Engagement

Brief von 650 Kulturschaffenden in den Iran: „Wir sehen Euch“

Brief von 650 Kulturschaffenden in den Iran: Namhafte Autor:innen, Musiker:innen und andere Kulturarbeitende, darunter viele aus Berlin, wenden sich direkt an die tausenden Protestierenden im Iran, die seit dem mutmaßlichen Mord an der 22-jährigen Jina Amini gegen das Mullah-Regime auf die Straße gehen: „Wir bewundern euren Mut und euren Widerstand.“

Kulturschaffende verfassten einen Brief an die Protestierenden im Iran – am 1. Oktober gingen in Berlin rund 8.000 Teilnehmende auf die Straße. Foto: Friederike Busch 

Brief von Kulturschaffenden: „Wir bewundern euren Mut“

Wo bleiben die ARD-Brennpunkte? Wo die ZDF-Sondersendungen? Wo der ganz große öffentliche Aufschrei? Oder können wir tatsächlich nur eine Krise, wie es die Journalistin Nicole Diekmann, die für das ZDF arbeitet, gerade im Newspodcast „Apokalypse und Filterkaffee“ bei Micky Beisenherz mutmaßte. Derzeit wäre das vor allem die Energie- und Gaskrise infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

Dabei ereignet sich gerade im Iran und in Ostkurdistan etwas geradezu Revolutionäres. Nachdem die 22-jährige Jina Amini von den islamischen Sittenwächtern zu Tode misshandelt wurde, weil sie in deren Augen den Hidschab, das Kopftuch also, nicht korrekt getragen haben soll, demonstrieren Tausende in der islamischen Republik gegen das Mullah-Regime, verbrennen mutige Frauen öffentlich ihren Hidschab, schneiden sich die langen Haare habe. Und werden dabei auch von Männern unterstützt. Auf den Straßen, an den Universitäten, in den Schulen.

Das Regime reagiert mit Brutalität, mit Verhaftungen. Mehr als 50 Menschen sollen laut Amnesty International bereits ums Leben gekommen zu sein.

Offener Brief von 650 Autor:innen: „Ruf nach einer feministischen Revolution“

Rund 650 namenhafte Autor:innen, Musiker:innen, Schauspieler:innen und andere Kulturarbeitende haben jetzt einen offenen Brief verfasst, und zwar nicht, wie das sonst so üblich ist, an Regierende oder an internationale Organisationen, sondern: an die Demonstrierenden im Iran. Darin schreiben sie: „Der Ruf nach einer feministischen Revolution im Iran ist laut und deutlich. Wir sehen euren couragierten Widerstand, wir hören eure entschlossenen Stimmen. Wir bewundern euren Mut und euren Widerstand.“

Als Zeichen der Solidarität mit den Protestierenden waren am 1. Oktober in Berlin rund 8.000 Menschen auf die Straße gegangen. Organisiert hatte diese Demo das Kollektiv Woman*-Life-Freedom.

Zu den Erstunterzeichnenden des Soli-Briefes gehören Berliner Kulturschaffende wie die Produzentin und Regisseurin Feo Aladag, die Schriftstellerin und Journalistin Fatma Aydemir, die Schauspieler:innen Iris Berben, Ulrich Matthes und Jasmin Tabatabai, die Schriftsteller:innen Sharon Dodua Otoo und David Wagner und die Publizistin Carolin Emcke. Eine der Initiator:innen, die für den Deutschen Sachbuchpreis nominierte Schriftstellerin Asal Dardan („Betrachtungen einer Barbarin“), schreibt in einer Presseerklärung: „Wir wollen sagen: Wir sehen Euch! Ihr wollt endlich frei sein!“

Offener Brief: Und jetzt in die Talkshows

Mitunterzeichnerin Gilda Sahebi, die Journalistin ist, sagte laut der Presseerklärung: „Es ist eine historische Zäsur in der iranischen Geschichte. Und doch schauen viele deutsche Medien nicht hin, oder berichten falsch.“

Bleibt nur zu hoffen, dass der Offene Brief auch, wie manch anderer in jüngerer Zeit, eine Welle von Talkshow-Einladungen bewirkt. Denn dieser Brief hätte es wirklich verdient, dass man ganz viel über ihn redet. Und über die mutigen Frauen auf den Straßen im Iran.

Markus Lanz, Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner: Übernehmen Sie bitte.


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