Architektur

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin, die man kennen sollte

Es gibt in der Stadt viel langweilige Architektur – aber eben auch das absolute Gegenteil von 08/15-Bauten: Wir zeigen euch ungewöhnliche Gebäude in Berlin: vom streng geometrischen „Kreuzberg Tower“ von John Hejduküber über das dem Brutalismus verpflichtete Institut für Hygiene und Umweltmedizin bis zum Checkpoint Bravo, einem verlassenen Kontrollpunkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze.


Anti-Postmoderne: Der Kreuzberg Tower von John Hejduk

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: John Hejduks "Kreuzberg Tower" an der Charlottenstraße ist ziemlich auffällig. Foto: Imago/Schöning
Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: John Hejduks „Kreuzberg Tower“ an der Charlottenstraße ist ziemlich auffällig. Foto: Imago/Schöning

Das letzte stadtplanerische Großprojekt in West-Berlin war die Internationale Bauausstellung 1987. Mit dem Ziel der „behutsamen Stadterneuerung“ folgte sie der Idee des damaligen Berliner Senatsbaudirektors Hans-Christian-Müller. Einer der wichtigsten Architekten der IBA 87 war Josef Paul Kleihues.

In diesem Zusammenhang entstand auch der „Kreuzberg Tower“ des US-Architekten John Hejduk, einem Mitarbeiter des Stararchitekten I. M. Pei und neben Peter Eisenman Mitglied der Architekturgruppe „New York Five“, die sich als radikale Erneuerer der Architektur begriffen.

In der Charlottenstraße in Kreuzberg wurde Hejduks 14-geschossiges Atelier- und Wohnhaus errichtet. Die strengen geometrischen Formen und die gedeckten Grün- und Grautöne stellten sich den damaligen Vorstellungen der Postmoderne entgegen.

  • Kreuzberg Tower Charlottenstraße 96-98, Kreuzberg

Berliner Brutalismus: Institut für Hygiene und Umweltmedizin

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Institut für Hygiene und Umweltmedizin in Lichterfelde. Foto: Imago/Joko
Institut für Hygiene und Umweltmedizin in Lichterfelde. Foto: Imago/Joko

Beton und Brutalismus erleben eine Renaissance. Was früher als hässlich empfunden wurde, gilt heute als cool und findet weltweit Fans. In Berlin existieren wenige Beispiele für tatsächlich brutalistische Architektur, das Institut für Hygiene und Umweltmedizin in Lichterfelde gehört in jedem Fall dazu.

1974 von dem Architekturbüro Fehling+Gogel gebaut, gilt es als ein gutes Beispiel für den Baustil und die gesamte Nachkriegsmoderne und zählt zu den interessantesten Bauwerken der West-Berliner Ära. Das vielgliedrige und ungewöhnliche Gebäude, das heute zur Charité gehört, wurde 2021 vom entsprechenden Landesamt unter Denkmalschutz gestellt.

  • Institut für Hygiene und Umweltmedizin Hindenburgdamm 27, Lichterfelde

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Ungewöhnliche Gebäude: Emil Fahrenkamps Shell-Haus am Reichpietschufer

Shell Haus am Reichpietschufer in Tiergarten. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Shell-Haus am Reichpietschufer in Tiergarten. Foto: Imago/Jürgen Ritter

In den frühen 1930er-Jahren entstand das moderne Bürogebäude am Reichpietschufer im Auftrag eines Hamburger Mineralölkonzerns. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es vom Shell-Konzern übernommen und diente später der nicht mehr existierenden Bewag als Hauptsitz der Verwaltung.

Seit 1958 steht der in Stahlskelettbauweise, nach Plänen von Emil Fahrenkamp errichtete Bau, der stilistisch der Neuen Sachlichkeit zugeordnet wird, unter Denkmalschutz. Die in senkrechten Wellen strukturierte Fassade macht das Shell-Haus einzigartig. Leider lässt es sich nur von außen besichtigen, da das ungewöhnliche Gebäude heute vom Bundesministerium der Verteidigung genutzt wird. In unmittelbarer Nähe befinden sich einige der interessantesten Botschaftsgebäude in Berlin.

