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Mode und Kunst

Claudia Skoda spricht über Mode, Clubs, Kippenberger und die Fabrikneu

Claudia Skoda krempelte in den 1970er-Jahren die West-Berliner Mode um. Sie war mit David Bowie und Iggy Pop befreundet, der junge Martin Kippenberger wohnte in ihrer Kreativzentrale, der Kreuzberger Fabrikneu., Bis heute setzt sie wichtige Impulse und gilt vielen jungen Modeschöpfer*innen als Vorbild. Die Ausstellung „Dressed to Thrill“ im Kulturforum (ab 13. April) würdigt das Leben und Werk von Claudia Skoda – wir sprachen mit ihr über sechs Fotos, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Die Berliner Modedesignerin Claudia Skoda. Foto: Patricia Schichl
Die Berliner Modedesignerin Claudia Skoda. Foto: Patricia Schichl

Statt eines gewöhnlichen Interviews, legten wir Claudia Skoda also sechs Fotos aus den 1970er- bis 1990er-Jahren vor, darunter Porträts, Aufnahmen ihrer Entwürfe und Modeschauen, die im Rahmen der Ausstellung zu sehen sind. Wir baten um Statements zu den Bildern. Hier folgen Skodas Erinnerungen zu den jeweiligen Situationen, ihren Wegbegleitern, der Atmosphäre jener Zeit und natürlich ihren Kreationen.


Martin Kippenberger, Ohne Titel

Martin Kippenberger, Ohne Titel (Claudia Skoda mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor, Berlin), ca. 1976-77. Foto: Estate of Martin Kippenberger/Galerie Gisela Capitain, Köln/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz
Martin Kippenberger, Ohne Titel (Claudia Skoda mit ihrer Strickmaschine im U-Bahnhof Kottbusser Tor, Berlin), ca. 1976-77. Foto: Estate of Martin Kippenberger/Galerie Gisela Capitain, Köln/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Das Foto entstand sehr spontan. Mit Martin Kippenberger haben wir in der Fabrikneu zusammengewohnt und alle möglichen Sachen zusammen veranstaltet. Er kam mehrmals zu uns, erst um 1974, nachdem wir auf Ibiza waren, und dann 1976/1977 noch einmal. Kippi war immer mit seiner Leica unterwegs, auch der aus hunderten Schwarz-Weiß-Fotos bestehende Fußboden in der Fabrikneu, auf dem einige meiner ­Modenschauen stattfanden, war sein Werk. An dem Tag haben wir zuerst Fotos in der ­Fabrikneu gemacht. Dann kam die Idee auf, zum U-Bahnhof Kottbusser Tor zu fahren. Wir also alle hin, von der Zossener Straße zum Kotti. Kippenberger hatte eine Affinität zu der Gegend, die fand er spannend. Wenn man aus der U-Bahn rauskam, gab es dort gleich so ein altes Fotogeschäft, das vor allem die Türken benutzten. Dort haben wir später auch eine Session gemacht, ich habe ihn gestylt, er trug einen Rock von mir und ein Kopftuch, so entstand ein sehr bekanntes Foto. Es war jedenfalls schon sehr spät an dem Abend, außer einem Mann, der den Bahnsteig fegte, war niemand da. Ich hatte meine Strickmaschine dabei und posierte so, wie Musiker mit ihrem Instrument posieren. Von der Serie haben wir später einige Motive für eine Einladung zu einer Modemesse benutzt.“


