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Drama

Haifaa al Mansour gibt in „Die ­perfekte Kandidatin“ Einblicke in die Situation ihrer Heimat Saudi-Arabien

In der Politik geht es darum, Vertrauen und Zustimmung zu gewinnen, und in der Regel setzen Politiker dazu eine gewinnende Ausstrahlung ein. Sie lächeln, schauen den Menschen in die Augen und tun so, als wäre sie ein lebendes Versprechen. Die junge Ärztin Maryam (Mila Al Zahrani), die irgendwo in der Provinz in dem Wüstenstaat Saudi-Arabien arbeitet, hat also einen gravierenden Nachteil: Ihr dürfen die Menschen eigentlich nicht in die Augen sehen, denn Frauen müssen sich verhüllen. In ihrem ersten Wahlkampfvideo trägt sie nicht nur den Nikab, also einen Gesichtsschleier, sie verhüllt auch zusätzlich ihre Augen. Denn die Augen sind wie alles andere in einem Gesicht etwas sehr Individuelles, und bei Maryam ist es so, dass sie zwar ein politisches Amt anstrebt, dabei aber am liebsten anonym bliebe.

Neu im Kino in Berlin: Haifaa Al Mansours Drama "Die perfekte Kandidatin"
„Die perfekte Kandidatin“, Foto: Neue Visionen Filmverleih

Mit ihrem Film „Die perfekte Kandidatin“ führt die Regisseurin Haifaa al Mansour mitten hinein in die Paradoxien in einem der konservativsten muslimischen Länder der Welt. Bis vor wenigen Jahren gab es in Saudi-Arabien kein Kino. Haifaa al Mansour war eine Pionierin, als sie 2012 „Das Mädchen Wadjda“ drehte, in dem es um einen vermeintlichen harmlosen Wunsch ging: Wadjda wollte Fahrrad fahren. Inzwischen dürfen Frauen in Saudi-Arabien immerhin ein Auto steuern, ohne dass ein Mann dabei sein muss.

Entrüstete Männer

Als Maryam allerdings nach Dubai fliegen will, um sich für eine bessere Stelle als Ärztin zu empfehlen, hat sie nicht die erforderliche Genehmigung, und ihr Vater ist nicht da. Sie sieht sich als die „perfekte Kandidatin“ für eine Stelle in einem Krankenhaus in der Hauptstadt, wohl auch in der Hoffnung, dass die Patienten dort nicht so konservativ sind wie in ihrem Krankenhaus, wo sich Männer entrüstet abwenden, wenn sie von einer ­Ärztin behandelt werden sollen. Maryam ­erfährt dann eher nebenbei davon, dass ­gerade Wahlen für den Gemeinderat vorbereitet ­werden, und weil sie ein konkretes Anliegen hat (die desolate Straße zu ihrem Krankenhaus soll endlich geteert werden), beschließt sie, selbst zu kandidieren.

Für Haifaa al Mansour bietet diese ­Geschichte ideale Möglichkeiten, von der Situation in Saudi-Arabien zu erzählen. Das Geschlechterverhältnis oder die Rolle der Frauen in der Gesellschaft lassen jeweils deutlich erkennen, in welche Richtung sich das Land bewegt – oder anders gesagt: ob sich der fundamentalistische Klerus durchsetzt oder andere Kräfte, die vielleicht ein bisschen moderner denken.

Die Rolle der Musik in der Kultur ist ein weiteres Indiz. Maryams Vater spielt Oud, das traditionelle Saiteninstrument, und er ist just zu der Zeit auf Tournee, als daheim der Wahlkampf losgeht, und seine Tochter für Skandale, aber auch für starke Auftritte sorgt. Ihre bereits verstorbene Mutter war eine „Hochzeitssängerin“, ein Beruf, den manche Männer mit Sittenlosigkeit assoziieren. Dieses Image hängt auch Maryam an. Und ihr Vater trifft auf der Tournee immer wieder auf Fanatiker, die jegliche Musik aus religiösen Gründen ablehnen. Was sie vom Kino halten würden, kann man sich denken.

Zielgruppe Westen

Die politische Situation in Saudi-Arabien ist derzeit auch deswegen unklar, weil der mächtigste Mann im Land, Kronprinz Mohammed bin Salman, de facto noch dem König Salman, seinem Vater, untersteht. Es deutet aber nichts darauf hin, dass sich an der Struktur einer religiös begründeten Diktatur etwas ändern wird. Haifaa als Mansour nimmt denn auch mit ihren Filmen eine Zwischenstellung ein: Sie dreht zwar in Saudi-Arabien und mit lokalen Darsteller*innen, aber sie arbeitet in den Zusammenhängen des internationalen Kinos. Bei „Die perfekte Kandidatin“, wie schon bei „Das Mädchen Wadjda“, ist die Berliner Firma Razor Films entscheidend beteiligt. Die Produzenten Gerhard Meixner und Roman Paul sind schon länger auf Filme aus dem Nahen und Mittleren Osten spezialisiert, sie waren zum Beispiel auch an dem sehr erfolgreichen Animationsfilm „Waltz with Bashir“ (über den Libanonkrieg 1982) beteiligt.

Damit ist auch klar, dass die Zielgruppe für einen Film wie „Die perfekte Kandidatin“ eher in den westlichen Ländern zu suchen ist, als in Saudi-Arabien selbst. Allerdings gibt es in den modernen Kommunikationssystemen kaum nationale Grenzen, und wenn Haifaa al Mansour ihren Film auch nicht offiziell in ihrem Land zeigen kann, wo es ja auch noch kaum Kinos gibt, so wird er doch sicher zirkulieren. Und Mila Al Zahrani, die Darstellerin der Maryam, wird nicht als Gemeinderätin, aber als Star auch politische Wirkung haben. Auf Instagram folgen ihr 190.000 Menschen, und die sehen eine junge Frau, die sich mit unverhülltem Gesicht und mit offenen Augen präsentiert. Das ist auch eine Form von Macht.

Die ­perfekte Kandidatin D/Saudi-Arabien 2019, 101 Min., R: Haifaa Al Mansour, D: Mila Al Zahrani, Dhay, Khalid Abdulrhim, Shafi Al Harthy, Start: 12.3.

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