Kunst

Berliner Kunststiftung LAS Art Foundation: Ab in die Zukunft

Wenn Autos fühlen können und Algorithmen wissen, welche Blütenpollen Berlin benötigt: Die LAS Stiftung in Berlin fördert Kunst, die auf ein digitales Morgen spekuliert. Damit setzt sie ein Fundament auf einer bisherigen Brache der Berliner Kunstlandschaft.

Verhaltensauffällige Fahrzeuge werden im Trainingscenter NOX wieder auf Spur gebracht. In Auftrag gegeben LAS Art Foundation (2023). © Lawrence Lek

LAS Art Foundation steht für ambitionierte Kunstprojekte

Diese Kunst braucht Platz: ein ganzes Kaufhaus mit drei Stockwerken. Der Multimedia-Künstler Lawrence Lek zeigt seine Vision einer von Künstlichen Intelligenzen gesteuerten und bevölkerten Smart City. Und die spielt sich zwischen Bahnhof Zoo und Kurfürstendamm ab, im ehemaligen Bilka-Warenhaus an der Joachimsthaler Straße. Hier gehört die Gegenwart nun nicht mehr analogem Shopping, sondern Leks fiktivem Unternehmen Farsight Corporation. Das betreibt hier ein Rehabilitationscenter für autonom fahrende, empfindungsfähige Autos, die Probleme bereiten.

Mit einer Art Audioguide samt Bewegungssensor ausgestattet, schlendern Besucher:innen zwischen schwarzen, teils auseinandergebauten Limousinen umher, sitzen in einem Warteraum und interagieren an Gaming-Stationen mit den eigenwilligen Autos. Je nach Aufenthaltsort erzählt das Unfallfahrzeug von Ängsten und Sehnsüchten, oder Unternehmensangestellte preisen hochentwickelte KI-Gefährte an und versprechen schnelle Problemlösungen.

Auch wenn Erzählungen über das vermenschlichte Innenleben von Künstlichen Intelligenzen und Ausbruchs-Sehnsüchte in allmächtigen Kontrollsysteme nicht neu sind, und auch wenn zeitgenössische digitale Kunst kühnere Ästhetiken kennt, hat der in London lebende Lek eine beeindruckende Verbindung von Technik und Raum, Erzählung und Interaktion, Sound und Gaming geschaffen. Es sei eine neue Art Installationskunst, heißt es im Kunstmagazin „Monopol“, von einer Kategorie Ausstellung spricht „Der Tagesspiegel“. Die Superlative dürften den Ambitionen der Berliner LAS Art Foundation entsprechen, die Leks Werk in Auftrag gegeben hat.

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„Wir bauen ganze Welten auf, die man erfahren kann, egal, wie viel man weiß“, sagt Direktorin Bettina Kames im Büro von LAS unweit des Alexanderplatzes. Die gemeinnützige Stiftung nennt in ihrem Programm „innovative Formen der Ausstellungspraxis“ und verortet sich an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Wissenschaft. Seit 2019 präsentiert sie, zunächst noch als „Light Art Space“, an unterschiedlichen Orten immersive Medienkunst, auch Gastspiele internationaler Top-Künstler:innen wie der Choreografin Sharon Eyal.

Doch in diesem Jahr hat sich die LAS Art Foundation nicht nur ein Re-Branding verpasst, sondern sich mit drei Vorhaben als prägender Akteur in der Berliner Kunstlandschaft positioniert: mit einem Langzeit-KI-Gartenprojekt am Museum für Naturkunde, dem KI-Flöten-Spektakel von Marianna Simnett im Theater HAU zur Art Week und mit Leks „NOX“.

Kunst ermöglicht Zugänge zu komplexen Themen

Die Stiftung wolle unterschiedliche Zielgruppen ansprechen und aufstrebende Künstler:innen bei neuen Projekten unterstützen, so Kames. Die promovierte Kunsthistorikerin arbeitete in New York, dann in München, wo sie den Kunstmäzen Jan Fischer traf, einen Unternehmer aus der Logistikbranche. Gemeinsam riefen sie die Stiftung ins Leben. Fischer ist Geldgeber, halte sich eher im Hintergrund, sei aber wegweisend in das  „big picture“ involviert, wie Kames es nennt.

Thema der Stiftung ist eine Zukunft, die niemand kennt und in die Künstler:innen wunderbar hineinspekulieren können. Was jetzt schon da ist, wird dort weiter wachsen: Künstliche Intelligenz, Quantencomputing und Nachhaltigkeitsfragen, neue Möglichkeiten, aber auch Zwänge. „Eine Kunstausstellung kann Türen öffnen, was ich für wichtig halte, um in bestimmte Szenarien einzutauchen – das ist manchmal zugänglicher als ein Vortrag oder Text,“ sagt Kames.

