Kommentar

Sonderregelung zu Insolvenzen endet: Kommt jetzt die Pleitewelle?

Ob Kino oder Café: Unternehmen, die wegen der Corona-Einschränkungen straucheln, mussten bislang keine Insolvenz beantragen. Diese Sonderregel endet nun – womit die Existenz von Unternehmen auf dem Spiel steht, auch in Berlin.

Viele Unternehmen, nicht nur in der Gastronomie, stehen vor der schwersten Phase der Pandemie. Foto: Imago/Lichtgut

Unternehmen helfen? Bazooka ist nur eine Pfefferpistole

Die Bazooka ist nur eine Pfefferpistole, die klemmt. Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass SPD-Finanzminister Olaf Scholz die Leidtragenden der Pandemie mit großem Geschütz vor Absturz und Pleite bewahren wollte. In einer flammenden Rede im März 2020 hatte der „Scholzomat“ strauchelnden Firmen großzügige Hilfen versprochen. 

Von der Generosität sollten ökonomische Wackelkandidaten profitieren. Also Unternehmen, deren Leute wegen der Corona-Einschränkungen die Markisen einrollen mussten. Oder den Betrieb sogar ganz herunterfahren, je nach Infektionsgeschehen. Zum Beispiel die Hotels, Bars und Restaurants, die Lichtspielhäuser und Theater, der Veranstaltungszirkus, die Reisebranche. Jene Tummelplätze also, die dem Virus ein gedeihliches Klima zur Verbreitung boten. Berlin, die Partymetropole, das Touristen-Mekka, der famose Kultur-Ort, war dabei besonders vulnerabel.

Heute ist die Lage dieser Branchen oft prekärer denn je – denn die „Bazooka“-Rede war nur die Salve tösender Rhetorik. Ein Netz wurde aufgespannt, von Corona-Hilfspaketen bis hin zu Kurzarbeit, das bis heute porös ist. Viele Firmen balancieren seit Monaten über dem finanziellen Abgrund. 

Insolvenz-Sonderregelung bei Pleitefällen vorbei

Typisch für die Fahrlässigkeit, besonders der Bundesregierung, ist die neueste Entwicklung: Ab sofort endet die Aussetzung der Pflicht, in Pleitefällen die Insolvenz zu beantragen – eine Sonderreglung, die wegen der Corona-Pandemie erlassen worden war, mit Gültigkeit bis zum 30. April diesen Jahres.

Dieses Moratorium war eine Erleichterung für lädierte Unternehmen, die tief in rote Zahlen zu rutschen drohten. Keine juristischen Hängepartien, kein Offenbarungseid – stattdessen, immerhin, ein Lichtblick: Hurra, unser Eintrag im Handelsregister ist ungetrübt! 

Ein Kulanz-Goodie, das die Bundesregierung hätte verlängern können. Stattdessen läuft es nun aus. Das ist zumindest aktuell der Stand der Dinge. 

Dabei sollte die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht die Volkswirtschaft vor einer Pleitewelle schützen – und Unternehmer:innen vor schlaflosen Nächten. Denn das Insolvenzrecht kennt kein Pardon. Spätestens drei Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrunds muss Insolvenz gestellt werden. Unternehmer:innen, die dabei bummeln oder auf die lange Bank schieben, machen sich strafbar. Womöglich ermitteln Finanzbeamte dann wegen Insolvenzverschleppung.

Getroffen sind die, die bei der Eindämmung helfen (mussten)

Die politische Tatenlosigkeit ist ein Abtörner. Denn Unternehmen im Lockdown haben tagein und tagaus zur Eindämmung des Corona-Virus beigetragen. Die Kulturstätten mit ihren abgedunkelten Sälen; die Gasthäuser, deren Betten häufig unberührt geblieben sind; die Fachgeschäfte, ob Plattenladen oder Modeboutique, in deren Kassen keine Münzen mehr klingeln. Während die Produktionsstraßen der Autofabriken und die Schlachtbänke der Fleisch-Betriebe auf Hochtouren liefen, haben diese Player sich um abflachende Infektionskurven bemüht.

Arbeitsminister Olaf Scholz: Die versprochene Bazooka hat eher den Effekt einer Pfefferpistole, Unternehmen müssen wieder heftige Angst vor der Insolvenz haben. Foto: Imago/Photothek

Es könnte sein, dass nun viele Firmen in die Bredouille geraten. Denn gleichzeitig stocken vielerorts die Zahlungen aus des Corona-Hilfen. Der Handelsverband Deutschland (HDE) etwa vermeldete jüngst Daten aus einer Mitgliederumfrage, wonach 68 Prozent der antragsberechtigten Einzelhandelsunternehmen noch auf Auszahlungen von Staatshilfen warten. Hinzu kommt, dass noch die Antragsfrist für die Überbrückungshilfe III läuft. Womit die letzten Geldreserven austrocknen könnten. Und das Damoklesschwert des Insolvenz über dem Mittelstand schwebt. 

Wenn die „Bazooka“ mehr gewesen sein sollte als die Worthülse einer Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede, muss die Bundesregierung handeln. Und die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängern. Sonst dürfen sich Merkel, Scholz & Co. nicht wundern. Darüber nämlich, dass immer mehr Menschen meinen, dass der GroKo die Industrie-Giganten der Deutschland AG wichtiger sind als Lebenselixiere nebenan. 


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