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Cancel Culture Club

„(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ ist rassistisch, frauenfeindlich, homophob

Man sollte eine Crew in die Vergangenheit schicken, um zu verhindern, dass dieser schreckliche, gehässige Klamaukfetzen je gedreht wird. Rassismus, Frauendfeindlichkeit, Homophobie – da trifft echt die größte Scheiße zusammen. Kann bitte jemand diese Filme im Schwarzen Loch versenken?

Wobei: Das Kinopublikum indes sah das damals etwas anders: „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ ist mit mehr als neun Millionen Zuschauer*innen der zweiterfolgreichste deutsche Kinofilm, seitdem die Statistik 1968 eingeführt wurde – nach „Der Schuh des Manitu“ (ebenfalls von Bully Herbig) und vor „Otto – der Film“.

Der Artikel ist Teil der Reihe „Cancel Culture Club“, in der wir uns Filmen aus der Vergangenheit widmen – und diese aus heutiger Perspektive neu verhandeln.

Artwork des kunstlosen Films „(T)Raumschiff Surprise“. Foto: Imago

„(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“: Schwule am Arsch der Welt

Gerade startet auf Netflix die dritte Staffel von „Star Trek: Discovery“. Zu dem schwulen Paar im Cast kommen nun auch noch eine nicht-binäre und eine trans*Figur – nachdem „Star Trek“ Queerness viele Jahrzehnte fast komplett ausgeblendet hatte. Zeit für ein zünftiges Re-Watch der Star-Trek-Parodie „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ von 2004: Da tauchten ja auch schon schwule Figuren auf. War die Parodie letztlich progressiver als „Star Trek“ selbst?

„Wie kann man nur so weit vom Kurs abkommen?“, mokiert man sich im galaktischen Rat, während ein Sarotti-Mohr (sic!) penetrant staubwedelt, über die Crew des (T)Raumschiff Surprise. „Die sind ja am Arsch der Welt!“ – „Wundert Sie das?“ Nein, natürlich wundert das niemand in „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ von Regisseur Michael Bully Herbig aus dem Jahr 2004.

Denn das „Konzept“ des Films besteht zwar nebenbei auch darin, drei Dutzend anderer Sci-Fi-Produktionen durch den Kakao zu ziehen (oder eher: mit Kakaopulver zu bestäuben), aber vor allem besteht es darin, in jeder Minute mindestens einen „Witz“ darüber zu reißen, wie analfixiert und lächerlich sie doch sind, die Schwulen.

Wir sind übrigens nicht die Einzigen und auch nicht die Ersten, denen die Homophobie hier unangenehm aufstößt: Erst kürzlich hat der geschätzte Kollege Linus Volkmann seine Musikexpress-Kolumne geschrieben zum Thema „10 Dinge, die ich beim Rewatch von „(T)Raumschiff Surprise“ gelernt habe.“ Ding No. 5: „Schwule Identität erschöpft sich ausschließlich in Sexualität. So ist es völlig logisch, dass die Hauptfiguren des Films in einem penisförmigen Raumschiff reisen. Zu reisen ist für Gays anders einfach gar nicht denkbar!“ So sieht’s nämlich aus.

Hypertuntige Beckenbodengymnastik in „(T)Raumschiff Surprise“. Foto: Imago Images/Prod.DB

So freut man sich natürlich, bei allem „Nasebohren und Eierschaukeln“, während man in „Mopsgeschwindigkeit“ durchs All gurkt, vor allem aufs Fiebermessen, zumal das Fieberthermometer Vibrationsalarm hat. Man nennt sich gegenseitig „blöde Kuh“ und „Mischlingsrüde“. Weitere Persönlichkeitsmerkmale außer Arschgeilheit und allgemeiner Inkompetenz? Fehlanzeige. Wo sonst sollten sich also die Schwuchtel-Astronauten rumtummeln, wenn nicht am Arsch der Welt? Ist doch klar.

Für Affen zu gefährlich, für Schwule okay

Der Plot, wenn man überhaupt so sagen kann, von „(T)Raumschiff Surprise“ besteht im Wesentlichen darin, dass Captain Kork (der sich „Captain Cock“ ausspricht) und Mr. Spuck eine Zeitreise unternehmen sollen, um die Zukunft zu retten – indem sie in die Vergangenheit zurückreisen, um zu verhindern, dass der Mars je besiedelt wird, von dem aus in der Zukunft eine gigantische Gefahr für die Galaxis ausgehen würde.

