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Traditionsläden

Der Zauberkönig in Neukölln: Dieses Geschäft lebt von Geheimnissen

Als der „Zauberkönig“ 1884 eröffnete, regierte ein Kaiser und Pferde zogen die Straßenbahn. Jetzt schauen alle ins Smartphone – und kaufen immer noch Juckpulver. Hat das Fachgeschäfts für Magie einen Überlebenstrick? Unser Porträt des Traditionsladens in Neukölln.

Scherzartikel, Magie-Zubehör, Kostüme: Gibt’s alles beim Zauberkönig. Foto: F. Anthea Schaap
Scherzartikel, Magie-Zubehör, Kostüme: Gibt’s alles beim Zauberkönig. Foto: F. Anthea Schaap

Der Zauberkönig in Neukölln verkauft Zauberkästen, Wurmpillen und Scherzartikel

„Haben sie Klapperschlangeneier?“, fragt eine Kundin. „Die sind momentan leider ausverkauft, wir müssen nachbestellen“ antwortet die Verkäuferin.

Das ist ein ganz normaler Verkaufsdialog im „Zauberkönig“. Nein, sie wundere sich hier über nichts mehr, sagt Karen German. Zusammen mit Kirsi Hinze führt sie den kultigen Laden für Zauberei- und Scherzartikel in Neukölln. Hier gibt es Wurmpillen, Pferdemasken, Zauberkästen und über 2.500 weitere magische, skurrile und lustige Dinge, die in den deckenhohen Holzregalen dicht an dicht beieinanderstehen.

Kirsi Hinze und Karen German vorm Zauberkönig. Das Geschäft befindet sich seit einigen Jahren an der Neuköllner Herrfurthstraße. Foto: F. Anthea Schaap
Kirsi Hinze und Karen German vorm Zauberkönig. Das Geschäft befindet sich seit einigen Jahren an der Neuköllner Herrfurthstraße, zuvor an der Hermannstraße. Foto: F. Anthea Schaap

„Der Laden lebt durch das Staunen und die Begeisterung der Kunden“ sagt Kirsi Hinze, wenn sie das Geheimnis des „Zauberkönigs“ zu ergründen versucht. Zu ihnen kommen Kinder, die sich an ihren ersten Tricks versuchen, ebenso wie Profi-Zauberer, die an ihrer Bühnenshow feilen. Dann gibt es noch Menschen, die ein Geschenk suchen oder einfach jemandem einen Streich spielen wollen.

Die ersten Kund*innen betraten den „Zauberkönig“ 1884, gegründet von Josef Leichtmann. Da gab es noch den Kaiser. In den Goldenen Zwanzigern mit ihren Varietés und überschwänglichen Unterhaltungslust boomte das Geschäft. Doch die dunklen Mächte der Realität beendeten den unbeschwerten Zauber mit voller Brutalität: während der NS-Zeit wurden das geschäftsführende Ehepaar Charlotte (Leichtmanns Tochter) und Arthur Krone von den Nationalsozialisten enteignet. Nachdem ihre Tochter Meta, damals noch Ladenmanagerin, 1943 in das Konzentrationslager Ausschwitz deportiert und dort ermordet worden war, nahmen sich die Eheleute das Leben. Eine Angestellt führte den Laden weiter.

Die 1978 übernahm Germans Großvater, Günter Klepke, den kleinen Laden in der Hermannstraße übernahm. Unter der Führung des leidenschaftlichen Illusionisten, später seiner Tochter, wurde der Zauberkönig zur berühmtesten Zauberbude Berlins.

Inspiriert vom Schnaps und geleitet von der Überzeugung

Irgendwann wollte Germans Tante nicht mehr. Inspiriert vom Schnaps und geleitet von der Überzeugung, dass die Menschen weiterhin mit Juckpulver versorgt werden müssten und ein solches Kiezjuwel nicht einfach verschwinden dürfe, wagten die beiden Freundinnen Kirsi und Karen den Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit. Das bedeutete zunächst: Zaubern lernen. Denn es ist ein eigenes Fachgebiet, ein männlich dominiertes dazu. „Da musste man sich erstmal etwas erarbeiten“, sagt German.

Der Zauberkönig ist ein echtes Überlebenswunder

Das ist ihnen in den vergangenen acht Jahren auch gelungen. Nur kurz war die Zukunft des Ladens ungewiss. Ende 2018 mussten sie ausziehen, weil die marode Bude einem Neubau weichen sollte. Doch wenn die Geschichte des „Zauberkönigs“ eines gezeigt hat, dann, dass er ein Überlebenswunder ist. Innerhalb von zwei Wochen fanden die Inhaberinnen bezahlbare Räume, zentral gelegen im beliebten wie teuren Schillerkiez.

„Unser Geschäft lebt von Geheimnissen“: die Geschäftsführerinnen des "Zauberkönigs". Foto: F. Anthea Schaap
„Unser Geschäft lebt von Geheimnissen“: die Geschäftsführerinnen des „Zauberkönigs“. Foto: F. Anthea Schaap

German beobachtet den Wandel in Neukölln mit gemischten Gefühlen. Verdrängung auf Grund hoher Mieten sei schlimm. Zugleich lebe ihr Geschäft aber auch von den neuen Kund*innen, bei denen das Geld etwas lockerer sitze. Sie freuen sich, dass der große Eckladen viele neue Gesichter anziehe.

Es sei nur etwas schade, so Hinze, dass einige der Ur-Neuköllner*innen aus Britz und Rudow, die schon als Kinder im alten Laden falsche Hasenzähne kauften und immer wieder vorbeischauten, nicht mehr kämen.

Bald soll es auch Shows und Workshops im Zauberkönig geben

Zurzeit sei eh viel weniger los als zu Anfang des Jahres. Das Ausbleiben der Touristen und internationalen Zauberfans sei deutlich spürbar. Dennoch schauen die beiden optimistisch in die Zukunft und hoffen, bald in ihrem neu eingerichteten Zauberkabinett Workshops und Shows veranstalten zu können. Prekär sei ihre Lage nicht, auch dank staatlicher Unterstützung. Außerdem geht bald die Suche nach Weihnachtsgeschenken los.

Übrigens, wie ein Trick funktioniert, erfährt man erst beim Kauf des Zauberartikels. „Unser Geschäft lebt von Geheimnissen“, sagt German.

  • Zauberkönig Herrfurthstr. 6a, Neukölln, Mo–Sa 11–19 Uhr, Onlineshop hier

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