Fancy Zwischenlager: Die marokkanische Videokünstlerin Meriem Bennani blickt in die Zukunft, Migration findet per Teleportation statt. Was sich nicht ändert: Einwanderung wird vor allem behindert, doch im CAPS-Migrantenlager ist Party
In den Debatten um Migration und Sicherheit in Europa gab es schon einige merkwürdige Wortschöpfungen. Zum Beispiel die Ausschiffungsplattformen. Das sind Orte, von denen bisher kein Politiker genau sagen wollte, wo sie hingehören und wie sie beschaffen sein sollten. Die marokkanische Videokünstlerin Meriem Bennani deutet mit einer großen Installation in der Julia Stoschek Collection nun an, wie solche Plattformen in der Zukunft aussehen könnten: „Party on the CAPS“ erzählt von einem Ort mitten im Atlantik, der wie eine „Kapsel“ (caps/capsule) funktioniert. Dort werden Menschen festgehalten, die eigentlich aus Europa oder Afrika nach Nordamerika wollten, wobei Bennani bei ihrem Science-Fiction-Szenario davon ausgeht, dass Menschen sich künftig per Teleportation bewegen werden. Sie flutschen also im Nullkommanichts von einem Ort zum anderen, einige werden aber abgefangen und landen in der CAPS.
Anspielungen auf die Einwanderungsregeln, mit denen Donald Trump zu Beginn seiner Amtszeit einige Länder mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung belegte, sind deutlich. Bennani nimmt allerdings auch das Wort Party im Titel ihrer Arbeit ernst: „Party on the CAPS“ ist so etwas wie eine Party der installativen Möglichkeiten. Auf acht großen Screens kommen alle möglichen Genres zur Geltung: (Fake-)dokumentarische Szenen aus verschiedenen Weltgegenden heben vor allem auf Kulturen der Persönlichkeitsveränderung ab, bis zur künstlichen Verjüngung. Bennani feiert aber nicht nur hybride Identitäten, mit denen man sich den Identifizierungsregimes entziehen kann. Sie macht auch die Form der Installation selbst zu einem Ort, an dem territoriale Bestimmungen aufgehoben sind: „Party on the CAPS“ ist eine Raumzeitkapsel, mit der man in eine fröhlich-dystopische Zukunft reisen kann, hinter der aber die harte geopolitische Gegenwart jederzeit erkennbar bleibt.
Es lohnt sich, danach noch in den ersten Stock des Gebäudes zu gehen, denn dort gibt es zwei weitere Videokunst-Positionen mit deutlich anderem Zuschnitt. Die schon berühmte Arbeit „Hors-champs“ (1992) von Stan Douglas macht in Form einer Zweikanal-Projektion die mediale Inszenierung von Jazz zum Thema: Von der Aufnahme eines Standards des Free-Jazz-Pioniers Albert Ayler durch zwei Kameras zeigt Douglas sowohl das verwendete wie das im Schnitt aufgegebene Material. Zusammen mit zwei weiteren Arbeiten bildet „Stan Douglas: Splicing Block“ eine präzise kleine Einzelausstellung des aus guten Gründen längst zu den modernen Klassikern zählenden Afroamerikaners.
Eher unter technischen als künstlerischen Aspekten ist schließlich auch noch eine Virtual-Reality-Arbeit von Nathalie Djurberg und Hans Berg interessant: Für „It Will End in Stars“ muss man eine Datenbrille aufsetzen und befindet sich dann gleichsam im Inneren von Djurbergs Kunst, gibt einer ihrer (animierten) Skulpturen eine Zigarette und löst schließlich einen Urknall aus. Man ahnt die künftigen Möglichkeiten dieser Technologie, kommt aber über den Eindruck eines holprigen Spezialeffekts nicht hinaus.
Julia Stoschek Collection Leipziger Str. 60/Eingang Jerusalemer Str., Mitte, Sa+So 12–18 Uhr, Stan Douglas bis 1.3., Djurberg/Berg bis 26.4., Meriem Bennani bis 3.5.