Dass ausgerechnet die Crew der Surprise diese Mission anvertraut wird, hat allerdings nichts mit ihrer Kompetenz, geschweige denn Heldenhaftigkeit zu tun, nein: Die Zeitreise-Maschine ist dermaßen unsicher, „bei Affen macht der Tierschutz nicht mit“. Für Affen zu gefährlich, aber bei den unteraffigen Schwulen scheint das Risiko vertretbar. Spoiler: Schlimmer geht immer.

Schön blasen: Mr. Spuck und Captain Kork in „(T)Raumschiff Surprise“. Foto: Imago Images/Prod.DB

Offensichtlich versucht sich „(T)Raumschiff Surprise“, basierend auf „Unser (T)Raumschiff“ aus Bully Herbigs TV –Sendung „Bullyparade“ (1997-2002), an einer Parodie der legendären Sci-Fi-Serie „Star Trek“. Wenn man „(T)Raumschiff“ auf eine verblendete Weise wohlgesonnen wäre, könnte man sagen: Endlich bekommen Kirk/Kork und Spock/Spuck hier ihre Romanze, von der schwule Fans in den 1960ern nur träumen konnten.

Fan Fiction diesbezüglich gab es ja damals schon, aber die Macher haben sich seinerzeit nicht getraut, was Schwules zu zeigen. Wiewohl die Chemistry vom Frauenheld Kirk und Stoiker Spock schon knisterte. Eine solche Lesart wäre allerdings ziemlicher Bull(y)shit, denn die Surprise-Crew besteht ja nicht aus Figuren, sondern bloß aus Lachvorlagen. Es wird nicht mit ihnen gelacht, sondern nur über sie. Da es 2004 im Fernsehen und Kino kaum positive Darstellungen von queeren Charakteren gab, war das sogar noch verwerflicher, menschenverachtender.

Schwarze spielen in „(T)Raumschiff Surprise – Periode 1“ zum Beispiel die Oralsex-Sekretärin

Dass sich „(T)Raumschiff“ auch nur irgendwie klug an „Star Trek“ abarbeiten würde, ist Humbug. Bürgerrechtler Martin Luther King war Fan von „Star Trek“, gerade weil hier eine Woman of Color, Lieutenant Uhura, erstmals im US-amerikanischen Fernsehen eine ernstzunehmende Rolle bekam, als gleichwertiges Mitglied einer vielfarbenen Crew – und Kommunikations-Chefin des Raumschiffs Enterprise.

Das „(T)Raumschiff“-Pendant zu Uhura heißt Bora Bora. Sie wird als blowjobgeiles Luder in Szene gesetzt, das mit ihrer lüsternen Zunge Oralsex feilbietet: „Soll ich sie eindringen lassen, Captain?“ Tenor des Films: Eine Woman of Color taugt allenfalls zur Oralsex-Sekretärin. Schwarze Menschen, wie zu Beginn des Films schon der Sarotti-Mohr, sind hier minderbemittelte Gestalten. „(T)Raumschiff“ ist rassistisch, frauenfeindlich und in jeder Hinsicht homophob.

Til Schweiger und die drei schwulen Astronauten in „(T)Raumschiff Surprise“. Foto: Imago Images/Prod.DB

Und von Til Schweiger haben wir noch nicht einmal gesprochen. Oh wei. Der spielt einen Macho-Taxifahrer namens Rock (Ist damit der zeitlebens nicht geoutete schwule Schauspieler Rock Hudson gemeint?). Kork und Spuck finden die Rauchringe von Rock sehr heiß. „Wer will hinten rein?“, fragt Schweiger. Alle natürlich. Hinten rein, hihihihi.

Im Weltraum-Taxi darf die Surprise-Crew dann einen Stefan-Raab-Song zum Schlechten geben: „Hei-hei-heiti-dei / Space Taxi to the Sky“. Heiti-dei, wie Schwule halt reden, nicht wahr? Für Schweigers Figur haben sich die übertrieben affektiert sprechenden Schwulen dann auch ihrer Männlichkeit disqualifiziert: Sie sind für Rock keine Männer mehr. Sondern Mädels und Ladys: „Ok, Ladys, Sie haben jetzt die Möglichkeit zollfreie Waren einzukaufen.“ Und: „Ok, Mädels, die Party ist vorbei.“ Wäre sie doch einfach schon vorbei, bevor sie angefangen hätte!


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