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Der Check: Welche Klischees und Vorurteile über Berlin stimmen?

Berlin ist …? Wir haben die bekanntesten Vorurteile über Berlin unter die Lupe genommen und uns angeguckt, ob die Klischees, die Nicht-Berliner über unsere Stadt haben, stimmen – oder es eben doch nur langweilige Klischees sind.


Vorurteil: „Berlin ist arm, aber sexy“

Das Wahlplakat von Wowereit mit einem Sticker drauf, auf dem der bekannte Spruch aus dem Jahr 2003 steht. Foto: imago/Gerhard Leber

Es ist eine dieser Aussagen mit viel Identifikationspotenzial. Kein Geld, aber egal, wenigstens sind wir lässig. Armut wird hingenommen, die Menschen sollten sogar Stolz auf sie sein. Verdrängt wird so politisches Versagen, ob nun vom Senat oder der Bundesregierung, die auch damals Kommunen finanziell nach und nach aushungern ließ. Umso ärgerlicher ist, dass die Stadt selbst, also ihre explodierenden Mietpreise die Menschen heute deutlich ärmer macht. Eine vergleichsweise hohe Arbeitslosenquote in absoluten Zahlen, mehr als 350.000, kommt dazu. Nun hat die Stadt auch ein recht hohes Pro-Kopf-BIP, 2019 lag es bei 42.000 Euro, was jedoch aufgrund einer hohen Einkommensungleichheit nicht gerade aussagekräftig ist. Insgesamt ist Berlin schon arm, wenn auch nicht überall. Das „Sexy“ ist Geschmacksache.


Vorurteil: „Ganz Berlin feiert viel und nimmt Drogen!“

Das mit den Drogen in Berlin ist so ’ne Sache. Wenn man sich in einem der unzähligen Techno-Schuppen wie Sisyphos, Der wilden Renate, about blank oder im Berghain aufhält, kann schnell der Eindruck entstehen, dass Berlin den ganzen Tag nur ballert und feiert. Schnell wir von einer eigentlichen Ausnahme auf eine Regel geschlossen. Ganz einfache Psychologie: Der Mensch macht eine gleiche Erfahrung mehrmals, der Mensch generalisiert.

Richtig ist das nicht. Laut statista.de ist Berlin im Jahr 2021 weder bei den Rückständen von Metamphetamin, Kokain, MDMA noch bei Cannabis im Abwasser unter den Top-15-Städten Europas. Und auch unter den Städten innerhalb von Deutschland lag Berlin im Jahr 2020 hinter Hamburg und Frankfurt nur auf Platz drei mit den meisten Kokainrückständen im Abwasser.

Schwer zu sagen, woher das Vorurteil genau kommt. Vielleicht von Provinzlern (liebevoll gemeint), die sich für einen Ausflug in unsere Stadt verirren, um ordentlich zu feiern. Hier können sie richtig aufdrehen, ohne dass es gleich im ganzen Ort die Runde macht. Und das auch noch von Freitagabend bis Montagmorgen.

Das war jetzt vielleicht ein bisschen gemein, aber natürlich schläft Berlin auch mal, und die Clubs sind hauptsächlich am Wochenende geöffnet. 24/7 Party hält ja auch kein Mensch aus, zumindest nicht ohne Doping. Trotzdem steht außer Frage, dass Berlin in Sachen Partys zur Oberschicht der Clubszene gehört und die exquisitesten Raves für feierfreudige Menschen bietet. Mehr dazu? Hier gibt es regelmäßige Club-Updates.


