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Drama

Der Gewinner des Goldenen Bären kommt ins Kino: „Synonymes“ von Nadav Lapid

„Synonymes“ von Nadav Lapid ist eine Gratwanderung: Es geht mitten durch eine zentrale Unterscheidung heutiger Identitätspolitik, und zwar bewusst in Frankreich, das so viel Wert auf Laizismus und die Universalität seiner Prinzipien legt

Grandfilm

„Ich bin ausgebrochen“, sagt Yoav, und es klingt, als hätte er ein Gefängnis verlassen. Er meint aber Israel. Er ist nach Paris gekommen, wo ihm gleich alles gestohlen wird, sodass er nackt bei Nachbarn um Hilfe bitten muss. So trifft er auf Émile und Caroline, er ein schwerreicher Erbe und Schriftsteller, sie Musikerin. Yoav will nicht mehr Hebräisch sprechen, mit einem Wörterbuch geht er durch die Stadt und bringt sich Ausdrücke bei: „beschwören“, „abschwören“. Er findet eine Arbeit als Wachmann bei der israelischen Botschaft, er läuft mit einem Bekannten durch die U-Bahn und sieht zu, wie dieser Michel die Menschen provoziert – als Jude.

„Synonymes“ von Nadav Lapid ist eine Gratwanderung: Es geht mitten durch eine zentrale Unterscheidung heutiger Identitätspolitik, und zwar bewusst in Frankreich, das so viel Wert auf Laizismus und die Universalität seiner Prinzipien legt. Yoav ist eine Kipp­figur: Jude, Mann, Model, und zugleich wäre er gern ein Mann ohne Eigen­schaften. Die Zubereitung seiner täglichen Mahlzeit ist eine von vielen Vignetten, aus denen Nadiv Lapad seinen Film gebaut hat – bei der Berlinale gab es dafür den Goldenen Bären, verdientermaßen, denn der israelische Regisseur („Policeman“, 2011) steht für ein spannendes, geschichtsbewusstes Autorenkino.

In „Synonymes“ sind Echos von Godard bis Bertolucci auszunehmen, nicht zuletzt Emile ist eine großartige Figur, bei der man an den jungen Jean-Pierre Léaud denken könnte (die Karriere des Schauspielers Quentin Dolmaire beginnt erst richtig). Die Hauptrolle des Yoav spielt Tom Mercier, er ist in nahezu jeder ­Szene und prägt den Film sowohl mit physischer Präsenz als auch mit psychologischen Nuancen. Sein Spiel grenzt immer wieder an Performance, oder an bewusst provozierend gesetzte Grenzüberschreitungen (auch durch Unterwerfung, zum Beispiel unter den Willen eines Fotografen, der eine Assistentin aus Palästina hat). Yoavs „Geschichten“ (Rückblenden an der Grenze zur Halluzination) sind vielleicht schon Anzeichen einer Krankheit. Mit dieser Wendung ins Psychische nimmt Nadav Lapid dem Film ein wenig Brisanz: Denn damit wird Yoav selbst so etwas wie ein Symptom, während sein Konflikt doch deutlich ins Prinzipielle weist. Trotzdem ein starker, intellektuell fordernder, erzählerisch immer wieder überraschender Film.

Synonymes F/D/IL 2019, 123 Min., R: Nadav Lapid, D: Tom Mercier, Louise Chevillotte, Quentin Dolmaire, Uri Hayik, Start: 5.9.

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