Architektur

SEZ in Friedrichshain wird abgerissen: Rückblick in Bildern

Das ehemalige Sport- und Erholungszentrum (SEZ) an der Landsberger Allee, Ecke Danziger Straße soll abgerissen werden. Zu DDR-Zeiten galt das Prestigeobjekt zeitweise als das größte Sport-und Erholungszentrum weltweit. 

Ost-Berliner Besuchermagnet: das SEZ in Friedrichshain. Foto: Gerd Danigel/ddr-fotograf.de/CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

2003 wurde der Gebäudekomplex an den Leipziger Investor Rainer Löhnitz für den symbolischen Preis von einem Euro verkauft – mit dem Auftrag, den Sport- und Badebetrieb aufrecht zu erhalten. Nach jahrelangem Rechtsstreit kaufte die Stadt Berlin 2023 das SEZ für ebenfalls einen Euro zurück. In Zukunft soll das Gebäude einem Neubau weichen: Der Bebauungsplan sieht für die insgesamt 5,6 Hektar große Fläche circa 500 Wohnungen und eine Schule mit Sportanlage vor.

Mehr als 40 Jahre nach der Eröffnung kann das SEZ auf vier bewegte Jahrzehnte zurückblicken. Hier erzählen wir seine Geschichte.


20. März 1981: Eröffnung mit Polit-Prominenz

Generalsekretär des ZK der SED, Erich Honecker, auf dem Eröffnungsrundgang. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-Z0320-406/Reiche, Hartmut/CC-BY-SA 3.0/Wikimedia Commons

Nach zweijähriger Bauzeit wird das Sport- und Erholungszentrum am 20. März 1981 an der damaligen Leninallee, Ecke Dimitroffstraße (heute Landsberger Allee, Ecke Danziger Straße) eröffnet. Ganz vorne dabei: Erich Honecker, Staatsoberhaupt der DDR. Schnell avanciert das Multifunktionsgebäude mit Sauna, Bowlingcenter, Eislaufhalle und diversen Sportstudios für Ballett und Gymnastik zum Besuchermagnet. Die Ost-Berliner stehen Schlange. Schon zu Beginn ist den Betreibern klar, dass sich der teure Spaß nicht rechnen wird: Zu hoch sind die Betriebskosten.


Nach der Arbeit geht es ins Bowlingcenter

Modernste Technik: Im Bowlingcenter hingen automatisierte Trefferanzeigen an der Decke. Foto: Bundesarchiv/Link, Hubertus/CC-BY-SA 3.0/Wikimedia Commons

Die Bowlinghalle im SEZ kommt in hochmoderner Ausstattung daher: Digitale Anzeigetafeln rechnen automatisch die Treffergebnisse zusammen. Wer zur Kugel greift, dem strömt kühle Luft aus dem Ausgabeautomaten entgegen. Ein Stockwerk höher erwartet die Gäste dann in der Bierstube „zur Molle“ die entsprechende akoholische Abkühlung. Der Begriff „Molle“ kommt aus der Berliner Kneipenkultur. Wem das nichts sagt, kann sich hier mit den Berliner Kneipenbegriffen vertraut machen.


Ein Wellenbad für Ost-Berlin

Badespaß anno 1987. Foto: Gerd Danigel/ddr-fotograf.de/CC BY-SA 4.0/Wikimedia Commons

Hauptattraktion des SEZ ist dabei die Schwimmhalle mit Wellenbad. Im halbstündigen Turnus gibt es zehn Minuten Wellen, dann ist 20 Minuten Pause. Wassertemperaturen bis zu 30 Grad Celsius erschaffen eine tropische Oase im damals grauen Friedrichshain. Das Plantschen ist dabei so begehrt, dass der Aufenthalt pro Person auf zwei Stunden beschränkt ist. Auf die Hallenbäder in Ost-Berlin blicken wir übrigens in dieser Bildergalerie.

Das Außenbecken der Schwimmhalle. Foto: Imago/Pemax

Nach der Wende übernehmen die Berliner Bäderbetriebe den Schwimmbetrieb. Denen wird der Unterhalt jedoch dauerhaft zu teuer. 2002 schließt das Schwimmbad. Als ein Jahr später der gesamte Gebäudekomplex an den Leipziger Investor Rainer Löhnitz verkauft wird, stellt das Land die Bedingung, dass das Hallenbad wieder eröffnet werden muss.


Breitensport statt Längenschwimmen

Im Fit 2 Fit Day Fitness Training im Jahr 2002 wird gemeinsam zum Takt marschiert. Foto: Imago/Olaf Wagner

Der neue Eigentümer des SEZ kann das Versprechen, das Schwimmbad wieder zu eröffnen, zwar nicht halten. Dafür lässt sich nun im trockengelegten Wellenbecken Tischtennis und Badminton spielen. In den folgenden Jahren kommen Ballsportplätze und Sauna hinzu. Auch außerhalb von Friedrichshain gibt es viele Saunen, in denen man sich durch die Hauptstadt schwitzen kann.