Vorurteil: „Die Berliner essen jeden Tag Döner und Currywurst“

Berlin bekannteste Currywurst-Bude am Mehringdamm: Curry 36. Foto: Imago/Hartenfelser

Döner kommt aus Berlin ! Der Dönerspieß an sich ist zwar schon älter, doch 1972 steckte Kadir Nurman – zumindest der Legende nach – das erste Mal das Dönerfleisch in ein Fladenbrot und erfand so den bekannten Döner Kebab zum „auf die Hand“ essen. Laut der Berliner Zeitung gibt es in Berlin mehr als 1500 Dönerbuden, die circa 400 000 Döner am Tag verkaufen. Im Jahr 2021 sind mehr als 3,6 Millionen Menschen offiziell in Berlin gemeldet gewesen. Im Umkehrschluss essen also pro Tag elf Prozent der Berliner:innen einen Döner. Elf Prozent sind offensichtlich nicht die Mehrheit. Wie ist die Bilanz aber verglichen mit dem Rest von Deutschland?

Glaubt man der Mitteldeutschen Zeitung, dass deutschlandweit ungefähr 1,3 Millionen Döner am Tag verkauft werden und das auf die Bevölkerungszahl hochrechnet – geht man erneut von einem Döner pro Kopf aus – stellt man fest, dass pro Tag nur 1,5 Prozent der Bevölkerung einen Döner isst. Somit liegt Berlin zehn Prozent über dem deutschen Durchschnitt. Wir essen wohl doch vergleichsweise viel Döner und gelten nicht umsonst als die „Hauptstadt des Döners“.

Aber ist das mit der Currywurst genauso? Verschlingen wir mehr von der Brühwurst mit Ketchup-Curry-Soße als Restdeutschland?

Erfunden wurde die Currywurst laut verbreiteter Auffassung Ende der 40er Jahre in Berlin von der Gastwirtin Herta Heuwer, zumindest schrieb sie sich zu, die Currywurstsoße erfunden zu haben und ließ sie entsprechend patentieren. Die BZ berichtet, dass in Berlin im Jahr 70 Millionen Stück des beliebten Bratwurst-Carpaccio verschlungen wird, was circa acht Prozent des Jahresverkaufes in Deutschland ausmacht. Somit ist es offiziell: In Berlin isst man also nicht den ganzen Tag nur Döner und Currywurst. Aber eben doch ganz gern.


Vorurteil: „Ganz Berlin hasst die Polizei“

Bei der 1.-Mai-Demo in Berlin kommt es oft zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Polizist:innen. Hier setzt ein Polizist Pfefferspray gegen die linken Demonstrant:innen ein. Foto: Imago/xcitepress

Schauen wir uns die Zahlen zu diesem Vorurteil über Berlin mal an. Im Winter 2021 hatten rund 82 Prozent der deutschen Bevölkerung Vertrauen in die Polizei, 15 Prozent hatten keines und rund drei Prozent wussten es nicht, wie aus einer Eurobarometer-Umfrage hervorgeht. Diese Verteilung wird auch in Berlin nicht drastisch anders sein. Jedoch kann im Bundeslagebericht des BKAs nachgelesen werden, dass Berlin neben Hamburg und Bremen bei der Häufigkeit der registrierten Gewalttaten gegen Polizeivollzugsbeamt:innnen die höchsten Belastungen aufweist.

Nur weil sich hier der Polizei kritisch gegenüber geäußert wird, hasst natürlich nicht ganz Berlin die Polizei. Außer vielleicht am 1. Mai, da könnte es sein, dass dies eines der Klischees über Berlin ist, das an diesem einen Tag zutrifft. Naja, und in der Rigaer Straße gibt es sicher auch einige, die das unterschreiben würden.


Vorurteil: „In Berlin tragen alle schwarz“

Dieses Klischee ist so überkommen. Warum es aus der Zeit fällt, könnt ihr bei unserem Interview mit einer Modeexpertin zu schwarzer Kleidung nachlesen.


Vorurteil: Alle arbeiten in Start-ups und trinken Flat Whites in Prenzlauer Berg

Die Cafe-Kette „Five Elephant“ hat inzwischen mehrere Standorte in Berlin. Sie sind unter anderem für ihren Flat White bekannt und mit ihren Läden auch in Prenzlauer Berg vertreten. Foto: TipArchiv

Da haben wir’s mal wieder. Die Widersprüche, die sich auftun, wenn Vorurteile in die Welt gesetzt werden. Einmal soll Berlin arm, aber sexy sein, dann können sich auf einmal alle Flat Whites in Prenzlauer Berg leisten. Falls jemand nicht auf dem neusten Stand der Kaffeekunst ist: Der Flat White ist so ähnlich wie ein Cappucino, nur etwas teurer.

