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Das Boiler Room Festival holt das Who is Who der Clubkultur nach Spandau

Seit 2010 bringt Boiler Room DJ-Sets und Livemusik aus dem Untergrund ins Internet – und mittlerweile auch auf die große Bühne. Das Festival, das vom 16. bis 18. November in der Belgienhalle in Spandau stattfindet, wird die bisher größte Veranstaltung von Boiler Room in Berlin sein.

Feiernde Gäste beim Boiler Room Festival in Amsterdam. Dieses Wochenende findet die erste Berliner Ausgabe statt. Foto: Boiler Room/Stef van Oosterhout

Boiler Room Festival: Amsterdam, London, New York, Spandau

Im November wagen sich Menschen aus ganz Berlin an einen Ort, der vorher auf keiner Club-Karte verzeichnet war. Ihr Ziel: die Belgienhalle mitten im Gewerbegebiet auf der Insel Gartenfeld. Dort im Randbezirk Spandau, der abgesehen vom Open-Air-Club H13 und dem Techno-Kollektiv Spandau20 selten Aufmerksamkeit im Berliner Nachtleben erregt, findet die erste Berliner Ausgabe des Boiler Room Festivals statt. Die imposante Industriehalle wurde bisher kaum für größere Veranstaltungen genutzt, eignet sich mit ihrer imposanten Eisenkonstruktion und großflächigen Glasfenstern jedoch perfekt, um das Festival stilecht als „Warehouse Rave“ zu bewerben.

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Wer kein Ticket für die dreitägige Spektakel hat, wird sich die Sets natürlich immer noch genau dort anschauen können, wo alles begonnen hat: zu Hause im Internet. Boiler Room startete als Underground-Projekt in den frühen 2010er Jahren. Die ersten Sessions wurden live übertragen, aufgenommen von einer Webcam, die mit Klebeband an der Wand eines stillgelegten Heizungskellers in Dalston, einem Stadtteil im Osten Londons, befestigt wurde. Schon damals war die Kamera stets auf die Künstler:innen gerichtet, das feiernde Publikum blieb eher im Hintergrund. Es fühlte sich so an, als könnte man bei den Raves der Londoner Underground-Szene durchs Schlüsselloch schauen: Egal, ob man selbst gerade in Südafrika, New York oder Tokyo saß. Wer keinen Zugang zur Clubkultur hatte, geografisch oder finanziell, sollte sie trotzdem miterleben dürfen.

Vom Londoner Underground in das Gewerbegebiet

Aus den wöchentlichen Sessions wurde schnell ein erfolgreiches Format. Allein im ersten Jahr bespielten aufstrebende Acts die Decks vor der Webcam, die sich heute lesen wie das „Who is Who“ der britischen elektronischen Musikszene: Mount Kimbie, James Blake, Jamie xx. Die ersten internationalen Shows folgten, und schnell expandierte Boiler Room nach Berlin und in die USA. Beschränkte sich das Line-up am Anfang noch größtenteils auf elektronische Musik, ist die Bandbereite an Genres mittlerweile enorm gewachsen: Neben Hip-Hop, Jazz und experimentelleren Sounds findet inzwischen auch klassische Musik immer häufiger ihren Weg in den Heizungskeller.

Heute zählt Boiler Room auf YouTube mehr als 3,6 Millionen Abonnent:innen. Eine Plattform, die anfangs dazu diente, die Clubkultur digital zu dokumentieren, ist heute eine international erfolgreiche Marke geworden, zu deren Live-Veranstaltungen tausende Besucher:innen ausschwärmen. So gab es in den vergangenen Jahren Boiler Room Festivals in Amsterdam, London, New York und Barcelona – und nun eben zum ersten Mal auch in Berlin.

Die Belgienhalle im Gewerbegebiet auf der Insel Gartenfeld in Berlin-Spandau. Bis 2002 produzierte Siemens hier Kabel für Strom-, Nachrichten- und Hochfrequenzübertragungen. Danach diente das Gebäude als Lager und kurzzeitig als Location für die Modemesse Bread & Butter. Mittlerweile steht die Halle unter Denkmalschutz. Foto: UTB Projektmanagement GmbH.

Warum hat es so lange gedauert, bis Boiler Room auch hier seine Festivalbühnen aufbaut – war doch Berlin einer der ersten Orte außerhalb Großbritanniens, der von der Marke erschlossen wurde? Fest steht: Die Premiere wird mit einem Knall gefeiert, das unterstreicht auch das Line-up der Berliner Ausgabe des Festivals. Boiler Room verzichtet bewusst darauf, Headliner in den Fokus zu rücken. Stattdessen stehen Künstler:innen und Kollektive auf Augenhöhe nebeneinander, aus Berlin, Deutschland und darüber hinaus.

Afrobeat-Künstler Obongjayar live beim Glastonbury Festival. Am 16. November 2023 tritt er beim Boiler Room Festival in der Belgienhalle in Spandau auf. Foto: Imago/Dawn Fletcher-Park/ZUMA Wire

Internationale Stars und lokale Acts beim Boiler Room Festival

So findet man im Line-up zum Beispiel Meg10, die in ihren Sets Genres von Hip-Hop und Dancehall bis hin zu House und R’n’B vereint. Mit ihrer Femme-fokussierten Clubnacht Hoe_mies ist Gizem Adiyaman aka Meg10s aus der weiblichen und queeren Szene der Hauptstadt mittlerweile nicht mehr wegzudenken und steht dafür, sich in männerdominierten Genres Räume zu verschaffen. Samstagnacht hostet auch Refuge Worldwide eine eigene Stage: Das Projekt, das 2015 als Soli-Partyreihe für Geflüchtetenorganisationen in Berlin begann, etablierte sich während der Corona-Pandemie zum weltweit gestreamten Community-Radio und bringt seinen Sound im November aus der Neuköllner Weserstraße ins Spandauer Industriegebiet.

So geht trotz internationaler Millionenreichweite und auffälligem Sponsoring die Aufmerksamkeit für die lokale Szene nicht verloren. Nebenbei werden natürlich trotzdem noch einige internationale Größen aus dem Ärmel geschüttelt, etwa der britische Produzent und Songwriter Mura Masa. Angekündigt sind Live-Shows der amerikanischen R&B-Sängerin Ravyn Lenae und des nigerianischen Künstlers Obongjayar, dessen Musik sich zwischen Soul, Afrobeats, elektronischem Sound, Rap und Spoken Word bewegt. Richtig was los, hier im Gewerbegebiet.

  • Boiler Room Festival Berlin mit Mura Masa, Meg10, Obongjayar, Bashkka, Hudson Mohawke u.a.; Belgienhalle, Gartenfelder Str. 14–28, Spandau, 16.–18.11., Tickets ab 28 €, weitere Infos und Tickets hier

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