Berlin verstehen

Spandau in den 1980ern: Zwischen Kleingärten und Todesstreifen

Spandau in den 1980er-Jahren war eine Welt für sich. In den Kasernen hielten sich die britischen Soldaten bereit für einen Krieg, der nie kam. Die Berliner Mauer zog sich durch die Stadtrandidylle. Schüsse fielen direkt neben Wohnsiedlungen, ganze Ortsteile wurden voneinander getrennt. Neben den Tragödien der Teilung lebte man so vor sich hin. Über den Todesstreifen ging es in die Enklaven-Kleingärten, in der Altstadt bummelte man durch die Einkaufsstraßen, und auf Punkkonzerten und Volksfesten wurde gefeiert. Wir haben uns ins Archiv begeben und zeigen euch Fotos aus Spandau in den 1980er-Jahren.


Spandau in den 1980ern: Durch die Mauer in den Garten

Enklave: Ein West-Berliner Paar überquert ganz legal den Mauerstreifen, um zum eigenen Kleingarten zu gelangen, 1980. Foto: Imago/Günter Schneider

Ein Kuriosum der Teilung: Mit den Fichtewiesen, dem Erlengrund und dem Eiskeller hatte Spandau zu Mauerzeiten gleich drei Enklaven auf DDR-Gebiet. Es handelte sich hierbei um Grundstücke, die juristisch zu West-Berlin gehörten, aber außerhalb der Stadtgrenzen lagen.

In den Enklaven befanden sich Laubenkolonien. Wenn die Spandauer:innen also in ihren Wochenendgarten wollten, mussten sie den Mauerstreifen überqueren. Ganz legal. Man nahm die bedrohliche Situation mit Humor. Über der Klingel, mit der man die Grenzsoldaten auf sich aufmerksam machte, stand: „Honecker 2x klingeln“. Auf diesem Foto aus den 1980er-Jahren sieht man ein West-Berliner Paar auf dem gar nicht so entspannten Weg zum entspannenden Garten. Die Kolonien bestehen bis heute, und der Eiskeller ist immer noch bemerkenswert: Der Name geht auf die Eiskeller einer Brauerei zurück, aber die baumlose Heidelandschaft sorgt dafür, dass der Ort wirklich bis zu zehn Grad Celsius Unterschied zum Stadtgebiet hat. Am besten lassen sich die Enklaven bei einem schönen Spaziergang durch Spandau erkunden.


Tag der offenen Tür auf dem Flugplatz Gatow

Tag der offenen Tür auf dem Flugplatz Gatow, 1980. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Die politisch angespannte Lage war im Spandau der 1980er allgegenwärtig. Schließlich befand man sich am Berliner Stadtrand direkt an der Grenze zu Brandenburg, wo Rote Armee und NVA warteten. In Spandau waren die Briten stationiert. Auf dem Flugplatz Gatow landeten Rosinenbomber – und die Queen bei ihren Berlinbesuchen. Dieses Foto aus Spandau in den 1980er-Jahren zeigt britische Soldaten und einen etwas skeptisch blickenden Familienvater beim Tag der offenen Tür auf dem Flugplatz Gatow. Am 30. Juni 1994 wurde der Flugbetrieb eingestellt. Heute befindet sich hier die General-Steinhoff-Kaserne, die das Militärhistorisches Museum Flugplatz Berlin-Gatow und einige Dienstellen der Bundeswehr beherbergt. Die Geschichte der Berliner Flughäfen erzählen wir hier.


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Spandau in den 1980ern: Einfamilienhausidylle und Todesstreifen

Einfamilienhäuser und Todesstreifen: Berliner Mauer in Staaken, 1981. Foto: Imago/Günter Schneider

Der Traum vom Eigenheim in der Stadtrandidylle. Das einzige, was in den 1980ern die Einfamilienhausharmonie störte, war der benachbarte Todesstreifen. Eine skurrile Geschichte der Teilung: Der Spandauer Ortsteil West-Staaken lag im Westen, gehörte aber nach einem Gebietstausch zwischen den Besatzungsmächten zum Osten. Grund dafür war die komplizierte Flughafensituation im britischen Sektor. Sowohl der Flugplatz in (West)Staaken als auch der Flugplatz Gatow befanden sich zur Hälfte im Berliner Umland, nach 1945 also auf sowjetischem Gebiet. Die Briten hatten zwei halbe Flughäfen. Gelöst wurde das Problem durch einen Gebietstausch. Die Territorien in Gatow kamen zum britischen Gebiet dazu, dafür gaben die Briten West-Staaken ab. Seit der Wiedervereinigung 1990 ist auch Staaken wiedervereint. Die Kuriositäten und Tragödien der Teilung lassen sich auf einer Wanderung auf dem Spandauer Mauerweg zurückverfolgen.