Mittlerweile ist digitale Kunst in Ausstellungshäusern wie dem Gropius Bau und dem KW Institute Teil des Programms, in einzelnen Galerien und Projekträumen ebenfalls, und mit dem jährlichen Transmediale-Festival hat Berlin die Avantgarde der Digitalkunst zu Gast. LAS füllt die Leerstelle einer auf digitale Kunst spezialisierten, permanenten und ressourcenstarken Institution.

„Pollinator Pathmaker“ von Alexandra Daisy Ginsberg vor dem Naturkundemuseum im Oktober. Foto: Claudia Wahjudi

LAS Art Foundation: Projekte vereinen Kunst, Technologie und Wissenschaft

Den komplexen Auftragsarbeiten geht eine lange Entwicklungsphase voraus. Zwei bis drei Jahre arbeiten sie mit Künstler:innen zusammen, vernetzen sie mit Expert:innen aus Wissenschaft und Technik, bevor das Ergebnis gezeigt wird. „Das ist weltweit ein besonderer Ansatz“, sagt Kames. Im Anschluss touren die Projekte um die Welt.

Carly Whitefield ist seit 2023 Senior Kuratorin bei der Stiftung und verantwortet die aktuelle Ausstellung. Zuvor arbeitete sie am Museum Tate Modern in London. „Es bietet sich selten die Chance, so viel Raum für die Recherche zu bekommen, die die Entwicklung der Projekte maßgeblich prägt.“  Whitefield spricht mit Begeisterung von World Building, von dezentral digital organisierten, autonomen Organisationen (DAOs) und emotionalen Computerspielen. Dabei betont sie, dass es darum geht, wie Technologien Künstler:innen ermöglichen, vielfältige Zukunftsvisionen aus verschiedenen Perspektiven zu gestalten.

Ein anschauliches und eindrückliches Beispiel dafür ist „Pollinator Pathmaker“ von Alexandra Daisy Ginsberg. Auf dem Vorplatz des Naturkundemuseums hat die Londoner Künstlerin im Mai 2023 einen Garten angelegt, der sich nicht nach den Bedürfnissen von Menschen, sondern denen von Insekten richtet. Ursprünglich von der britischen Kunstorganisation Eden Projects beauftragt, entwickelte Ginsberg mit Expert:innen einen Algorithmus, der Gartenpläne so berechnet, dass die Blühpflanzen eine größtmögliche Anzahl von bestäubenden Tierarten unterstützen. Zwei solcher Gärten gibt es in England.

In Zusammenarbeit mit dem Museum für Naturkunde holte LAS das Projekt nach Berlin, entwickelte ein Vermittlungsprogramm und erweiterte die Webseite pollinator.art auf Mehrsprachlichkeit, über die jede:r Nutzer:in eine eigene Gartenskulptur berechnen sowie zeichnen lassen kann. Nur pflanzen muss man selber. Ginsberg schwärmt von der Unterstützung, die sie von der Kunststiftung erhalten habe, und von der Erweiterung des Projektes mit Schulen und gemeinnützigen Initiativen. Mittlerweile gibt es in nahezu jedem Stadttteil Berlins diese Gärten. „Neuartige Institutionen wie LAS ermöglichen experimentelle Projekte zwischen Kunst und Technologie und zwar auf eine Art und Weise, die für etablierte Institutionen mit traditionelleren, unflexibleren Strukturen wie beispielsweise bei Finanzierungen, oft nicht möglich ist“, sagt Ginsberg.

Zukunftspläne mit eigenem Ausstellungsort in Berlin

Als Künstlermetropole mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und einer Tech-Szene, die laut Kames keinen Vergleich zu scheuen braucht, habe Berlin einen unglaublichen Schatz, der noch viel stärker gefördert werden müsse. In diesem Sinne ist LAS auf Wachstumskurs. Kürzlich wurde mit Boris Magrini ein zweiter Senior Kurator in das Team geholt. Er war zuvor als Programmdirektor am Haus der elektronischen Künste (HEK) in Basel tätig.

Auf der Agenda der Stiftung für nächstes Jahr steht eine feste Spielstätte. Entgegen Gerüchten wird LAS das Bilka-Haus nicht dauerhaft beziehen. Den nomadischen Charakter will man jedoch nie komplett aufgeben und einzelne Ausstellungen über die Stadt verteilt verwirklichen.

Welche das genau sein werden, dürfen Kames und Whitefield nicht verraten. Noch seien die Verträge mit den Künstler:innen nicht final. Die Ambitionen bleiben groß und wachsen womöglich über Berlin hinaus: „Wir schauen, mit welchem Partner wir das Projekt wo am besten realisieren können. Der Fokus bleibt vorerst auf Berlin“, sagt Kames. Hier spielt nun mal die Zukunftsmusik.

  • Kranzler Eck Kurfürstendamm 21-23, Charlottenburg, 15/ 10 €, Tickets, bis 14.1.2024

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