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Martin Sonneborn (Die PARTEI) im Interview: „Mit etwas Glück knacken wir die Fünf-Prozent-Hürde!“

Martin Sonneborn ist vermutlich der lustigste Politiker Deutschlands, dabei meint es der ehemalige Herausgeber des Satiremagazins „Titanic“, Mitglied des Europäischen Parlaments und Die-PARTEI-Vorsitzende ziemlich ernst. Wir sprachen mit Sonneborn über Stress im Wahlkampf, politische Verantwortung, dubiose PR-Kampagnen, seinen politischen Mitstreiter Nico Semsrott und die Frage, was er an seinem ersten Amtstag als Bundeskanzler tun würde. Spoiler: Mehrere Menschen ohrfeigen.

Martin Sonneborn (Die PARTEI) vor dem Reichstag. Foto: Imago/Bernd Elmenthaler

tipBerlin Herr Sonneborn, wie sieht gerade Ihr Alltag aus: Wahlkampfstress total?

Martin Sonneborn Nein, wir beginnen traditionell eine Woche vor der Wahl. Leider ist in diesem Jahr das Sommerloch ausgefallen. Wir wollten die Information im Umlauf bringen, dass Olaf Schloz, Pardon: Scholz, angeblich Sozialdemokrat, Menschenleben auf dem Gewissen hat. Er hat in Hamburg bei Dealern das zwangsweise Einführen von Brechmitteln eingeführt, und ein Mann ist daran gestorben. Deutschland wurde deswegen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, gegen das Folterverbot verstoßen zu haben.

tipBerlin Eine Woche Wahlkampf ist vielleicht etwas zu wenig. Ihre Umfragewerte sind nicht überzeugend, „Sonstige“ bei etwa sechs Prozent und irgendwo dort Sie. Wie steht es wirklich um Die PARTEI?

Martin Sonneborn Bundesweit recht schlecht. Ich denke, wir liegen bei etwa zwei Prozent. In Berlin viel besser. Die Meinungsforscher von Wahlkreisprognose haben uns drei Monate mitlaufen lassen: 4,5 bis 6 Prozent. Mit etwas Glück knacken wir die Fünf-Prozent-Hürde!

Junge Frauen an der Spitze der Liste, alte weiße Männer dahinter

tipBerlin Wären Sie in diesem Fall bereit, politische Verantwortung zu übernehmen?

Martin Sonneborn Ja, tatsächlich. Wir wollen tun, was wir auch in Brüssel zu leisten versuchen: unterhaltsame Kritik, Unterstützung humanistischer, linker Politik und plumpe Witze auf Kosten der korrupten Union. Und der (verfickten) AfD. Ich habe ein Dutzend der besten PARTEI-Köpfe zusammengerufen. Junge Frauen an der Spitze der Liste, alte weiße Männer dahinter. Ich stehe auf Listenplatz sechs. Wenn es gut läuft, ziehen wir mit zehn oder zwölf Leuten ins Abgeordnetenhaus und krempeln den Laden um.

tipBerlin Wie würde das „Umkrempeln“ aussehen? In Ihrem Programm fordern Sie unter anderem die Bierpreisbremse, Wirecard für alle, ein Existenzmaximum und Genderpflicht. Böse Stimmen unterstellen der PARTEI, die wirklich wichtigen Themen, die die Gesellschaft bewegen, zu übergehen. Renten, Gesundheitssystem, Bildungsnotstand und so weiter.

