Zwist um Tweets: „Zwischen den Zeilen“ steht irgendwo die Zukunft des Buches
Bei all den Themen seiner Spiel-, Dokumentar-, und Fernsehfilme bewegt den französischen Regisseur Olivier Assayas ein Motiv: das Verschwinden des Vertrauten und der Aufbruch in eine ungewisse Zukunft. Assayas’ jüngster Film „Zwischen den Zeilen“ spielt im Verlagsmilieu, wo niemand eine rechte Idee hat, wie man auf die Digitalisierung reagieren soll. Im Zweifelsfall erst mal eine junge Frau einstellen, als Spezialistin für die Digitalstrategie. Aber was lesen die Leute überhaupt noch? Soll man statt hochgeistiger Literatur jetzt lieber gesammelte Tweets verlegen? Wie steht’s mit E-Books, Hörbüchern und Print-on-demand? Und ist das Internet nun der Gipfel der Demokratisierung der Gesellschaft oder lediglich eine gewaltige Ansammlung von unqualifizierten Kommentaren hirnverbrannter Selbstdarsteller?
Die jungen Leute haben in Assayas’ Film darauf eine klare Antwort: Die Digitalisierung ist die Zukunft der Arbeitswelt, und wenn man sie nicht selbst mitgestaltet, wird sie über einen hinweg rollen. Doch die Hauptfiguren, die Intellektuellen jenseits von Mitte 40, sind unsicher, Verlagsleiter Alain (Guillaume Canet) ebenso wie der leicht verpeilte Autor Léonard (Vincent Macaigne). Die Perspektiven mögen unterschiedlich sein, die Ungewissheit ist ihnen gemeinsam.
Assayas kleidet die umfassende Digitaldiskussion in eine Dialogkomödie um zwei Paare und ihre erotischen Verwicklungen. Die Figuren sind gut getroffen, der Ton ist leicht, das Thema ernst. Und das letzte Wort ist noch immer nicht gesprochen.
Zwischen den Zeilen F 2018, 108 Min., R: Olivier Assayas, D: Guillaume Canet, Vincent Macaigne, Juliette Binoche, Christa Théret, Start: 6.6.