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Wohnungsmarkt in Berlin

Der Senat hat den Mietendeckel verabschiedet. Ein Kommentar von Erik Heier

Jetzt kriegen die Vermieter auf den Deckel. Kriegen sie doch, oder? Und wo kracht es jetzt mal so richtig? Wer lässt Dampf ab? Wo kocht was über?

Deckel drauf, Mietendemo in Berlin, Oktober 2019. Foto: imago images / IPON

Eines ist sicher. Der Mietendeckel, das abenteuerlichste Gesetzvorhaben des rot-rot-grünen Senats, ein in Deutschland beispielloses Unterfangen, wird Geschichte schreiben. Die Frage ist nur: Was genau ist dann die Pointe?

Letztlich ging das ja alles für Berliner Verhältnisse geradezu in Überschallgeschwindigkeit. Ziemlich genau ein Jahr, nachdem das SPD-Trio Eva Högl, Kilian Wegner und Julian Zado einen Vorschlag für den „Berliner Mietendeckel“ lanciert hatte, winkte das Abgeordnetenhaus heute mit 85 zu 64 Stimmen bei einer Enthaltung eine deutlich radikalere Form der Ursprungsidee durch. Das Ideenpapier sah das Einfrieren der Mieten für fünf Jahre vor. Jetzt sollen sie sogar sinken. Bei Bestandsmieten, gestaffelt etwa nach dem Baujahr. Und bei Neuvermietungen gelten Obergrenzen. Ausgenommen sind nur ganz neue Bauten.

Wenn irgendwo im Haus bei Ihnen gerade ein Sektkorken nach dem anderen gegen die Decke schlägt, ist das womöglich ein Mietrechtsexperte. Denn auf die Juristen kommt jetzt einige Arbeit zu. Spätestens in neun Monaten. Dann nämlich, wenn die bestehenden Mieten tatsächlich die neuen Obergrenzen plus 20 Prozent Zuschlag übersteigen – und gesenkt werden müssen. Der Berliner Wohnungsverband BBU legte jetzt seinen Mitgliedern nahe, dieser Pflicht unaufgefordert nachzukommen. Andererseits drohen 500.000 Euro Bußgeld. Über die Mieten wird man die Strafe dann nicht mehr so einfach reinholen können.

Unter Berlins besonders dreisten Vermieter*innen wird es aber bestimmt den einen oder anderen geben, der sich sagt: Mir doch egal. Verklagt mich. Ich habe die besseren Anwälte. Das größere Budget. Die belastbarere Kackfrechheit.

Die Gegner*innen des Mietendeckel, von den großen nWohnungsverbänden bis zur CDU, werden ein Normenkontrollverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof von Berlin anstrengen. Der Senat hat auf den letzten Metern noch einige Korrekturen im Gesetzesentwurf vorgenommen. Zum Beispiel müssen die Mieter jetzt selbst aktiv werden, wenn ihre Miete zu hoch ist. Nicht die Bezirksämter. Die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) warnt jetzt, dass sich „die meisten Menschen so eine Klage nicht leisten können“.

Scheitert das Vorhaben noch vor dem Verfassungsgericht?

Sollte aber die Senatorin für Stadtentwicklung vor dem Verfassungsgericht mit ihrem Gesetz baden gehen, dürfte sie ziemlich im Regen stehen. Und dann möchte man nicht dabei sein, wenn sich Vermieter und Mieter treffen, um über die neue Mieterhöhung zu sprechen. Das wird nicht lustig.

Vielleicht wird Berlin aber bis dahin wirklich unattraktiver für jene Immobilieninvestoren, die in Kapitalmarkt-Kategorien denken, nicht in wohnungswirtschaftlichen Dimensionen. Vielleicht nutzt Berlin die Atempause für jene „umfassende Neubauoffensive“, die sich Högl, Wegner und Zado vor einem Jahr in ihrem Papier wünschten. Vielleicht gibt es aber auch den Weihnachtsmann und den Osterhasen wirklich. 

Oder man glaubt halt ganz fest daran.

Aber egal: Berlin traut sich was. Traut sich was zu. Traut seiner eigenen Courage. Das ist nicht wenig. Der Wohnungsmarkt ist ja wirklich aus den Fugen. Nun muss sich zeigen, ob der Deckel hält, was der Senat verspricht. Endlich wieder bezahlbare Mieten für die Berliner*innen. Warum nicht mal träumen.

Also tun wir das, was Berlin am besten kann: Feiern, als gäbe es kein Morgen. Ab Anfang Februar gilt der Mietendeckel. Also hoch die Tassen. Auf den Mut des Senats, der auch ein bisschen ein Mut der Verzweiflung ist. Augen zu und durch. Einer geht noch. Einer geht immer.

Und Scheiß auf den Kater danach.

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