Berlin-Serie

Nazi-Intrigen, Sündenpfuhl und Dekadenz: So ist Staffel 3 von Babylon Berlin

Das Erste zeigt die dritte Staffel von „Babylon Berlin“. Die große deutsche Serienproduktion um Kommissar Gereon Rath und die Mordkommission am Alexanderplatz steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die dritte Season muss den Ansprüchen gerecht werden, die in den ersten Staffeln geweckt wurden. Hier lest ihr, ob das gelingt.

Gereon Rath (Volker Bruch) muss in Staffel 3 von "Babylon Berlin" Licht in dunkle Zeiten bringen. Foto: ARD Degeto
Gereon Rath (Volker Bruch) muss in Staffel 3 von „Babylon Berlin“ Licht in dunkle Zeiten bringen. Foto: ARD Degeto

Erfolg ist ein Segen, hinter dem sich gern einmal ein paar Haken verbergen. Die Serie „Babylon Berlin“ ist 2017 mit rauschendem Erfolg gestartet, und auch die dritte Staffel kam bei der Erstausstrahlung im Bezahlfernsehen Anfang 2020 gut an. Allerdings werden auch zunehmend mögliche Bruchstellen in der künftigen Konzeption erkennbar.

„Babylon Berlin“ war immer schon ein dramaturgisches Risiko

Denn die drei Serienmacher Achim von Borries, Henk Handloegten und Tom Tykwer sind ja von Beginn an dramaturgisch ins Risiko gegangen. Sie nahmen die Kriminalromane von Volker Kutscher als Ausgangspunkt, wollten aber deutlich grundsätzlicher von diesem historischen Kipppunkt erzählen, den die letzten Jahre der Weimarer Republik bedeuteten. In der dritten Staffel ist diese erzählerische Parallelaktion noch einmal stärker ausgeprägt.

Einerseits wird Kutschers zweiter Fall „Der stumme Tod“, in dem es um einen Mord in der Filmbranche geht, aufgegriffen. Das gibt auch ausführlich Gelegenheit, die zunehmend weiter verzweigte Abteilung der Kriminalpolizei unter Ernst „Buddha“ Gennat zu einem eigenen Schwerpunkt weiterzuentwickeln.

Der Polizeifotograf Reinhold Gräf zum Beispiel wird immer wichtiger, auf einer Geburtstagsfeier für ihn gelingt in der dritten Staffel eines der schönsten Ensemblestücke.

Eine große rechtsradikale Intrige: „Babylon Berlin“ und der tiefe Staat

Andererseits zeigen sich die drei Regisseure und Autoren aber eben auch als ambitionierte Historiker. Sie holen viel von dem, was Kutscher eher indirekt, nebenbei und als latente Gefahr erzählt, nach vorn, und haben aus den ersten beiden Staffeln ja auch schon eine große, langfristige, rechtsradikale Intrige am Laufen, deren Früchte sie nun zunehmend ernten.

Babylon Berlin Staffel 3: Perversion als Schauwert oder Sündenpfuhl als erzählerischer Trumpf? Foto: ARD Degeto
Perversion als Schauwert oder Sündenpfuhl als erzählerischer Trumpf? Foto: ARD Degeto

Dabei schaffen sie es, ohne hier etwas Konkretes verraten zu müssen, den Spannungspunkt vom Ende der zweiten Staffel geschickt zu einem fast schon „filmreifen“ Moment am Ende der dritten Staffel weiterzuführen – bevor noch so richtig überhaupt von Nazis zu sprechen ist, zeigt sich hier ein gefährlicher „tiefer Staat“ von seiner abscheulichsten Seite.

Von Beginn an war die Aufwertung von Charlotte Ritter zu einer gleichwertigen zweiten Hauptfigur neben Kommissar Gereon Rath mehr als nur eine Frage der Balance zwischen den Geschlechtern. Charlotte dient den Autoren als ein Schlüssel in Welten, die der bürgerliche Rath nicht so leicht erreichen würde.

Ein spannender Aspekt der dritten Staffel ist zum Beispiel, dass sich Charlottes jüngere Schwester zunehmend auch als eigenständige Figur zeigt – mit einer Nebenhandlung, die einerseits ein bisschen die Elenden aus der Berliner Gosse ins Bild bringt, die aber auch in die Geheimnisse der Sexualität führt.

Sexualität ist der Schlüssel zu allem

Und damit ist in „Babylon Berlin“ eben nie einfach nur gemeint, dass eine junge Frau etwas erlebt, dass sie verführt wird oder für Geld mit jemandem ins Bett geht.

Sexualität ist einer der Schlüssel zu allem, deswegen legen Borries, Handloegten und Tykwer auch großen Wert darauf, alle erdenklichen Lüste zu zeigen – und sie gehen dabei manchmal auch ein wenig zu weit, da werden dann die Perversionen zu Schauwerten, zu einer bloßen Show der Dekadenz.

Das Babylonische ist zugleich Trumpf und Handicap

Das hat aber wohl mit der großen Verführung zu tun, die der ganze Stoff nun einmal ausübt: „Babylon Berlin“ steht ja vielfach unter Druck, weil es so eine Produktion noch nie gab, und die Serie hat diesem Druck bisher auch gut standgehalten.

Sie hat sich aber mit ihrem Titel selbst unter Druck gesetzt: das Babylonische (im Sinn von Sündenpfuhl) ist zugleich Trumpf und Handicap, denn wenn es zu sehr betont wird, droht sich die Serie ins Mythologische zu verlieren. Vorläufig aber kann man getrost sagen: Staffel 3 hat alles zu bieten, was einen in jeder dieser Hinsichten gespannt auf Fortsetzungen zurücklässt.                                  

Babylon Berlin Staffel 3 ab 9. Oktober in der ARD Mediathek (drei Folgen vorab, danach parallel zur linearen Ausstrahlung; auch Staffel 1 und 2 stehen wieder bereit); Sendetermine der 12 Episoden in Doppelfolgen: 11., 14., 15., 21. und 22. Oktober, ARD, jeweils um 20.15 Uhr


Mehr zu Babylon Berlin

„Stadt am Abgrund“: Hier ist unser Artikel zum Start von Babylon Berlin 2017. Mit den Machern von „Babylon Berlin“ sprachen wir zum Start der dritten Staffel über Freiheit, Dekadenz – und Alexander Dobrindt. Und die Vorlage? Die stammt von Volker Kutscher, dessen Buch „Moabit“ von Kat Menschik kongenial illustriert wurde. Wie wird die Stadt erzählt? Mehr zu Serien in und über Berlin lest ihr hier. Vor 100 Jahren brannte die Luft: Unser Abgesang auf die 1920er-Jahre, das wildeste Jahrzehnt von allen.

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