Die Forderung ist nicht neu, seit Jahren streiten Aktivisten für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Mit den ökonomischen Konsequenzen der Corona-Krise werden die Rufe nach diesem sozialpolitischen Konzept aber lauter. Eine Berliner Modedesignerin fordert jetzt das Grundeinkommen für sechs Monate. Fast eine halbe Million Menschen sind ihr gefolgt
Die Berliner Modedesignerin Tonia Merz hat fünf Angestellte und ist seit knapp 20 Jahren in der Branche. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und den darauf folgenden Maßnahmen ist ihr Unternehmen in der Krise. So wie viele andere Freiberufler ist sie auf Hilfe vom Staat angewiesen, die es in Berlin mit der Soforthilfe so ja auch gab. Doch für viele sind die Hilfen, die es bis jetzt vom Land und vom Bund gab, nicht genug. Vor allem Restaurants und kleine Geschäfte, aber auch Freiberufler kämpfen trotzdem ums Überleben.
Aber für Merz ist das nicht genug. Auf der Plattform change.org fordert sie in einer Petition: „Ein bedingungsloses Grundeinkommen von 800 bis 1200 Euro pro Person für sechs Monate“. Bis heute (Stand 16. April) haben knapp eine halbe Million Menschen unterschrieben. Diese Maßnahme soll ihrer Vorstellung nach für alle gelten: „Ich beschränke diese Forderung bewusst nicht auf einzelne Gruppen, denn was das ganze Land jetzt braucht, ist Unterstützung, und es ist unser gemeinsames Geld!“
Es geht ihr nicht um Stundung oder Geld, das zurückgezahlt werden muss. Die Petition macht klar, wie das Geld fließen soll: „Nicht als Kredit, sondern als Zuschuss für die Umsätze und Einkommen, die innerhalb von Tagen plötzlich weggebrochen sind.“
Corona oder nicht: Bedingungsloses Grundeinkommen hat Freunde wie Feinde
Das ist schließlich auch die Kernidee des bedingungslosen Grundeinkommens: Jeder Bürger und jede Bürgerin eines Landes erhält einen bestimmten Betrag, völlig unabhängig von ihrer jeweiligen finanziellen Situation. Dafür fallen alle anderen sozialen Instrumente weg. Das erspart einen gewaltigen Verwaltungsapparat und schafft eine finanzielle Absicherung, mit der niemand mehr durchs soziale Netzt fällt. Soweit die Theorie.
Diese Idee hat Freunde wie Feinde. In der Schweiz wurde 2016 die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens in einer Volksabstimmung abgelehnt. Finnland experimentiert mit der Idee im überschaubarem Rahmen. In Deutschland läuft die Debatte schleppend vor sich hin. Einen richtigen politischen Willen gibt es hierzulande nicht. Durch Corona hat das Thema aber an Aktualität gewonnen. Denn jetzt merken viele, wie fragil ihre finanzielle Situation in Wirklichkeit ist.
Judith Holofernes: „Das Zusammenleben kann man nach menschenfreundlicheren Prinzipien ausrichten“
Aus diesem Grund laden Tonia Merz, der Verein Mein Grundeinkommen und die Initiative Expedition Grundeinkommen unter dem Motto “Bedingungslos nachgefragt” zu einer digitalen Talkrunde am 16 April um 18.30 Uhr, die über die sozialen Medien verfolgt werden kann.
Neben Merz beteiligen sich an dem digitalen Talk unter anderem die Politikwissenschaftlerin und Mitgründerin des Vereins “Fair für Kinder” Esther Konieczny sowie Laura Brämswig von der Initiative Expedition Grundeinkommen. Sowie die Musikerin (Wir sind Helden), Songschreiberin und Autorin Judith Holofernes. „Ich bin mir sicher, dass es möglich ist, sein eigenes Leben und das Zusammenleben in einer Gesellschaft nach menschenfreundlicheren Prinzipien auszurichten“, sagt Holofernes.
Die Krise als Chance zu begreifen, wird an vielen Stellen diskutiert und auch, dass Corona uns als Gesellschaft besser und solidarischer machen kann. Vielleicht ja auch mit einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Bedingungslos Nachgefragt: Digitale Talkrunde zu Grundeinkommen mit Tonia Merz, Judith Holofernes u.a., Do 16.4., 18:30 bis 19:30 Uhr, Livestreams auf dem Twitter- und Facebook-Account von Change.org sowie den Social Media-Kanälen von Mein Grundeinkommen und Expedition Grundeinkommen.
Die Stadthelden-Serie:
Angst ist bei Jörg Louis von der Müllabfuhr „fehl am Platz“. Die BSR kommt bei Wind, Wetter und Corona! Wie Corona die Arbeit von Altenpflegerin Elke G. verändert. Auch bei der BVG läuft nicht alles wie sonst: Wie Busfahrer Sener Piskin mit der Angst vor Corona umgeht. Und die Taxifahrer und Taxifahrerinnen müssen gar um ihre Existenz kämpfen. Warum Sonja trotz Corona mit ihrem Taxi in Berlin unterwegs ist.