Das Sport- und Erholungszentrum wird zum Laufsteg

So weit sind die 1980er-Jahre doch nicht entfernt: Runway-Show von Marina Hoermanseder auf der Berlin Fashion Week im Jahr 2019. Foto: Imago/Vistapress

Mit den 2010er-Jahren werden die Nutzungen im SEZ immer ausgefallener. Zur langen Nacht der Museen 2011 finden in dem ehemaligen DDR-Juwel Kunstausstellungen statt, es folgt das Psytrance- und Kunst-Festival „Odyssee“. Im Rahmen der Berliner Fashion Week 2019 veranstaltet die österreichische Designerin Marina Hoermanseder eine Runway Show mit knallbunter Candy Fashion – mitten in den Räumlichkeiten des SEZ.

Das SEZ hat auch schon bessere Zeiten erlebt: Beschmierte Fassade des Gebäudes, Ende 2022. Foto: Imago/Sabine Gudath

Ebenso spektakulär vollzieht sich das juristische Gerangel um das SEZ: Nachdem der Investor mit den Auflagen, das Hallenbad wieder zu eröffnen, sprichwörtlich baden ging, beginnt ein jahrelang andauernder Rechtsstreit zwischen Stadt und Investor um die Einhaltung des Vertrags. Im Jahr 2022 ordnet das Kammergericht Berlin den Verkauf der Immobilie an das Land Berlin für einen Euro an, 2023 wandert die Immobilie wieder in städtische Hand zurück.


Ironisches Ende: Das SEZ als Filmkulisse für die Serie „KraNK“

Auf dem Filmset der Medical-Serie „KraNK“. Foto: Imago / Emmanuele Contini

Im August 2023 zieht dann die Notaufnahme des Krankenhaus Neukölln in das Gebäude ein – allerdings nur als Filmset. Dass die ZDFneo-Serie auch noch den Titel „KraNK“ (ein Akronym für das Krankenhaus Neukölln) trägt, unterstreicht auf ironische Weise das langsame Dahinsiechen des einstigen DDR-Juwels.


Initiativen demonstrieren gegen den Abriss des SEZ

Die Initiative „SEZ für alle“ setzt sich für den Erhalt des SEZ ein, hier zuletzt mit einer Demonstration Anfang September 2024. Foto: Imago / Rolf Zöllner

Als Anfang 2024 die Abrisspläne des Senats publik wurden, regte sich großer Widerstand in der Bevölkerung. Mehrere Initiativen und Vereine veranstalteten Demonstrationen gegen den drohenden Abriss des SEZ – darunter die Bürgerinitiative „SEZ für alle“, die Gruppe „Architects 4 Future“ oder der Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“. Neben der Befürchtung, dass ein weiteres Baudenkmal der DDR aus dem Stadtbild verschwindet, gibt es unter den Protestierenden auch ökologische Bedenken bei einem möglichen Neubau. Prominente Politiker:innen, wie etwa der Linken-Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi, sprachen sich für den Erhalt aus.

1. Oktober 2024: Die Polizei ist angerückt, um die Türen des SEZ aufzuflexen und die Zwangsräumung durchzuführen. Foto: Imago/PEMAX

Zuletzt gab die Berliner Finanzverwaltung bekannt, das Eigentumsrecht des Landes Berlin zur Not mit einem Gerichtsvollzieher durchzusetzen – nun ließ die Stadt Taten folgen: Am 1. Oktober um 9 Uhr rückte die Polizei an und flexte das Eingangstor des Spaßbades auf. Die Polizist:innen betraten daraufhin das Gelände. Noch im Juni 2024 gab sich Ex-Eigentümer Rainer Löhnitz überzeugt, dass Berlin sein Eigentumsrecht nicht durchsetzen werde und das SEZ erhalten bleibe. Warum, das erfahrt ihr im Interview mit dem SEZ-Investor. Wie es mit der Zwangsräumung des SEZ weitergeht, bleibt abzuwarten. Aber so, wie es aussieht, setzt sich das Land Berlin durch.


Mehr Berlin-Geschichte

Das SEZ steht kurz vor dem Abriss. Welche berühmten historischen Gebäude nicht mehr existieren, zeigen wir euch hier. Zur Eröffnung war das Spaßbad an der Leninstraße eine echte Attraktion. Wer in den 1980er-Jahren in Ost-Berlin gelebt hat, kennt sicher auch diese Dinge. Nochmal 1980er: Der Fotograf Gerd Danigel hat eindrucksvoll das Ost-Berlin vor dem Mauerfall abgelichtet. Ebenfalls Fotograf und bei uns im Interview: Tillman Brembs, der die Rave-Kultur der 90er-Jahre dokumentierte. Zurück zum SEZ: Das steht mit seinem Abriss und den Neubau-Plänen nicht alleine da. Mehr zu legendären Berliner Orten und ihrer Zukunft erfahrt ihr hier. Das SEZ war beeindruckend. Und überhaupt haben DDR-Architekten spannende Bauten in Berlin hinterlassen. Wir blicken immer gern zurück. Besucht unsere Rubrik zur Berliner Geschichte.

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