Politik

„Deutsche Wohnen & Co. enteignen“: Was ist der aktuelle Stand?

Im September 2021 haben 57,6 Prozent der wahlberechtigten Berliner:innen für die Enteignung großer Wohnungskonzerne gestimmt. Ein großer Erfolg der Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Aber auch knapp zwei Jahre später sind noch keine Wohnungen in die kommunale Hand übergegangen. Und mit der neuen CDU-geführten Regierung wird dieses Ziel wahrscheinlich in noch weitere Ferne rücken. Wir haben mit Bana Mahmood, der Pressesprecherin der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, über den aktuellen Stand der Kampagne und die nächsten Schritte geredet.

Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sieht mit der CDU-Regierung dunkle Zeiten auf sich zukommen. Foto: Imago/Ipon

„Uns war von Anfang an klar, dass die Kommission eine Verschleppungstaktik ist“

tipBerlin Was ändert sich für euch mit dem Regierungswechsel in Berlin?

Bana Mahmood Es ändert sich einiges. In der rot-rot-grünen Regierung hatten wir Unterstützung durch Teile der Grünen, der Linken und Teilen der SPD-Basis. Mit der CDU haben wir jetzt aber einen Gegner, der enteignungsunwilliger ist als die SPD. Das haben sie schon mehrere Male gesagt. Rot-Rot-Grün hatte nicht die Macht, den Entscheid umzusetzen, und die Groko will den Entscheid nicht umsetzen.

tipBerlin Seit letztem Jahr gibt es eine Expertenkommission, die vom Berliner Senat eingesetzt wurde und über die Verfassungskonformität der Vergesellschaftung großer Wohnkonzerne beraten soll. Wenn mit der Regierung keine Enteignung zu machen ist, hat die Kommission dann überhaupt eine Funktion?

Bana Mahmood Uns war von Anfang an klar, dass die Kommission eine Verschleppungstaktik ist. Letztendlich sind wir nur eingetreten, weil wir nicht wussten, wie wir den Menschen in Berlin, die uns ihre Stimme gegeben haben, ein Nicht-Eintreten hätten erklären können. Auf der anderen Seite ist es aber auch gut, ein juristisches Schriftstück zu haben, in dem beispielsweise die Debatten über die Entschädigungshöhe festgehalten sind. Und in dem steht, dass Enteignung rechtlich möglich ist. Etwas, das auch schon im Zwischenbericht nachzulesen ist.

tipBerlin Was würde es für euch bedeuten, wenn sich die Kommission für die Enteignung ausspricht?

Bana Mahmood Es wäre eine stabile Grundlage für die gesellschaftliche Debatte, die im Anschluss ansteht. Nach der Veröffentlichung wird es um die Deutungshoheit über dieses Schriftstück gehen, wie also dieser Stadt über dieses Votum diskutiert wird. Wir wollen von Anfang an mitreden, um die Deutungshoheit zu behalten. Am Ende ist das aber auch juristisches Klein-Klein. Dieser Bericht interessiert die Mietenden nicht. Wir wissen das, weil wir wieder vermehr mit den Leuten in Kontakt treten. Vor allem in Pankow, wo wieder 1000 Wohnungen aus der Sozialbindung rausfallen, also in den freien Markt gegeben werden. Die Menschen freuen sich, wenn wir an die Tür kommen und fragen uns, wo wir gewesen sind. Das ist das Wichtige.

Die Pressesprechrin von DWE Bana Mahmood ist 2021 zur Kampagne gestoßen. Foto: Bana Mahmood

tipBerlin Die SPD plant nun das sogenannte Vergesellschaftungsrahmengesetz. Was haltet ihr davon?  

Bana Mahmood Die SPD hat vor einem Jahr gesagt, dass sie das Ergebnis der Expertenkommission respektieren und dann schauen wird, wie sie die Umsetzung machen können. Und ihr Vorschlag ist nun jenes Rahmengesetzt zur Vergesellschaftung. Wir wissen nicht genau, was drin stehen wird. Juristisch klingt es zwar nach einem Fortschritt, unsere Jurist:innen gehen aber davon aus, dass es billiges Gewäsch ist. Und mit der neuen Regierung wird das Gesetz sowieso keine Chance haben. Auch wenn die SPD das Gesetz in den Senat bringt, wird die CDU dagegen klagen. Davon ist zumindest auszugehen, denn es ist die gleiche CDU, mit den gleichen Menschen, die 2015 schon gegen den Mietendeckel geklagt haben. Die Enteignung wird unter dieser Koalition wahrscheinlich einfach nicht stattfinden.

tipBerlin Anscheinend lenkt die Regierung dennoch ein. In der Groko gibt es Pläne, viele Wohnungen zurückzukaufen.

Bana Mahmood Ob die Miete sinkt, wenn die Regierung Schrottwohnungen zurückkauft, würde ich in Frage stellen. Wir haben gesehen, dass der Senat kurz vor der Wahl 2021 auch Wohnungen zurückgekauft hat, bei denen sich herausgestellt hat, dass das die letzten Schrottimmobilien waren. Teilweise mit Asbest verseucht. Dazu kommt, dass sich Vonovia in einer so schlechten Lage befindet, dass dieses Unternehmen immer noch Gewinn machen würde, wenn die Stadt die Wohnungen zurückkauft. Ich wäre sehr vorsichtig damit, zu sagen, dass die Mieter:innen einen Vorteil aus den Rückkäufen ziehen würden.

tipBerlin Was wird die CDU machen, wenn die Fragen aus der Bevölkerung lauter werden, was denn nun mit dem Volksentscheid ist?