  • Shell-Haus Reichpietschufer 60-62, Tiergarten

Erst Krematorium, dann Kultur: Silent Green Kulturquartier

Silent Green Kulturquartier im Krematorium Wedding. Foto: Imago/Maurizio Gambarini/Funke Foto Services 

Vor mehr als 100 Jahren wurden an dieser Stelle bereits Leichen eingeäschert. Noch bis 2001 war das Krematorium Wedding in Betrieb, kurz vor der Schließung hat man es sogar aufwendig modernisiert. Die Krematorien in Ruhleben und am Baumschulenweg decken den Bedarf in Berlin jedoch ab und somit wurde die Weddinger Institution aufgegeben.

Das sich an neoklassiszistischen Formen orientierende Gebäudeensemble stand lange leer, bis es um 2013 an das Projekt Silent Green Kulturquartier übergeben wurde. Es entstanden Ateliers, Räume für Ausstellungen und Konzerte sowie Büros. Seit 2015 finden im Silent Green regelmäßig Kulturveranstaltungen statt. Die Kuppelhalle ist eine der beeindruckendsten Locations der Stadt.

  • Silent Green Kulturquartier Gerichtstraße 37-38, Wedding

Zerstört, aber nicht verschwunden: Synagoge am Fraenkelufer

Synagoge am Fraenkelufer, Kreuzberg. Foto: Imago/Schöning
Synagoge am Fraenkelufer, Kreuzberg. Foto: Imago/Schöning

Um 1916 endeten die Bauarbeiten nach den Plänen des Baumeisters Alexander Beer, seitdem hatte die jüdische Gemeinde in Kreuzberg eine orthodoxe Synagoge. Erst bei der Pogromnacht am 9. November 1938 und anschließend im Zweiten Weltkrieg, wurde das Hauptgebäude zerstört und die Überbleibsel 1959 abgerissen.

Heute ist nur das Nebengebäude erhalten und dient seit den 1950er-Jahren den Berliner Juden als Gotteshaus. Da sich in den vergangenen Jahrzehnten die jüdische Gemeinde stetig vergrößert hat, ist ein Wiederaufbau des Hauptgebäudes in Planung. Für 2024 ist ein Architekturwettbewerb geplant, 2027 sollen die Bauarbeiten beginnen.

  • Synagoge am Fraenkelufer Fraenkelufer 10, Kreuzberg

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Pfarrkirche St. Canisius

Pfarrkirche St. Canisius an der Charlottenburger Witzlebenstraße. Foto: Jacek Slaski

Die von Jesuiten betriebene St. Canisius Kirche befindet sich seit etwa 100 Jahren an dem Standort in Charlottenburg, unweit des Lietzenseeparks und gehört zu den ungewöhnlichsten Kirchen in Berlin. Der ursprüngliche Bau wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, in den späten 1950er-Jahren baute man eine neue Kirche, die 1995 vollständig ausbrannte. Daraufhin beauftragte das Erzbistum Berlin nach einem umstrittenen Wettbewerb das Architekturbüro Büttner, Neumann, Braun mit dem Projekt. Die aus Sichtbeton errichtete Konstruktion gilt als „monumentale Bauskulptur“. Mit klaren geometrischen Formen, radikaler Formensprache und den gut elf Meter hohen Türen aus Lärchenholz gehört St. Canisius zu den modernsten und ungewöhnlichsten Kirchen in Berlin.

  • Pfarrkirche St. Canisius Witzlebenstraße 30, Charlottenburg

Perle der modernen Architektur: Mosse-Zentrum-Berlin in Mitte

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Gebäude des Mosse-Zentrum-Berlin in der Schützenstraße 25, Mitte. Foto: Imago/Klaus Martin Höfer
Das ungewöhnliche Gebäude des Mosse-Zentrum-Berlin in der Schützenstraße 25, Mitte. Foto: Imago/Klaus Martin Höfer

Der junge Zionist Mendelsohn studierte in Berlin und München, wo er von den Künstlern des „Blauen Reiters“ beeinflusst wurde. Seine professionelle Laufbahn begann nach dem Ersten Weltkrieg mit einem frühen Erfolg. Durch eine private Bekanntschaft, bekam er den Auftrag ein Sternobservatorium auf dem Telegraphenwerk in Potsdam zu bauen, den Einsteinturm (1920-1922).