Es gibt bestimmt ein paar Kaffee-Liebhaber:innen, die sich stundenlang über die unterschiedlichen Zubereitungsformen von Kaffee und Milchschaum austauschen können. Für Berliner:innen ist ein Cappuccino schon fancy genug. „’n janz normaler schwarzer Kaffee, dit reicht ma schon.“ Wir wissen nicht, wie viele Flat Whites in Pberg verkauft werden am Tag. Es dürften allerdings tatsächlich einige sein.

Mir 500 Gründungen im Jahr ist es aber definitiv wahr, das nirgendwo in Deutschland so viele Start-ups aus dem Boden gestampft werden wie hier.


Vorurteil: „Alle Berliner:innen können über DDR, Mauerfall und Wiedervereinigung referieren“

Die Tafeln sind in Berlin oft zu finden. Vielerorts markieren sie wo die Mauer mal stand. Foto: Imago/ Florian Gaertner

Aus eigener Erfahrung würde ich mal behaupten, dass das stimmt. In keiner anderen Stadt ist die Geschichte Deutschlands von 1949 bis 1989 noch so präsent wie in Berlin. Logisch, die Stadt war ja auch als einzige in Deutschland mal zweigeteilt. Überall in Berlin gib es noch Orte, die an die Zeit der DDR erinnern.

  • Gedenkstätte Günter Litfin, Kieler Straße 2, Mitte, Sa+So 11-17 Uhr
  • Gedenkstätte Hohenschönhausen, Genslerstraße 66, Alt-Hohenschönhausen, Mo-So 9-18 Uhr, Eintritt frei

Vorurteil: „Berlin ist dreckig und versifft“

Das in Berlin die Mülleimer überquellen, kann durchaus passieren. Aber stimmt das Vorurteil, dass alles über Berlin wirklich? Foto: Imago/Bildgehege

Großstädte sind Ballungszentren. Dass es dadurch Plätze in Berlin gibt, die stinken und versifft sind, ist kein Wunder. Wasche ich mir nach dem Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel die Hände? Na klar! Setze ich mich überall in Berlin auf die Straße? Auf gar keinen Fall! Entsteht durch mehr Menschen, mehr Müll? Natürlich!

Berlin kann dreckig und versifft sein und einige Einwohner:innen dieser Stadt tun ihr bestes, dass es so bleibt. Doch die Mitarbeiter:innen der BSR arbeiten stetig dagegen, so gleicht sich dann alles aus. Und immerhin sind wir beim Ranking hinsichtlich der Feinstaubbelastung in Hauptstädten von 85 Plätzen auf Platz 72. Ist doch ganz okay.


Vorurteil: „Alle wohnen in Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln. Die restlichen Bezirke existieren gar nicht.“

„Hey, ich suche eine Wohnung in Berlin, maximal 600 Euro warm, am liebsten in Kreuzberg, Neukölln oder Friedrichshain oder an den Ring angebunden.“ Klassischer Wunsch einer frisch zugezogenen Person. Ist aber auch logisch. Junge Menschen wollen dahin, wo die Stadt lebt. Wo es bunt ist, sie am Puls der Zeit leben, frei sind und tun und lassen können, was sie wollen. Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain bietet all das.

Geht man jedoch nach Einwohnerzahlen, wohnen die meisten Menschen in Pankow. Neukölln liegt auf Platz fünf und Friedrichshain-Kreuzberg auf Platz acht. Schaut man sich jetzt aber vergleichsweise die Fläche der Bezirke in Hektar dazu an, zeigt sich ein ganz anderes Bild. Denn Friedrichshain-Kreuzberg liegt mit 14,3 Einwohner:innen pro Quadratkilometer mit Abstand auf Platz eins. Neukölln liegt mit 7,2 Einwohner:innen auf Platz drei. Irgendwie stimmt dieses Klischee über Berlin dann schon.