Martin Sonneborn Im Gegenteil. Wir fordern „Rente bis 85!“, wollen ein entökonomisiertes Gesundheitssystem und die 53.000.000.000,00 Euro, die jährlich in sinnlose Rüstung gehen, in die Bildung stecken. Im Gegensatz zu den unseriösen Kollegen von FDP, AfD und Union sind alle Sachen bei uns gegenfinanziert, auch die Einführung des Existenzmaximums. Sie glauben gar nicht, wie viel Geld es umzuverteilen gibt, wenn man bei zehn Millionen Euro eine Höchstgrenze für Privatvermögen einführt.

tipBerlin Das wäre ein ziemlich radikaler Systemwechsel. Als einstiger Chefredakteur und jetzt Mitherausgeber der „Titanic“ ist die Satire Ihre schärfste Waffe, Sie haben sogar Ihre Magisterarbeit über die „Wirkungsmöglichkeiten von Satire“ verfasst. Sind Die PARTEI und Ihre Laufbahn ein Beweis für eben diese Wirkungsmöglichkeit auf der politischen Bühne?

Martin Sonneborn Leider. Ich habe meine Magisterarbeit aus Versehen komplett widerlegt. Macht aber nix, sie war eh plump gefälscht.

Für 850.000 Euro über die fünf Prozent

tipBerlin Spielen Sie auf Franziska Giffey an und ihren Doktortitel? Sie fordern schließlich auch „Keine Doktorspiele“ auf einem Wahlplakat der PARTEI. Wer denkt sich die Slogans aus, Sie und Ihr Team oder eine teuer bezahlte Kommunikationsagentur, so wie es die BVG macht, deren Kampagnen teilweise auch recht lustig sind?

Martin Sonneborn Wir hatten tatsächlich ein Angebot einer PR-Agentur aus London, vormalige Cambridge-Analytica-Leute, die uns für 850.000 Euro über die fünf Prozent bringen wollten. Beim „Spiegel“ kann man die Geschichte nachlesen. Allerdings müssten wir uns als AfD-light positionieren, und das wäre kein Spaß mehr. Nein, die über 55.000 Mitglieder haben natürlich einen enormen Ausstoß. Außerdem dürfen wir auch Motive aus dem Zentralorgan „Titanic“ nutzen.

Die PARTEI-Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019: Martin Sonneborn und Nico Semsrott. Foto: Imago/
Jochen Eckel

tipBerlin Wie geht es eigentlich Ihrem Kollegen und Mitstreiter im Europäischen Parlament, dem Satiriker, Slam-Poeten und Politiker Nico Semsrott. Haben Sie ihm verziehen, dass er zu den Grünen übergetreten ist?

Martin Sonneborn Nico ist ja im EU-Parlament schon früher in die Fraktion der Grünen gegangen, er wollte verhindern, dass eine rechte Fraktion kopfstärker wird. Aber ich trage ihm nichts nach. 

tipBerlin Wären die Grünen nach dem gesungenen Wahlspot Ein schöner Land überhaupt noch ein möglicher Koalitionspartner für Die PARTEI?

Martin Sonneborn Smiley! Waren sie auch vorher nicht. Die Grünen setzen auf Wachstum und Aufrüstung, neuerdings auf die Beschaffung von milliardenschweren Kampfflugzeugen, die auch taktische Atomwaffen transportieren können. Sie haben sich in den 40 Jahren ihres Bestehens schon von zwei ihrer drei Ideale verabschiedet: Basisdemokratie und Frieden. Das ist mir suspekt.

Scheuer ohrfeigen, Spahn ohrfeigen, Klöckner ohrfeigen

tipBerlin Was würde ein hypothetischer Bundeskanzler Martin Sonneborn an seinem ersten Tag im Amt veranlassen?

Martin Sonneborn Scheuer ohrfeigen, Spahn ohrfeigen, Klöckner ohrfeigen. Sofort nach der Vereidigung, da werden sie sich kaum wehren.

tipBerlin Zur CDU haben Sie ein besonderes Verhältnis, auch Altkanzler Helmut Kohl war Ihnen als Mensch und Politiker nicht besonders sympathisch, das ist bekannt, aber werden Sie Angela Merkel vermissen?

Martin Sonneborn Nein, ich habe mich im Plenum in Straßburg gebührend von ihr verabschiedet – und sie gebeten, uns das Land besenrein zu hinterlassen. Hat die Alte natürlich nicht getan, ist ja alles durcheinander.


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