„Shake Your Hips“ – Claudia Skoda auf dem Dach der Fabrikneu

Claudia Skoda posiert auf dem Dach der fabrikneu in ihrer Kollektion „Shake Your Hips“. Unbekannter Fotograf, ca. 1975. Foto: Claudia Skoda/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz
Claudia Skoda posiert auf dem Dach der fabrikneu in ihrer Kollektion „Shake Your Hips“. Unbekannter Fotograf, ca. 1975. Foto: Claudia Skoda/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Ich kann mich gar nicht erinnern, wer dieses Foto gemacht hat. Es ist auf jeden Fall eine frühe Aufnahme aus der Fabrikneu-Zeit. Vielleicht war es Esther Friedmann, die viel mit uns gearbeitet hat. Später war sie die Freundin von Iggy Pop, aber als dieses Foto entstand, waren David Bowie und Iggy Pop noch gar nicht in Berlin. Das war jedenfalls auch eine sehr spontane Idee. Wir sind oft auf das Dach der Fabrikneu gegangen, es gab da diese tolle Stadtaussicht und man konnte dort gut fotografieren. Jenny Capitain, die ­meine Entwürfe oft präsentierte, war nicht da, ich war aber auch schön schlank, also stieg ich selbst in die Sachen rein und wir gingen hoch. Das haben wir öfter gemacht, dass ich die Sachen selbst angezogen habe. Die Trennung zwischen Model und Modemacherin war nicht sehr streng bei uns. Meine Kollektionen hatten immer bestimmte Themen. „Shake Your Hips“ hatte damit zu tun, dass wir gerne ­tanzen gegangen sind. Wir lebten zu sechst in der Fabrikneu, Reinhard Bock war dabei, der Super-8-Filme machte, Jenny ­Capitain, Model und spätere Moderedakteurin, Klaus Krüger, der Drummer von Tangerine Dream, die Malerin Angelik Riemer und mein Exmann Jürgen, der Bildhauer war. Das war der Kern der Fabrikneu, oft kamen noch Freunde mit. Wir gingen in den Dschungel, in den alten Dschungel, ins Sound und andere Discotheken. Die Sachen sollten die Lust aufs Tanzen betonen. Es gab bauchfreie Kleider, die lasziv und etwas orientalisch anmuteten, dazu gehörten schwingende Röcke, Pumphosen und so leichte Oberteile darüber.“


Luciano Castelli, Big Birds

Luciano Castelli, Ohne Titel (Motiv zur Modenschau „Big Birds“, Claudia Skoda, Tabea Blumenschein), 1979. Foto: Luciano Castelli/VG Bild-Kunst, Bonn 2021/Dietmar Katz
Luciano Castelli, Ohne Titel (Motiv zur Modenschau „Big Birds“, Claudia Skoda, Tabea Blumenschein), 1979. Foto: Luciano Castelli/VG Bild-Kunst, Bonn 2021/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Hier wollten wir Aufnahmen für die Modenschau in der damaligen Kongresshalle machen, heute ist es das Haus der Kulturen der Welt. Es war eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotos, die zusammen mit Tabea Blumenschein entstanden. Die Idee war ein Rollenspiel, der bedrohliche Vogel, der die blonde Frau von oben beobachtet. So Hitchcock-mäßig haben wir uns das vorgestellt. Wir fuhren nach Schöneberg und fanden dort eine Kohlenhalde an einem Bahngelände. Der Schweizer Maler Luciano Castelli lebte zu der Zeit auch bei uns in der Fabrikneu, er kam aus Zürich und blieb ­einige Jahre. Das war ähnlich wie mit Kippenberger, man hat sich was überlegt und es spontan umgesetzt. Luciano fotografierte sowieso immer etwas und nutzte die Bilder als Vorlagen für seine Gemälde. Die Modenschau zu der Kollektion „Big Birds“ war großartig, vielleicht die legendärste, die es in der Ära Fabrikneu je gab. Wir hatten sehr wenig Zeit, die Kongresshalle war nur für einen Tag gemietet. Mein Mann und sein Team montierten eine gewaltige Vogelvoliere in dem Raum. Luciano und der Berliner Maler Salomé waren als Vögel verkleidet und schwebten im Hochtrapez über den Köpfen der Zuschauer. Mein Mann hat noch eine riesengroße Ei-Hülle aus Polyester gebaut, darin bewegten sich zwei mit Vogelfedern beklebte Tänzer. Die tauchten dann zwischen den Models auf. Dazu die Livemusik von Manuel Göttsching, rhythmisch dem Herzschlag nachempfunden. Das war alles einzigartig und magisch. Einige Monate später ist das Dach der Kongresshalle eingestürzt, aber daran waren wir nicht schuld.“