Emil Grieben Bürobedarf

Einkaufsbummel in der Charlottenstraße, 1984. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Ein gemütlicher Altstadtbummel – auch in den 1980ern Spandauer Alltag. Alte Damen in Pelzmänteln und Herren mit Anzug und Hut sieht man heutzutage nur noch selten in der Charlottenstraße. Auch die Geschäfte haben sich verändert: In dem Haus Nummer 11 befand sich viele Jahre der Fachhandel „Papierhandlung und Bürobedarf“ von Emil Grieben. Heute werden bei „Die Grüne Lunge“ E-Zigaretten verkauft.


Spandau in den 1980ern: Rathaus Spandau

Am Rathaus Spandau herrschte schon immer viel Verkehr, 1985. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Viel hat sich hier nicht verändert. Das Rathaus Spandau sieht immer noch genau so aus – und der Verkehr ist auch nicht weniger geworden. Der Bahnhof Berlin-Spandau rechts neben dem Rathaus war zu der Zeit jedoch verwaist. Nur Güterzüge und Reisezüge von und nach Hamburg fuhren auf den Ferngleisen vorbei. Erst Ende der 1990er-Jahre nahm der (mittlerweile neu überbaute) Bahnhof Berlin-Spandau wieder den regulären Betrieb auf.


Panzer-Prinzessin

Lady Diana im Panzer, Wavell Barracks, 1985. Foto: Imago/teutopress

Während ihres Berlinbesuchs 1985 besuchte Lady Diana, Princess of Wales, nicht nur das Schloss Charlottenburg, in dem ihr ein spezialangefertigter Porzellanteller mit Edelweißverzierung überreicht wurde, sondern auch die Kaserne „Wavell Barracks“ in Spandau. Die „Königin der Herzen“ inspizierte die hier stationierten Truppen des Royal Hampshire Regiments. Die Prinzessin war nämlich Colonel-in-Chief. Natürlich ließ sie es sich da nicht nehmen, auch mal in den Panzer zu steigen und ein paar Ehrenrunden zu drehen.


Spandau in den 1980ern: Krokofant

Krokofant in der Pichelsdorfer Straße, 1985. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Wenn man in Spandau picheln gehen will, fährt man in die Pichelsdorfer Straße. So ist das noch heute. Auch wenn es viele der legendären Kneipen der Wilhelmstadt schon lange nicht mehr gibt. Das Krokofant zum Beispiel. Die Kneipe war berüchtigt für lange Kartenspielnächte, Aventinus-Starkbier und einen gleichzeitig gefeierten und gefürchteten Eiersalat. Auch wenn sich viel verändert hat im Kiez, gibt es hier immer noch viele gute Orte, um ein paar Bier zu trinken.


Volks- und Kinderfest Gartenstadt Staaken

Volks- und Kinderfest Gartenstadt Staaken, 1985. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Eine schöne Tradition: Schon seit mehr als 70 Jahren feiert die Gartenstadt Staaken ihr Volks- und Kinderfest. Hier trifft sich die Nachbarschaft, und auch Besucher:innen aus anderen Bezirken sind willkommen. Fünf Tage lang wird gemeinsam gefeiert. Es gibt Rummel-Attraktionen, Auftritte und natürlich viel zu trinken. Auch 1985 ging es rund – mit schicken weißen Outfits.

Die zwischen 1914 und 1917 nach dem Entwurf des Architekten Paul Schmitthenner erbaute Siedlung im Bezirk Spandau gilt als eine der bedeutendsten städtebaulichen Leistungen des frühen 20. Jahrhunderts und prägte die moderne Stadtplanung.


