Kommentar

Shopping mit Test in Berlin ein Flop: So wird das nichts

Berlin will weiter aufmachen, zumindest ein bisschen, wenigstens die Restaurants in Mitte. Und auch Shopping soll gehen, die Geschäfte, die sollen bitte offen bleiben, natürlich sollen sie das. Unser Regierender Bürgermeister Michael Müller gab sich ja fast entsetzt, als er gefragt wurde, ob man sich an den Plan der Ministerpräsidentenkonferenz halten wolle, der er ja sogar vorsitzt. Nein, man könne doch jetzt doch nicht wieder zurückgehen in Sachen Lockdown, sagte er, als die Inzidenz dann doch plötzlich so hoch war, wie die Wissenschaft vorhergesagt hatte (Überraschung). Wer derzeit in Berlin shoppen geht, merkt aber: Es ist sowieso egal, ob offen ist oder nicht.

Anstehen für den Einlass: Vielen Menschen in Berlin ist das ganze Shopping-Prozedere zu aufwendig. Vor allem die kleinen Geschäfte sind leer, die großen Häuser nur selten ausgebucht. Foto: Imago/Joko
Anstehen für den Einlass: Vielen Menschen in Berlin ist das ganze Shopping-Prozedere zu aufwendig. Vor allem die kleinen Geschäfte sind leer, die großen Häuser nur selten ausgebucht. Foto: Imago/Joko

Läden geöffnet – aber wegen der Regeln ist das fast egal

Wer derzeit in der Hauptstadt einkaufen will, braucht, ausgenommen von den Geschäften des täglichen Bedarfs, also zum Beispiel Supermärkte oder Apotheken, einen negativen Schnelltest, um reinzukommen. Und in aller Regel dann auch noch einen Termin.

Das sind Hürden, die viele Menschen offenbar nicht zu nehmen bereit sind. Wer beispielsweise beim Möbelgiganten Ikea vor der Testpflicht einen Termin wollte, brauchte Glück – besonders das Wochenende war bei den Berliner Filialen sofort ausgebucht. Seitdem ein negatives Ergebnis verpflichtend ist, kann auch Donnerstag noch nach Herzenslaune jeder Zeitslot für Samstag gebucht werden – nur um 14 Uhr gab es „wenig“ verfügbare Plätze. Bei Ikea! Man mag von der Firma halten, was man will, unbestreitbar ist sie ein Kaufkraftmagnet.

Test-Hürden wollen viele nur fürs Shopping nicht nehmen

Aber mehrheitlich sind selbst jene, deren Wochenendaktivitäten sonst um nichts als Shopping zirkulierten, abgeschreckt von dem Aufwand, den sie nun für ihr Vergnügen betreiben müssen. Nachvollziehbar: Wir sind in der dritten Welle, Corona ist und bleibt gefährlich, und für ein paar Kerzen und Bettwäsche muss man sich nicht zwingend aufmachen.

„In den ersten Tagen hatten wir eine Frequenz in den Geschäften zwischen zwei und zehn Prozent. Da können wir auch gleich zu machen“, hatte der Geschäftsführer des Handelsverband, Landesverband Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, der „BZ“ gesagt. Es würde nicht genug Testzentren geben, der Aufwand wäre den Menschen derzeit schlicht zu hoch.

Teilweise stehen Geschäftsleute lange allein im Laden

Ikea mag das verkraften, ärgerlich ist das für die kleinen Geschäfte und mittelgroßen Betriebe, die massiv unter dem Wegbleiben der Kundschaft leiden. Natürlich gibt es bereits die ersten Erlebnisse, bei denen Menschen einfach mal so schnell ins Geschäft gelassen wurden. Aber mehrheitlich halten sich Berlins Geschäftsleute an die Regeln – und stehen, so sie denn überhaupt öffnen – öfter lange Zeit allein im Laden herum.

Auch die Schlangen vor den Filialen der großen Modeketten sind seit Einführung der Testpflicht kürzer geworden. Wohl auch, weil die Schlangen vor den Schnelltest-Zentren weiterhin lang sind. Wer nicht gerade ein schlecht besuchtes Schnelltest-Center vor der Wohnung hat, wird sich kaum für nicht zwingend notwendige Einkäufe auf den Weg zum Test machen. Zumal auch nicht alle ideal organisiert sind. Manchmal stehen die Menschen draußen in der Schlange bedenklich nah beieinander. Manchmal auch drinnen. In jedem Fall ist mehr los als in den meisten Geschäften – was angesichts hochansteckender Mutanten auch mit Maske kein gutes Gefühl hinterlässt. Infiziert beim Test? Unwahrscheinlich, wahrscheinlich aber nicht ganz unmöglich.

Schlange vor Ikea Tempelhof im Dezember: Inzwischen hat der Andrang nachgelassen, die Testpflicht schreckt ab. Foto: Imago/Olaf Wagner
Schlange vor Ikea Tempelhof im Dezember: Inzwischen hat der Andrang nachgelassen, die Testpflicht schreckt ab. Foto: Imago/Olaf Wagner

Die leeren Geschäfte sind auch Ausdruck von Vernunft – leider

Eigentlich sind die leeren Geschäfte in diesem Kontext der Beweis, dass es doch noch Vernunft in der Bevölkerung gibt, so schlimm dies wiederum für die Umsatzzahlen der Ladenbetreibenden ist. Zumal ein negatives Testergebnis eine Momentaufnahme ist – und keine Garantie, dass alle, die damit herumrennen, auch wirklich virenfrei sind. Und ganz ehrlich: Dass die Testergebnisdokumente nicht einheitlich sind, nicht fälschungssicher, macht sie wenig vertrauenswürdig.

Was also tun? Die Modellprojekte in Tübingen und Saarland werden partiell gefeiert, stoßen zu großen Teilen aber auch auf Ablehnung. Berlin plant vergleichbares für die Gastronomie in Mitte – mit drei Apps, die den Besuch ermöglichen. Ein Aufwand dafür, dass man ausnahmsweise mal wieder draußen außer Haus essen darf.

Es hilft alles nichts. Zwischen Projektregionen, Versuchsmodellen und Testpflicht ist weiterhin kein goldener Weg zu erkennen. Die Bevölkerung ist müde, zu müde gar zum Einkaufen, auch wenn es irgendwie ginge. Bleibt die Impfung und die damit verbundene Hoffnung, dass irgendwas mal wieder einfach, unbeschwert, ohne Planung und spontan geht. Darauf sollte alle Energie gerichtet werden. Nicht auf irgendwelche Versuche und Tests, die am Ende einer ohnehin weniger gefährdeten Klientel ein paar Freiheiten einräumen, während die Masse weiter von Sicherheit träumt.


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