Ulrike Ottinger, Ohne Titel

Ulrike Ottinger, Ohne Titel (Claudia Skoda, Tabea Blumenschein & Jenny Capitain), ca. 1977/78. Foto: Ulrike Ottinger/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz
Ulrike Ottinger, Ohne Titel (Claudia Skoda, Tabea Blumenschein & Jenny Capitain), ca. 1977/78. Foto: Ulrike Ottinger/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Tabea Blumenschein war immer eine sehr gute Freundin von mir und damals mit ­Ulrike Ottinger zusammen. Tabea kam oft zu uns in die Fabrikneu und ich war auch oft bei den beiden. Ulrike bewegte sich in Kunstkreisen, sie war mit Leuten wie dem Fluxuskünstler Wolf Vostell und dem Neodadaisten Edward Kienholz befreundet. Sie war etwas ernster dabei, Tabea war da gelegentlich abtrünnig und kam gerne zu uns und wir haben unsere Sachen gemacht. Sie hat zu der Zeit auch Mode gemacht, nähte Kostüme für die Filme von Ulrike und auch für Theaterstücke. Und sie hat auch gestrickt, wunderschöne Mohair-Pullover. Ich trug ihre Sachen, sie meine, wir haben uns immer ausgetauscht. Damals gehörten auch andere Designer zum Umfeld der Fabrikneu und ich habe sie auch gerne in meinen Modenschauen miteinbezogen. Dieses Foto ist bei Ulrike in ihrer Schöneberger Wohnung entstanden, Tabea, Jenny Capitain und ich haben uns inszeniert und Ulrike machte das Foto. Immer wieder die schöne Tabea, und wir sahen auch nicht so übel aus. Die Session war beeinflusst vom Glamour der Hollywoodstars aus den 1940er- und 1950er-Jahren.“


Silke Grossmann, Bild für Claudia Skoda

Silke Grossmann, Bild für Claudia Skoda, in Zusammenarbeit mit Cynthia Beatt, 1983. Foto: Silke Grossmann/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz
Silke Grossmann, Bild für Claudia Skoda, in Zusammenarbeit mit Cynthia Beatt, 1983. Foto: Silke Grossmann/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Silke Grossmann hat eigentlich keine Modefotos gemacht. Auf den Bildern, die sie für mich gemacht hat, stellte sie die ­Akteure und die Entwürfe in den Kontext der Architektur. Das Model war auch nicht immer vollständig abgebildet, viel mehr wollte sie die Mode mit der Umgebung in Einklang bringen. Das war damals schon sehr modern. Heute ist das normal, dass man ein Model nicht einfach nur zeigt, sondern in das Leben miteinbezieht. Silke betonte die Verbindung aus Mode und Architektur mit der körnigen Schwarz-Weiß-Ästhetik. Wie es genau zu der Zusammenarbeit für diese Bildserie von 1983 kam, weiß ich nicht mehr. Silke Grossmann gehörte nicht direkt zum Umfeld der Fabrikneu, sie war aber mit der britischen Filmemacherin Cynthia Beatt befreundet, die ich auch kannte.“


Gertrude Goroncy, Ohne Titel

Gertrude Goroncy, Ohne Titel (Deep Diving for Whales, Deutsche Guggenheim), 1997. Foto: Gertrude Goroncy/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz
Gertrude Goroncy, Ohne Titel (Deep Diving for Whales, Deutsche Guggenheim), 1997. Foto: Gertrude Goroncy/SMB/Kunstbibliothek/Dietmar Katz

Claudia Skoda „Das war eine verspätete Show, die eigentlich für die Eröffnung der neuen ­Sporthalle am Olympiastadion geplant war. Entworfen hat die Halle der Berliner Architekt Christof Langhof und er hat uns auch für die Eröffnung beauftragt. In der Zeit sprach mich aber auch die Deutsche Guggenheim an, das war in den späten 1990er-Jahren, ich sollte zur Finissage der Ausstellung des Pop-Art-Künstlers James Rosenquist etwas auf die Beine stellen. Ich holte dann Künstler zusammen, die auch mit Mode zu tun hatten, und wir machten eine Show, die einer regulären Modeschau nachempfunden war. Ein ganz normaler Runway mit Models, die nacheinander laufen und die Sachen präsentieren. Ich begab mich dafür in die Rolle des Künstlers. Alexander Kraut komponierte die ­Musik zu der Performance. Man sollte das Gefühl bekommen, als befände man sich in einem großen Wasserbecken, eine Unterwasser-Stimmung. Dann ploppten diese Wesen in ihren Ganzkörperanzügen auf, die ich mit den mit Helium gefüllten Ballons versehen hatte, und es sollte so wirken, als würden sie an die Oberfläche schweben.“


Claudia Skoda – Dressed to Thrill Kulturforum (Kunstbibliothek), Matthäikirchplatz, Tiergarten, Di–Fr 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Sa+So 11–18 Uhr, ab 13.4. bis 18.7.21

Alle Informationen zu Tickets, Besuchszeiten und den Corona-Bestimmungen finden Sie hier.


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