Nachruf

Leb wohl, Bob Rutman. Zum Tod des legendären Berliner Musikers

Bob Rutman war vermutlich der dienstälteste Musiker der Stadt, noch kurz vor dem Ausbruch der Pandemie stand der 1931 in Berlin geborene Avantgardist mit seinem Steel Cello auf der Bühne. Er gilt als Pionier der Multimedia-Performance, erfand und baute seine eigenen Instrumente, komponierte, fertigte Skulpturen an und zeichnete. In Berlin, wo er seit 1990 wieder lebte, war er allgegenwärtig. Jetzt ist Bob Rutman im Alter von 90 Jahren gestorben.

Bob Rutman im Roten Salon, 2011. Foto: Imago/Pop-Eye/Gabsch
Bob Rutman im Roten Salon, 2011. Foto: Imago/Pop-Eye/Gabsch

Eigentlich fragte man sich immer wieder, wie es sein kann, dass Bob Rutman immer noch da ist. Er bediente seine bizarren, selbst gefertigten Instrumente und entlockte ihnen atonale Töne von spröder Schönheit. Mit seiner Schiebermütze und dem faltigen Gesicht eines weltgewandten Bohemien sah man ihn in der Stadt herumlaufen. Vor allem in Mitte, wo er lebte. Er tauchte in Galerien und bei Performances auf und stand sowohl auf den wichtigsten wie den schrägsten Bühnen, die diese Stadt zu bieten hat.

Bob Rutman verkörperte Berlin wie kaum ein anderer

Als Komponist, Musiker, bildender Künstler, Mentor und Inspirationsquelle tauschte er sich immerfort mit der Künstlerszene, Musikern und Regisseuren aus. Mit dem Choreografen Merce Cunningham, der Musik-Theater-Legende Heiner Goebbels, Wim Wenders, aber auch dem Berliner Maler Martin Eder. Er war älter als die meisten seiner Mitstreiter, einst galt er neben Coco Schumann als ältester noch aktiver Musiker in Berlin. Da der Swing-Gitarrist Schumann bereits 2018 verstorben ist, blieb der Titel Rutman allein.

Bis jetzt. Der Tod Bob Rutmans wird einen Riss hinterlassen, seit 30 Jahren prägte er diese Stadt. Er war vielleicht nicht berühmt, aber bekannt und er verkörperte Berlin wie kaum ein anderer.

Das „Steel Cello“ war sein Markenzeichen

1931 als Sohn einer jüdischen Mutter in Berlin geboren, verbrachte er die Kindheit im Schatten des Hakenkreuzes. 1938 emigrierte die Familie. Über Polen gelangten sie nach England und nach dem Krieg in die USA. Rutman studierte Kunst in New York und Mexico-Stadt, gründete eine Galerie in Maine und begann 1968, an ersten Stahlskulpturen zu arbeiten. Skulpturen, die bespielt werden konnten. Seitdem existiert der von ihm geprägte Begriff des „Steel Cello“, seinem Markenzeichen.

Bob Rutman beim Berlin Atonal, 2017

Er gründete das U.S. Steel Cello Ensemble, mit dem er international auf Tour ging. Ein amerikanischer Reporter bezeichnete die Klänge der Gruppe als „keine Musik“, eher als klangliche Entsprechung eines Gemäldes des abstrakten Expressionisten Jackson Pollock.

Bob Rutman galt als Alterspräsident der Avantgarde-Szene

Rutman interessierte sich für tibetanische Musik, meditierte und erlernte die traditionellen Gesänge der Mönche, auch brachte er andere Instrumente, etwa Hörner, Tabla oder das Didgeridoo mit seinen Steel Cellos zusammen. 1990 entschied er sich für die Rückkehr nach Berlin, in seine Stadt, aber auch die der Einstürzenden Neubauten.

Er wurde mit offenen Armen empfangen und galt seitdem als eine Art Alterspräsident der hiesigen Avantgarde-Szene. Rutman wohnte in Mitte und blieb dort bis zum Schluss, trotz Gentrifizierung und Touristen. In einem Interview mit der „B.Z.“ wurde er gar als inoffizieller Bürgermeister von Mitte bezeichnet. Nun ist Bob Rutman von allen Ämtern zurückgetreten, der Klang seiner Steel Cellos wird aber noch lange zu hören sein. Bob ist am 1. Juni 2021 um 9.02 Uhr gegangen. Er ist friedlich eingeschlafen.


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