Mendelssohn verwirklichte in den folgenden Jahren bemerkenswerte Wohn- und Geschäftshäuser sowie Industriebauten. Dabei gelten die Hutfabrik in Luckenwalde, erbaut in den Jahren 1921-1923, sowie der Umbau des aus der selben Zeit stammenden Mossehauses für den Verleger Rudolf Mosse, zu den wichtigsten Beispielen für die Architektur der Moderne in Berlin

  • Mosse-Zentrum-Berlin Schützenstraße 25, Mitte

Wo der Rundfunk der DDR residierte: Das Funkhaus Berlin in der Nalepastraße

Funkhaus Berlin in der Nalepastraße. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Funkhaus Berlin in der Nalepastraße. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Der Hauptsitz des Rundfunks der DDR am Spreeufer ist ein sagenumwobener Ort. Das Funkhaus Nalepastraße beherbergt eines der besten Aufnahmestudios des Landes, seit der Wende haben sich zahlreiche Künstler in dem Gebäude eingerichtet und die Konzerte im großen Sendesaal, die dort gelegentlich stattfinden, gehören regelmäßig zu den musikalischen Höhepunkten des Berliner Kulturlebens.

Errichtet wurde das Funkhaus in den 1950er-Jahren nach Plänen des Architekten Franz Ehrlich. Auf dem Gelände einer alten Sperrholzfabrik entstand eines der modernsten Sendehäuser Europas, das bis 1993 genutzt wurde. Seitdem hatte die berühmte Immobilie mehrere Eigentümer und es gab immer wieder neue Pläne für die Nachnutzung.

Die im Funkhaus residierenden Künstler sollen wohl auch in Zukunft bleiben, der neue Investor Uwe Fabich will darin ein riesiges Musikstudio einrichten und die Veranstaltungsräume ausbauen. Um neuen Mietern wie womöglich Native Instruments die Ansiedlung zu erleichtern, soll ein Schiffsshuttle vom Stadtzentrum etabliert werden. Das Funkhaus wird wieder zu einem der wichtigsten Kulturstandorten Berlins.

  • Funkhaus Berlin Nalepastraße, Oberschöneweide

AVUS Motel in Westend

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: AVUS Motel in Westend. Foto: Imago/Joko
AVUS Motel in Westend. Foto: Imago/Joko

„Hitler hat ja die Autobahn gebaut“, lautet die stumpf-naive Aussage von Leuten, die meinen, dass es am Dritten Reich ja „irgendetwas Gutes“ schon gegeben haben muss. Das mit der Autobahn stimmt nicht ganz, ist aber eine andere Geschichte. Die AVUS in Berlin stammt jedenfalls aus dem Jahr 1921 und hat in ihren Ursprüngen mit den Nazis nichts zu tun. Auf die Geschichte der Autobahn in Berlin gehen wir hier näher ein.

Doch auch Hitler setzte auf Geschwindigkeit, Technik, Industrie und offensichtlich auch Autorennen. Denn die AVUS war eine Rennstrecke und wurde auch vor 1933 für Rennen benutzt. Die Nazis, die auch in der Berliner Architekturgeschichte ihre Spuren hinterlassen haben, machten da weiter.

Sie ließen um 1937 an der AVUS eine Zuschauertribüne aufbauen, erweiterten und modifizierten die Kurven und ließen ein Gebäude mit einem Zielrichterturm an die Strecke bauen. Dieser kuriose Rundbau begegnet bis heute jedem Berliner Autofahrer, der von der AVUS runterfährt. Mittlerweile wird das Gebäude mit dem lustigen Turm als Motel genutzt.