Burgfest auf der Zitadelle Spandau in den 1980er-Jahren

Burgfest auf der Zitadelle Spandau, 1985. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Sieht aus wie im Mittelalter, ist aber Spandau in den 1980ern. Auf diesem Foto sieht man einen Ritterschaukampf auf dem Burgfest. Die Zitadelle Spandau ist eine der am besten erhaltenen und bedeutendsten Festungen der Hochrenaissance in ganz Europa. Auch heute noch gehört sie zu den schönsten Locations der Stadt. Das jährlich stattfindende Citadel Music Festival holt Popstars und Rocklegenden an den Stadtrand, und auch Mittelalter-Action gibt es hier und anderswo in Berlin noch reichlich. Zum Beispiel beim großen Gauklerfest oder dem Oster-Ritterfest. Übrigens: Die meisten Fotos in diesem Artikel stammen aus dem Archiv des Stadtgeschichtlichen Museums in der Zitadelle. In der spannenden Dauerausstellung erfährt man alles über die bewegte Geschichte des Bezirks. Mehr Infos zur Zitadelle Spandau geben wir euch hier.


Punk in Spandau

Die Spandauer Punk-Band The Fuckers auf der MS Gisela, 1985. Foto: privat

Punk in West-Berlin war nicht nur Kreuzberg und das SO36. In Spandau, der Mauerstadt-Provinz, gründeten sich in den frühen 1980er-Jahren The Fuckers. Sie verstörten mit ihrem Bandnamen, bekamen Auftrittsverbote, stürmten im gelben Passat den Reichstag und ließen es 1985 gemeinsam mit der Kultband Desaster Area auf der MS Gisela krachen. „Wir heizten so ein, dass es unter Deck tropfte und oben etliche Stühle über Bord in den Tegeler See flogen“, erinnert sich Sänger Steve Cook. Wilde Zeiten am Stadtrand! Hier erzählen wir ihre Geschichte: Never Mind Spandau, here’s The Fuckers!


Die Altstadt Spandau wird in den 1980er-Jahren zur Fußgängerzone

Umbauarbeiten in der Moritzstraße, 1987. Foto: Archiv/Stadtgeschichtliche Museum Spandau 

Heute ist die Altstadt Spandau die größte Fußgängerzone Berlins. Der Weg dorthin dauerte jedoch viele Jahre. Die bereits 1978 eingeleitete Umgestaltung zog sich mehr als ein Jahrzehnt. Dieses Foto aus Spandau in den 1980ern zeigt die Moritzstraße während der Bauarbeiten im Jahr 1987. Zwei Jahre später wurde die Fußgängerzone fertiggestellt. Hinter dem Schultheiss-Schild in der Mitte des Bildes verbirgt sich übrigens der Spandauer Bock – bis heute eine der besten Kneipen in Spandau.


Kirchturm und Wachturm

Die Dorfkirche Staaken an der Berliner Mauer, 1988. Foto: Imago/Günter Schneider

Das Thema mit Staaken hatten wir vorher schon: Der Ortsteil war 1951 im Rahmen eines Gebietstauschs geteilt worden. Ob man wollte oder nicht: Die Grenze gehörte zum Alltag. Besonders dramatisch äußert sich die Situation auf diesem Foto aus Spandau in den 1980ern. Die Dorfkirche Staaken lag zu der Zeit in dem von der DDR verwalteten Gebiet. Die West-Berliner:innen konnten nicht mehr in ihre eigene Kirche gehen, den Bewohner:innen von West-Staaken diente sie jedoch weiterhin als Gemeindekirche. Heute, mehr als 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, ist die Kirche wieder für alle geöffnet. Und sie gehört wieder zu Spandau. Von der Mauer und den Grenztürmen ist nichts übrig geblieben. Auf dem Todesstreifen wächst heute ein Garten. Hinter einer Hecke erinnert ein Granitkreuz an das Jahrzehnte lang geteilte Staaken. Interessiert an Geschichte? Alte Dorfkerne in Berlin stellen wir hier vor.


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Es gibt viel zu entdecken am Stadtrand: Tolle Orte in Spandau stellen wir hier vor. Ost und West – und doch sehr ähnlich: Was Köpenick und Spandau gemeinsam haben, lest ihr hier. Was haben alle immer gegen Spandau? Diese 12 Sätze können Spandauer:innen nicht mehr hören. Die Briten prägten Spandau: Britisch in Berlin geht so. Alles zum Bezirk findet ihr in unserer Spandau-Übersicht. Viel hat sich verändert: Die geteilte Stadt damals und heute zeigen wir hier. Was uns bewegt, erfahrt ihr in unserer Rubrik zum Berliner Stadtleben. Alles zu Berlins Vergangenheit lest ihr in unserer Geschichts-Rubrik

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