Vorurteil: „Berliner Busfahrer:innen sind die schlimmsten Menschen“

Kleiner Einschub von mir: Ich weiß nicht genau, wo dieses Vorurteil herkommt, doch mit einem Vater, der nun seit sieben Jahren als Busfahrer arbeitet, kann ich euch sagen: Es ist durchaus möglich, dass es – zumindest für Mitfahrende – so wirkt, als wären sie die schlechtesten Menschen. Aber in einer Stadt, die quasi immer eine Baustelle ist, für schlechtes Geld zu jeder Tage- und Nachtzeiten Berliner:innen herumzukutschieren und dafür oft an Stelle eines Dankes ein umgekipptes, stinkendes Bier im Bus zu erhalten, kann dazu führen, dass sich dieser Job auf das allgemeine Wohlbefinden der Busfahrer:innen auswirkt.

selbstfahrender Elektrobus
Vielleicht braucht es bald schon keine schlecht gelaunten Busfahrer:innen mehr. Der erste selbstfahrende Elektrobus wird schon auf Berliner Straßen getestet. Foto: Imago/ Jürgen Ritter

Die meisten Menschen fluchen schon wie verrückt, wenn sie im Stau in Berlin stehen. Stellt euch nun vor, ihr habt noch zehn grölende und besoffene Menschen dabei und Zeitdruck. Ich weiß, das alles rechtfertigt nicht, wenn mal wieder direkt vor der Nase die Tür zugemacht und losgefahren wird oder ein Bus erst gar nicht anhält, aber es dient als kleine Erinnerung daran, dass es immer noch echt Scheiß-Jobs gibt, die gemacht werden müssen, und dass die Arbeiterklasse in der Gesellschaft immer noch einen zu niedrigen Stellenwert hat.

Vielleicht versetzt ihr euch beim nächsten Mal einfach ein wenig mehr in die Busfahrer:innen, die euch vor und nach euer Arbeit von A nach B bringen. Außer natürlich, sie sagen etwas Rassistisches, Sexistisches oder LGBTQIA+-feindliches , dann ist es durchaus verständlich, wenn ihr aufsteht und ihnen sagt, dass sie die schlimmsten Menschen sind.


Vorurteil: „Zugezogene sind alles reiche Schwaben/Westdeutsche, die Wohnraum klauen und Viertel gentrifizieren“

Als Schwäbin oder Schwabe hat man es nicht leicht in Berlin. Die Klischees über die Menschen, die aus der Region in Süd-Westdeutschland nach Berlin gezogen sind, werden bereits seit den 90er-Jahren diskutiert. Denn nach der Wende zog es viele junge Menschen in die zuvor ungebliebte Stadt. Die wiedervereinigte City versprach günstigen Wohnraum, Freiheit und Revolution. In Kreuzberg fing es dann während der Zeit der Hausbesetzungen an, dass Schwaben das Paradebeispiel eines „Wessis“ wurden und es tatsächlich dazu kam, dass die Grenzen der Worte „Schabe“ und „Wessi“ irgendwie verschmolzen.

Und ja, irgendwie ist es für den Ruf der Schwaben nicht gerade vorteilhaft, dass sie sich in erster Linie in der Personifikation der Gentrifizierung niedergelassen haben. Trotzdem wurde Prenzlauer Berg aber natürlich nicht nur von reichen Wessis übernommen, sondern von reichen Menschen von überall auf der Welt. Und das Positive sollte ja auch nicht aus den Augen gelassen werden: Denn ein wenig kulinarische Abwechslung hinsichtlich deutscher Küche tut Berlin auch ganz gut. Wer will schon auf Spätzle und Maultaschen verzichten?


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