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Nachruf

Zum Tod des großen Zeichners und „Asterix“-Miterfinders Albert Uderzo

Albert Uderzo, der geistige Vater von „Asterix“ ist im Alter von 92 Jahren verstorben. Lutz Göllner verabschiedet sich vom großen französischen Zeichner

Der "Asterix"-Zeichner Albert Uderzo
Der „Asterix“-Zeichner Albert Uderzo ist gestorben. Hier in seinem Atelier in den 1980er-Jahren. Foto: imago images / Sven Simon

Es gab einmal eine Zeit, so in der zweiten Hälfte der 70er Jahre muss das gewesen sein, da bestand eine Rezension auf der Literaturseite der Zeitschrift „Konkret“ nur aus einem einzigen Satz: „Der neue Asterix ist da!“ Linke und Kultur? Eigentlich ein Widerspruch in sich. Doch, doch, es war zuerst jene linke Zeitschrift, die die kulturelle Relevanz von Comics anerkannte. Aber natürlich konnte das nur mit einer einzigen Comic-Serie geschehen: „Asterix“, einem französischen Nationalepos, voller kulturpolitischer Trivialmythen, einer kombinierten Bild- und Sprachkunst, die alle Grenzen sprengen wollte, erschaffen von zwei Künstlern, die an allen Enden brannten und die buchstäblich ein Meisterwerk nach dem anderen vorlegten.

In der Nachkriegszeit der vierten französischen Republik hatte alles eine tiefere historische Bedeutung. „Wo kommen wir her?“, lautete die Frage, die man den Schülern stellte. Und so wurde schnell der Widerstand, den die gallischen Stämme unter der Führung von Vercingetorix gegen Julius Caesar leisteten, zur Blaupause für den Kampf der Résistance gegen die Nazibesetzung. Aber da gab es damals schon, viele Jahre vor dem Pariser Mai 1968, Künstler, die der offiziellen Geschichtsschreibung skeptisch gegenüber standen.

Der „Asterix“-Zeichner Albert Uderzo und seine Figuren Asterix und Obelix, 2005, Foto: imago images / Belga

René Goscinny war so ein Autor, geboren 1926 in Paris, aufgewachsen in Buenos Aires, der 1950 nach Frankreich zurückkehrte und begann als Autor und Redakteur für die Comic-Zeitschrift „Spirou“. Nur ein Jahr später traf er auf den jungen Zeichner Albert Uderzo, ein italienisch-stämmiger Einwanderer aus bitterarmen Verhältnissen, der sich das Handwerk des Zeichnens, beeinflusst von Walt Disney, autodidaktisch angeeignet hatte. Die beiden jungen Männer verband ein hang zum sarkastischen Humor und der unbedingte Wille, komische Geschichten zu erzählen. So entstand zunächst der heutztage etwas militaristische Fliegercomic „Les Chevaliers du ciel Tanguy et Laverdure“ (dutsch „Mick Tangy“), dann aber auch schon als eine Art Vorarbeit zu „Asterix“, die Indianerserie „Oumpah-Pah“ („Umpah-Pah“).

1959 war es dann so weit: „Asterix“ betrat die Seiten des neu gegründeten Comicmagazins „Pilote“, das sich ganz bewusst gegen die „alten“ Magazine „Tintin“ und „Spirou“ stellte. Der Erfolg war zunächst überschaubar: Der Sammelband der ersten Geschichte „Asterix der Gallier“ hatte eine Startauflage von 6.000 Exemplaren, Band 2, „Die goldene Sichel“ (1961), stieg immerhin schon mit 200.000 Alben ein, eine Zahl, die „Asterix und die Goten“ (1962) dann noch einmal verdoppelte. Bis zum Ende der Dekade erreichten die Alben dann die bis dahin im Comicbereich unbekannten Auflagen von 1,2 Millionen.

Uderzo wurde zu einem manischen Rechercheur

Diesen pfeilschnellen Aufstieg zu erklären fällt auch heute, 50 Jahre später, noch schwer: Es hat wohl einfach alles gepasst, der Zeitgeist wurde immer kritischer gegenüber dem nationalistischen Staatsoberhaupt Charles de Gaulle, der hochgebildete Autor Goscinny, der zunehmend alles – von der Politik über die populäre und klassische Kultur bis hin zur Werbung – parodierte und ein Zeichner, der alle Ketten abschüttelte. Uderzo wurde zu einem manischen Rechercheur. Man sehe sich nur mal die Schnörkelmotive auf den Schwertern der Gallier, Römer und Normannen an: Das ist alles authetisch! Man beachte, mit welcher Eleganz seine Figuren komplexe Gefühle nur durch Gesichtsausdrücke darstellten. Uderzo machte sich über die Leitbilder der Republik („douce France“) genauso lustig, wie über die Feindbilder (die gotischen Nachbarn). Und er spielte: mit Seitenlayouts, mit Soundwörtern, mit dem Lettering in den Sprechblasen. Ein Gote sprach natürlich in Frakturschrift, ein Ägypter in Hieroglyphen (angereichert mit modernen Touristik-Symbolen). Uderzos Strich verfeinerte sich mit den Jahren, wurde immer dynamischer, eleganter.

Zitatgut deutscher Popkultur

Gleichzeitig wurden Goscinnys Geschichten immer kantiger, kritischer. An die treffende subtile Kapitalismuskritik von „Obelix GmbH und Co. KG“ (1976) kommt ein Thomas Piketty heute noch nicht heran. Es gibt dicke Bücher, die schlüsseln nur auf, wie viele literarische und kunsthistorische Anspielungen es in den Asterix-Alben so gibt. Man möchte sich beim Lesen vorstellen, mit welcher Begeisterung Goscinny und Uderzo Alben wie „Asterix als Legionär“ oder „Der Avernerschild“ (beide 1967) schufen, wie sich beim schreiben und zeichnen dieser Humorgewitter vor Lachen in den Armen lagen. Und am Erfolg der Asterix-Alben in Deutschland dürfte auch die wunderbare Übersetzerin Gudrun Penndorf einigen Anteil haben; einige ihrer Übersetzungen sind längst zum Zitatgut deutscher Popkultur geworden.

So ging es, bis René Goscinny 1977 einem plötzlichen Herztod erlag. Asterix war zu diesem Zeitpunkt schon ein Millionengeschäft geworden, europaweit erfolgreich durch Filme und Merchandise, später kamen noch die Spiele dazu. Uderzo sonnte sich zunehmend in diesem Erfolg, anvancierte zum größten Ferrari-Sammler des Kontinents. Ein schönes Hobby. Aber keine schöne Geschichte: Uderzo führte den eigenen Verlag Les Éditions Albert René wie ein Alleinherrscher. Als er und Goscinnys Erbin ihre Anteile 2008 verkauften, wurde daraus ein unschöner Rechtstreit mit der eigenen Tochter.

Über die „Asterix“-Alben nach Goscinnys Tod möchte der Autor lieber den Mantel des Schweigens decken. Oder, um es mit einer Figur aus Asterix zu sagen: Alesia? Ich kennen kein Alesia?“

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