  • Avus Motel Halenseestraße 51, Charlottenburg

Wohnhaus über der Autobahn: Die „Schlange“ an der Schlangenbader Straße

Hochhaus über der Autobahn in der Schlangenbader Straße. Foto: Imago/Schöning
Hochhaus über der Autobahn in der Schlangenbader Straße. Foto: Imago/Schöning

Die „Schlange“, wie die Autobahnüberbauung an der Schlangenbadener Straße in Wilmersdorf von den Berlinern genannt wird, gehört zu den eigenwilligsten Wohnungsbauprojekten in West-Berlin. Entstanden ist der riesige Wohnblock in den 1970er-Jahren als Reaktion auf die Wohnungsknappheit in der Mauerstadt. Insgesamt gehören fast 1800 Wohnungen zu der Anlage.

Das umstrittene Projekt stand auch symbolisch für die Probleme des sozialen Wohnungsbaus. Die Idee von Wohnungen über einer Autobahn stieß bei vielen Kritikern auf Unverständnis. Heute steht das ungewöhnliche Gebäude unter Denkmalschutz. Autobahnüberbauungen als Lösung des Wohnungsproblems haben sich jedoch nicht durchgesetzt. Zum Glück.

  • Schlange Schlangenbader Straße, Wilmersdorf

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Haus Plettner

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Das haus Plettner in Spandau. Foto: Norhei/Wikimedia Commons/CC 3.0
Das Haus Plettner in Spandau. Foto: Norhei/Wikimedia Commons/CC BY-SA 3.0 DEED

Ein Kleinod aus Beton: Tief in Spandau versteckt, steht seit 1971 das Haus Plettner. Das komplett aus dem grauen Werkstoff gegossene Wohnhaus verwirklichten die Architekten Jan und Rolf Rave im Auftrag des Immobilienhändlers Hans-Peter Plettner. Das Projekt ist landesweit ein Unikum, denn die Verwendung von Stahlbeton im Einfamilienhausbau ist überaus selten. Hier geht es zu zeitgenössischen Architekturprojekten in Berlin, die man ebenfalls sehen sollte.

  • Haus Plettner Scharfe Lanke 51, Spandau

Ungewöhnliche Gebäude: Ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden – Checkpoint Bravo

Ungewöhnliche Gebäude in Berlin: Ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden in Wannsee. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden in Wannsee. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Ohne den Architekten Rainer Rümmler wäre Berlin weniger bunt. Mit seinen fließenden Formen und schrillen Signalfarben prägte er West-Berlin. So stammen von ihm etwa die poppigen U-Bahnhöfe der U7 ebenso wie die Feuerwache in der Wiener Straße in Kreuzberg.

1973 wurde die von Rümmler realisierte Raststätte Dreilinden am Kontrollcheckpoint Bravo eröffnet. Rund um die Uhr sollte sie geöffnet sein. Eine Fehlplanung: Wer gerade den Transit vor oder hinter sich hatte, wollte wohl kaum eine Raststätte besuchen, und so ging das Dreilinden alsbald pleite. Seitdem gab es allerhand Pläne, die bisher jedoch allesamt keine Umsetzung fanden. Billighotel, Disko, American Diner: Keine Idee wurde realisiert. Und so bleibt die Raststätte Dreilinden bis zum heutigen Tage ein beliebter Lost Place am Rande Berlins. Weitere spannende Lost Places in Berlin stellen wir hier vor.

  • Kontrollpunkt Dreilinden Isoldestraße, direkt an der A115 (Kreuz Zehlendorf) in Wannsee

Mehr Architektur in Berlin

Auch äußerst ungewöhnlich: Expressionistische Architektur in Berlin. Die Hochphase des Expressionismus währte nur kurz, der Einfluss blieb: Hans Scharouns Philharmonie nimmt erkennbar Bezug darauf. Zeitgleich mit dem Expressionismus entstanden klarere Stile: Dem Neuen Bauen und Bauhaus in Berlin spüren wir hier nach. Behrens, Mendelsohn, Mies van der Rohe: Was ihr über Architektur der Moderne in Berlin wissen müsst. Mittelalter-Nostalgie im Stadtbild: Ein Blick auf Berlins neugotische Bauten. Verspielt und verschnörkelt: Jugendstil-Architektur in Berlin nehmen wir hier unter die Lupe. Noch mehr Texte über Bauwerke findet ihr in unserer Architektur-Rubrik.

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