„Was wichtiger ist, ist der Kontoauszug am Ende des Monats“

Bana Mahmood Ich glaube, der Rückkauf wird deren Haupttaktik. Das wird sich kurzfristig wie eine Verbesserung anfühlen und den Diskurs zu gunsten der Regierung beeinflussen. Aber funktionieren wird das nicht. Denn meiner Erfahrung nach verfolgen die Menschen den Diskurs in den Zeitungen gar nicht so sehr. Was wichtiger ist, ist schlicht und ergreifend der Kontoauszug am Ende des Monats. Das ist das, was die Leute interessiert. Und wenn der Kontoauszug nach und nach länger wird und der Kontostand schrumpft, ist die CDU dafür verantwortlich. Weil sie keine Lösungen angeboten hat.

tipBerlin Ihr wollt diese Lösung anbieten. Wie steht es denn aber gerade um eure Kampagne?

Bana Mahmood Wir waren vor dem Volksentscheid sehr groß, die Grenze zwischen Stadtbevölkerung und Kampagne war fließend. Jeder, der irgendwo mal Stimmen gesammelt hat, war Teil davon. Wir sind zwar jetzt kleiner, das Interesse ist aber immer noch groß. Das kann der Schüler sein, der seine Facharbeit schreibt und uns als Expert:innen braucht, bis hin zum „Tagesspiegel“ und der „taz“. Auch die großen Podien laden uns immer wieder als Expert:innen ein. Wir wissen mittlerweile eben mehr über den Mietenmarkt als Frau Giffey.

„Berlin braucht die Enteignung heute mehr als vor zwei Jahren“

tipBerlin Was würde passieren, wenn ihr noch mal einen Volksentscheid starten würdet?

Bana Mahmood Das wird natürlich diskutiert und ich blicke da auch sehr wohlwollend drauf. Das ist aber etwas, das die Struktur entscheiden muss. Falls es soweit kommt werden wir aus einem immensen Erfahrungsschatz schöpfen und auch Lücken, die wir vorher in unserer Organisation hatten, schließen. Das Leid der Leute ist ja nicht weniger geworden. Berlin braucht die Enteignung heute mehr als vor zwei Jahren.

Die Kampagne will sich stärker in der Stadtbevölkerung verankern. Imago/Mike Schmidt

tipBerlin Könnte man nicht auch sagen, dass die Kampagne gut gelaufen ist, weil ihr das Wort „Enteignung“ wieder salonfähig gemacht habt und man sich damit zufrieden geben könnte?

Bana Mahmood Unsere bisher größte Leistung ist tatsächlich, dass wir das Wort Enteignung aus der Schmuddelecke geholt haben. Sogar konservative Blätter sprechen jetzt darüber. Wir geben uns damit aber nicht zufrieden. Mein Spruch ist immer: Wir sind gekommen, um zu enteignen und wir bleiben, bis enteignet ist. Das hat die ie Politik hat auch gemerkt: Wir waren wie Wadenbeißer immer da, wenn Frau Giffey auf der Bühne saß. Wir haben Fragen gestellt und haben die Leute mit Flyern informiert.

tipBerlin Eure Kampagne war ja wesentlich auf den Mieterinitiativen aufgebaut. Wie sieht es da gerade aus?

Bana Mahmood Die Initiativen sind immer noch da. In der Weberwiese in Friedrichshain sollten gerade erst 500 Wohnungen verkauft werden, wogegen sich die Initiative „Weberwiese – Milieu sind wir!“ gewehrt hat. Wir haben dabei eng zusammengearbeitet. Das sind natürlich nur kleine Erfolge und es wird Teil unserer Arbeit in der Zukunft sein, diesen Organisationsgrad wiederherzustellen.

tipBerlin Wie geht ihr konkret vor, um den Organisierungsgrad zu erhöhen?

Bana Mahmood In der ersten Organisationsrunde 2019–2021 ging es vor allem um die Mobilisierung für die Wahl. Wir haben Haustürgespräche geführt, haben Flyer in mehreren Sprachen gedruckt und sind bewusst auf alle Menschen zugegangen. Wir haben dann aber gemerkt, dass Mobilisierung nur für eine Wahl nicht das gleiche wie eine nachhaltige Organisierung der Mieter:innen ist. In der jetzigen zweiten Runde geht es deshalb um Community-Organizing. Also Nachbarn und Communitys zusammenzubringen, damit sie langfristig auch in der von uns vorgeschlagenen Anstalt öffentlichen Rechts zusammenarbeiten können, die die enteigneten Wohnungen verwalten soll. Außerdem probieren wir derzeit vor allem auf die migrantischen Communitys zuzugehen. Die Initiative „Kotti und Co.“ ist mit gutem Beispiel voran gegangen. Sie ist mittlerweile zu einer Instanz in der türkischen Community in Kreuzberg geworden. Wir wissen aber zum Beispiel nicht, wo die türkische Community in Charlottenburg ist. Da wollen wir nachjustieren.

Generell denken wir: Es muss auch für Menschen, die gar keine Lust haben, sich politisch zu organisieren, Räume geben, in denen Austausch stattfinden kann. Wir sind gerade dran, diese Räume mitzugestalten und für diese Leute zu schaffen.

tipBerlin Ihr arbeitet selbst an einem Vergesellschaftungsgesetz, das ihr in den Senat einbringen wollt. Wie weit ist das denn?

Bana Mahmood Das wird noch dauern. Es muss hieb- und stichfest sein, weil es am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird. Wir werden dabei aber von vielen Expert:innen gut unterstützt und ich glaube, dass auch bei den progressiven Kräften in der juristischen Welt das Interesse da ist, an solchen Prozessen mitzuarbeiten. Wir halten gerade Ausschau, mit wem wir für dieses Gesetz zusammenarbeiten wollen.


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