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Wiedereröffnungen

Erste Corona-Lockerungen in der Kultur: Galerien in Berlin öffnen vorsichtig

Nachdem der Senat erste Corona-Lockerungen beschlossen hat, tut sich auch was in der Berliner Kultur: Da der Einzelhandel den Betrieb wieder aufnehmen darf, können auch die Berliner Galerien ihre Türen öffnen. Es sind wieder Ausstellungen zu sehen! Viele Kunsthändler müssen aber umdenken: Verschiebungen, Verlängerungen, Mundschutz und Desinfektionsmittel bestimmen die Branche.

Philipp Modersohn: „hustle in a hot house (O2)“, 2020. Sand, Kieselsteine, Steine, Asilikos, Epoxidharz, Stahl 58x46x52cm. Courtesy the artist & Galerie Guido W. Baudach Foto: Roman März

Normal ist nichts: Mit Einweghandschuhen und Maske können Ausstellungsbesucher jetzt rasch ins Schwitzen geraten. Galerist Guido W. Baudach in Tiergarten hat darum gebeten, welche zu tragen. An der Tür steht zudem Handdesinfektionsmittel bereit.

Seit Mittwoch, den 22. April, öffnen in Berlin auch Galerist*innen wieder ihre Räume. Kommerzielle Galerien zählen zum Einzelhandel. Auch ihre Inhaber*innen müssen die Hygiene- und Abstandsregeln der aktuellen Corona-Verordnung einhalten. Bei Baudach hat das einen unerwarteten Effekt.  

Volle Aufmerksamkeit 

Baudach zeigt Arbeiten von Philipp Modersohn. Der Berliner Künstler visualisiert Erdgeschichte und den Treibhauseffekt, in Objekten, einer Rauminstallation und einem Film. Das Video mit barocker Cembalomusik und animierten 3D-Modellen von Fossilien hat sich online zuhause hören lassen. Modersohns Rauminstallation und Wandobjekte dagegen lassen sich nur vor Ort erfassen – mit Details wie Kieselsteinen und der Temperatur in dem Treibhaus, das Modersohn aus Kunststoff gebaut hat. Vor allem die Handschuhe sorgen für Wachsamkeit: Auch wer gar nichts anfassen will, schaut ohne Tastsinn unwillkürlich genauer hin. So fallen die Körnchen feinen Quarzsandes auf dem Dach des Treibhauses bestechend klar ins Auge.

Trotz Corona-Lockerungen muss sich die Berliner Kultur neu orientieren.

Dem Besuch bei Baudach ist eine telefonische Verabredung vorausgegangen. In dieser ersten Phase von Lockerungen der Kontaktsperre empfiehlt sich das. Ausstellungsdaten im Netz sind veraltet, vergebliche Wege während der Pandemie jedoch tunlichst zu vermeiden. Noch planen viele Galerist*innen ihr Programm neu. Ausstellungen werden verschoben wie die von Marcius Galan bei Gregor Podnar oder die von Rebecca Horn bei Thomas Schulte, laufende Präsentationen dagegen verlängert wie bei Barbara Wien.

Georges Adéagbo “L‘Abécédaire de Georges Adéagbo: la civilisation parlant et faisant voir la culture“..!, 2020. Foto: Galerie Barbara Wien

Hier stehen die Installationen von Georges Adéagbo nun bis zum 1. August. Der Künstler aus Benin hat drei große Arrangements aufgebaut: Aus Büchern, Zeitungen, Schallplatten, Masken, Kleidern, Postkarten, Holzplastiken. Sie verhandeln Kulturaustausch und die Repräsentation von Macht, etwa am Beispiel des Berliner Humboldt-Forums. Auch die Coronakrise ist Thema. Als Adéagbo Anfang des Jahres in Paris begann, das Material zusammenzutragen, kam die Pandemie dort gerade an.

Platte statt Performance 

Verlängert hat auch Werner Müller von der Schöneberger Galerie Zwinger, voraussichtlich bis Mitte Juli. Bei ihm stellt Käthe Kruse aus, Mitglied der ehemaligen Berliner Künstler-Band Tödliche Doris. Zu Kruses Ausstellung gehört ein zweiter Teil, den der Kunstverein Tiergarten in Moabit zeigt. Er kann im Mai, wenn auch die Museen öffnen, wieder zugänglich werden.

Käthe Kruse hat Schlagzeilen aus Zeitungen zusammengetragen, Mitte der 2010er-Jahre, Tag für Tag. Auf Blättern weißen Papiers sind die Überschriften wie Gedichtzeilen angeordnet. Einem doppelreihigen Fries ähnlich ziehen sich die gerahmten Blätter durch die ganze Galerie. Aus diesen Zeilen hat Kruse Schlagworte herausgesucht und nach Anfangsbuchstaben sortiert.

Die Vokabel-Sammlung wollte sie ursprünglich live lesen, begleitet von der Pianistin Myriam El Haik und der Schlagzeugerin Edda Kurse Rosst. Daraus wird vorerst nichts. Die online-Aufführung ist noch in Vorbereitung. Doch eine Komposition für Klavier, Percussion und Kruses Fundworten findet sich auf Vinyl gepresst. Auf Wunsch legt Werner Müller die LP auf einen Plattenspieler: So hört sich die Herzschlag beschleunigende Poesie der Nachrichtengesellschaft an. Großartig.

Philipp Mendelssohn: verlängert bis 30. Mai, Galerie Guido W. Baudach, Pohlstr. 67, Tiergarten, Di bis Sa 11-18 Uhr, Kontakt: www.guidowbaudach.com 

Georges Adéagbo: verlängert bis 1. August: Galerie Barbara Wien, Schöneberger Ufer 65, Tiergarten, Di-Fr 13-18, Sa 12-18 Uhr, Kontakt: www.barbarawien.de 

Käthe Kruse: verlängert bis voraus. 11 . Juli:  Galerie Zwinger, Mansteinstr. 5, Schöneberg, Di-Sa 12-18 Uhr, Kontakt: www.zwinger-galerie.de 


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