Crowdfunding-Kampagne

Brauerei Schneeeule: Rettet die Berliner-Weiße-Retterin!

Ulrike Genz ist die Archäologin der Berliner Trinkkultur. Und sie macht verdammt gutes Bier. Eine Crowdfunding-Kampagne soll nun ihre Brauerei Schneeeule sichern, mit der sie sich um die Rettung der Berliner Weiße verdient gemacht hat – den „Champagner des Nordens“, wie das Getränk einst genannt wurde.

Bier mit Charakter: Brauerin Ulrike Genz im Schneeeule Salon. Foto: Clemens Niedenthal

Berliner Weiße ist authentische Berliner Genusskultur

Was ist authentische Berliner Genusskultur? Die Currywurst, aber kommt die nicht aus Bochum? Königsberger Klopse? Das passt schon dem Namen nach nicht. Döner Kebab? Das gefüllte Fladenbrot immerhin soll sich ein Imbissbudenbesitzer am Bahnhof Zoo ausgedacht haben. Aber das ist gerade mal gut 50 Jahre her.

Die Berliner Weiße ist Berliner Genusskultur. Und als solche seit 2014 in die Arche des Geschmacks aufgenommen, in der Slow Food besondere lokale – und besonders bedrohte – Lebensmittel notiert.

Die Weiße war mehr als bedroht, sie war bereits verschwunden.  Wenngleich einige Industriebiere noch immer ihren Namen trugen.  Mit der doppelt vergorenen Weiße, dem Berliner Sauerbier, hatten die aber nichts gemein.

Ulrike Genz und ihre Brauerei Schneeeule haben die Berliner Weiße wieder zum Thema gemacht

In den 2010er-Jahren erst rekonstruierten einige Bierenthusiast:innen die für die Weiße typischen Brettanomyces-Hefen aus alten Willner-Flaschen, das war die Ost-Berliner Weiße-Brauerei. Langsam wurde das leichte Sauerbier in der Craftbeer-Community wieder zum Thema, und darüber hinaus.

Was auch und vor allem an Ulrike Genz und ihrer Brauerei Schneeeule gelegen hat. Im Nobelhart & Schmutzig etwa, Berlins brutal lokalstem Restaurant, gehört die Marlene-Weiße von Schneeeule zur festen Menü-Begleitung. Auch in Kopenhagen oder Tokyo schätzt man das Bier aus Tegel. Und damit beginnt das Problem.

„Vor dem Ukrainekrieg hat eine Palette Bier nach Kopenhagen 100 Euro gekostet, heute sind es 250“, erzählt Ulrike Genz bei einer Weiße an der Theke ihres Schneeeule Salons in Wedding. 

In der Bierbar wird ausgeschenkt, was sie im ehemaligen Frauen-WC der Borsigwerke in Tegel braut. Die Räume galten als schwer vermietbar und Genz hat viel investiert, zuletzt in eine gebrauchte Flaschenabfüllanlage. Nun kam der Vermieter, der Immobilienentwickler Sirius, mit kaum nachvollziehbaren Nebenkosten um die Ecke. Unter anderem mit Heizkostenaufschlägen für Räume, die gar keine Heizung haben. 

Was also machen? Die Schneeeule auf das Niveau eine Hobbys herunterpegeln? Oder Geld in die Hand nehmen und ein Projekt retten, das mehr ist als nur eine Brauerei. Es ist ein Archiv einer radikal lokalen Trinkkultur. Eine Crowdfunding-Kampagne soll nun Umzug und Neustart ermöglichen.

Berliner Weiße: Champagner des Nordens

Aber zur Klärung: Berliner Weiße. Ist das nicht die mit dem Schuss? Jein. Beziehungsweise zunächst einmal gar nicht.  Stattdessen kann man die Berliner Weiße als einen wilderen, weniger domestizierten Braustil bezeichnen. Schuld daran sind die verwegen gärenden Brettanomyces-Hefen, wie sie etwa auch für belgische Sauerbiere, Geuze, stilprägend sind. Die Weiße gärt also zweifach. Nach der alkoholischen Gärung folgt eine weitere mit Milchsäurebakterien und Hefen, die auch für die typische milchig-gelbe Färbung sorgt.

Meine Weiße hat 3,5 Prozent. So gesehen ist es das bessere Radler, weil die Weiße keinen Zucker enthält, und Zucker konsumieren wir eh alle viel zu viel. Die Weiße ist, wenn man das heutzutage sagen darf, das gesündeste Bier der Welt.

Ulrike Genz, Schneeeule Brauerei

Ulrike Genz fasst die Vorzüge des Altberliner Braustils folgendermaßen zusammen: „Die Weiße hat lebendige Milschsäurebakterien, sie hat lebendige Hefen. Sie hat, okay, einen leichten Alkoholgehalt, meine Weiße hat 3,5 Prozent. So gesehen ist es das bessere Radler, weil die Weiße keinen Zucker enthält, und Zucker konsumieren wir eh alle viel zu viel. Die Weiße ist, wenn man das heutzutage sagen darf, das gesündeste Bier der Welt.“

„Marlene“, so heißt eine Berliner Weiße aus der Schneeeule Brauerei. Foto: Clemens Niedenthal

Weil Berlin eine Stadt ist, die immer von Migrationsbewegungen geprägt worden ist, liegt es nahe, dass die Hugenotten ihre Finger im Spiel hatten. Die wilden Hefen, die lange Reifung, das Nachreifen in der Flasche: Vieles an der Weiße erinnert  mehr an Wein als ans Bier. „Champagner des Nordens“ wurde dieses Bier deshalb im späten 19. Jahrhundert auch genannt. Es entwickelten sich  besondere Rituale. So wurden Flaschen etwa zur Geburt eines Kindes im Keller vergraben, um dann am 18. Geburtstag gemeinsam getrunken zu werden. Mit einem gewöhnlichen Industriebier macht man das besser nicht nach.

Ulrike Genz mag solche Geschichten. Und erzählt sie gerne am Tresen ihres Schneeeule Salons, weshalb ein erkenntnisdurstiger Abend in der Ofener Straße in Wedding also unbedingt empfohlen sei.

Ach ja, wie kam es aber nun zur Berliner Weiße mit Schuss? Als sich um 1900 das süffige Helle nach Pilsener Brauart endgültig durchgesetzt hatte, griffen die wenigen verbliebenen Weiße-Brauereien zu einem Trick, um ihrem Produkt die zunehmend verkaufsschädigende Säure zu nehmen: Fruchtsirup, Waldmeister oder Himbeere, kam mit in den Kelch. 

Ulrike Genz mag keinen Sirup. Sie braut lieber gleich mit Früchten, noch lieber aber mit Kräutern und Blüten. Probiert etwa die Yasmin-Weiße, gebraut mit … genau!

  • Schneeeule Salon Ofener Str. 1, Wedding, Do+Fr 18–0 Uhr, Sa 15–0 Uhr, So 15–22 Uhr, alle Einzelheiten zur Crowfunding-Kampagne hier

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