sehen?
Thomas Wild Ja. Man wird nicht Teppichhändler wie sich ein Start-Up eine App überlegt. Sondern man hat eine fast naive Liebe zu dieser orientalischen Kunst und möchte einfach damit handeln! Wenn ich die Ladentür öffne und mir die Teppichstapel anschaue, erzeugt es bei mir immer noch etwas Beruhigendes.
Claudia Diedenhoven Auf jeden Fall. Das wird immer besser! Ich verstehe mittlerweile jede Struktur und traue mir alles zu.
tipBerlin Was fasziniert Sie am Teppich?
Wild Kunsthistorisch reizt mich die Mustergeschichte der Teppiche. Der sogenannte Teppichgürtel reicht grob von der Türkei bis China. Und natürlich die Spanne des Handels, von der Privatperson bis hin zum Museum.
Diedenhoven Als Kunsthandwerkerin faszinieren mich die Struktur und der Aufbau der Teppiche. Wenn ich an einem Teppich arbeite, erzählt er mir seine Geschichte und viel über die Machart. Dabei kann ich mir gut vorstellen, wie einst die Knüpferinnen dran gesessen haben.
tipBerlin Ist die Beziehung vom Mensch zum Teppich anders als etwa zum Stuhl?
Wild Absolut. Auf einem Teppich können Sie sitzen und liegen, Kinder können toben und spielen. Ein Teppich erzeugt einen Raum und eine Atmosphäre. Er ist das Grundelement für eine behagliche und coole Wohnung.
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tipBerlin Wie hat sich das Geschäft entwickelt?
Wild Früher kamen die Leute ohne feste Vorstellungen ins Geschäft. Jetzt haben Sie Bilder im Kopf, die sie auf Instagram oder Blogs gesehen haben. Und der Onlinehandel verändert den Markt nicht unbedingt zum Guten. Für die Berliner Branche bedeutet das, dass jedes noch inhabergeführte Geschäft für sich eine Nische gefunden hat. Für mich zum Beispiel ist es wichtig, möglichst direkt am Kunden zu sein. Ich liefere die Teppiche zu Hause an, mache Probelegen und lasse die Leute ein paar Tage mit ihnen wohnen. Dieser Aufwand lohnt sich und macht den Kunden glücklich.
tipBerlin Worauf kommt es beim Handel an?
Wild Als Einzelhändler lege ich großen Wert, drauf was ich einkaufe. Ich muß sicher im Stil sein, die neuesten Trends im Blick und ein Gefühl fürs Einrichten haben. Wenn ich mich mal verkaufe wird der Teppich ja zum Ladenhüter.
tipBerlin Was wird zum Ladenhüter?
Wild Ich habe hier noch so einen braunen Teppich. Das war ein Fehlkauf. Ich fand diesen anfänglich supercool, zumal erdfarbene Teppiche eigentlich gut verkäuflich sind. Nur scheinbar nicht dieses Braun.
tipBerlin Und was ist ein guter Teppich?
Wild Oft kommt der Teppich als letztes in die Wohnung, alles ist schon eingerichtet. Wenn er gut ist, lässt er alles zusammenschmelzen: die Möbel, die Kunst, und er definiert Räume. Das ist das, was ein Teppich erreichen muss. Das kann weder die Kunst noch das Sofa, das kann nur der Teppich.
tipBerlin Was wollen die Menschen, wenn sie Ihren Laden betreten?
Wild Das gilt es für mich herauszufinden. Wo soll der Teppich erstmal liegen? Bei achzig Prozent ist es vor dem Sofa. Dann kommt die Größe, dann die Farbe des Sofas und der Wände und so weiter. Hilfreich ist, wenn sie ein Foto dabei haben. So können wir uns gut durch die Teppichstapel arbeiten.
tipBerlin Gibt es irgendwelche Trends?
Wild In den 80ern ist der klassische Orientteppichmarkt zusammengebrochen. Der Geschmack hat sich verändert, die Arabesque hatte ausgedient. Als ich in Mitte in den 90ern den Laden aufgemacht hatte, konnten die Leute mit Teppichen erstmal gar nichts anfangen. Die Alternative zum Altbackenen war der nackte Boden. Das hat sich mit den einfarbigen und kleingemusterten Teppichen geändert. Mittlerweile sehe ich keinen Trend mehr. Der Teppich ist definitiv wieder da. Es geht in alle Richtungen.
Architektur der Berliner Gründerzeit ist ideal für Teppiche
tipBerlin Sie sind viel im In- und Ausland unterwegs. Gibt es etwas in Sachen Teppich, das berlintypisch ist?
Wild Ich kann nicht sagen, dass Berlin einen speziellen Style hat. Aber das Besondere ist die teppichaffine Architektur der Berliner Gründerzeit mit ihren hohen Räumen und Holzdielen.
tipBerlin Was sind die größten Irrtümer über Teppiche?
Wild Dass der Teppich, den man von der Oma erbt, ein wahnsinnig wertvoller Teppich ist.
Diedenhoven Ich sage immer: Den Wert eines Teppichs bestimmen Sie selbst. Man verbindet mit ihm Erinnerungen und wenn er einem gefällt, dann ist er es auch wert, erhalten zu werden. Ein Verkauf lohnt sich in den meisten Fällen nicht. Das sage ich natürlich ungern, da der Teppich auch einst als Wertanlage verstanden wurde.
tipBerlin Worauf sollten wir beim Teppich zuhause achten?
Diedenhoven In erster Linie ist Staubsaugen wichtig und zwar auch unter dem Sofa, um einem Mottenbefall vorzubeugen. Zudem zersetzt Staub mit der Zeit das Gewebe. Feuchtigkeit gilt es zu vermeiden. Also keinen Blumentopf draufstellen. Und regelmäßig drunter schauen. Dann sollte man den Teppich alle drei bis fünf Jahre in eine gute Wäscherei bringen. Um einen Teppich muss man sich kümmern.
Wild Was die Kunden immer fragen: Was ist mit Rotweinflecken? Wenn so ein Unglück passiert, ist das der Moment für eine professionelle Reinigung.
Diedenhoven So schnell wie möglich. Und nicht anfangen, darauf rumzureiben. Kaffee und Rotwein sind Säuren, die ätzen sich rein. Nur mit Wasser etwas abtupfen und sofort in die Wäscherei.
- Wildcarpets Kirchstr. 25, Moabit, Mi+Do 14–18, Sa+So 11–18 Uhr
- Atelier Diedenhoven Paul-Linke-Ufer 25, Kreuzberg, Mi–Fr 10–18, Sa 10–13.30 Uhr
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