Essen & Trinken

MXPSM: Hier wird Berlins feinster Alkohol hergestellt

Der Biologe Max Delbrück, die rauschhaften 1920er-Jahre und Mambe Halb und Halb: Berliner Genussgeschichte war immer Likörgeschichte. Jetzt wird sie fortgeschrieben: Die Preussische Spirituosenmanufaktur und das Michelberger Hotel haben sich an einem historischen Ort zusammengetan, um Spirituosen herzustellen. MXPSM heißt die neue Unternehmung. Zum Neustart haben wir das Labor besucht.

Bei MXPSM wird Schnaps hergestellt: Die Preussische Spirituosenmanufaktur und das Michelberger Hotel haben sich dafür zusammengetan. Foto: MXPSM/Alexander Kilian

MXPSM: Rausch und Genuss in Berlin

Berlin, Ecke Seestraße. Dort, wo die Stadt einmal zu Ende war. Und noch heute der Volkspark Rehberge von der Sehnsucht nach der Natur erzählt, zumal im gänzlich verdichteten urbanen Raum, liegen die Ursprünge einer weiteren Sehnsuchtsmaschine.

Reden wir also vom Rausch. Oder doch lieber: vom Genuss und den olfaktorischen und gustatorischen Erfahrungen, die dem rauschhaften Zustand bestenfalls vorausgegangen sind. Für diese Erfahrung steht ein Gebäudeensemble in der Seestraße 13, Wedding. Gegründet wurde es einmal als „Versuchslikörfabrik am Institut für Gärungsgewerbe und Fermentationstechnik“. Aber das ist schon sehr lange her.

Hinab in den Drogenkeller

Also steigen wir, auch ganz physisch, mit Gerald Schroff in die Geschichte hinab. Im Untergeschoss, im sogenannten Drogenkeller, wo Tonkabohnen oder Kreuzkümmelkörner in mehr als 100 Jahre alten Tropenholzkisten lagern, kommen wir auf Max Delbrück zu sprechen, mit dem also alles angefangen hat in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den alkoholhaltigen Genussmitteln in Berlin. „Die Schotten hatten ihren Whisky, Frankreich Cognac, Holland dank der Erzeugnisse seiner Kolonien eine florierende Likörwirtschaft“, so Gerald Schroff, „mit der Gründung des Deutschen Reiches formte sich der Anspruch, in dieser Liga mitzuspielen.“

„Drogen Duftorgel“ steht klein auf diesem Regal. Foto: MXPSM/Alexander Kilian

Der junge Biologe Max Delbrück (1850–1919) nahm sich dieser Aufgabe begeistert an. Als Dank dafür, ein bald weltweit anerkanntes Institut etabliert zu haben, durfte er dort auch seinem Hobby frönen: Delbrücks Likörproduktion sollte unter dem Markenamen Adler Spirituosen schon bald die Berliner Nacht berauschen.

„Hilde, ein Likörchen?“

Oder doch bereits den Nachmittag? „Hilde, ein Likörchen?“, zitiert Gerald Schroff eine rein rhetorische Frage der 1920-Jahre, „Berlin war die Stadt des Likörs, mit bis zu 220 Likörfabrikationen.“ Auch die Rezeptur des legendären Mampe Halb und Halb wurde in der Seestraße entwickelt. Schroff, der als Quereinsteiger mit viel biografischem Erfahrungsschatz zu den Spirituosen gekommen ist, schätzt den Berliner Klassiker: „Die Idee, Kräuterlikör und Magenbitter zusammenzudenken, war schon richtig gut.“

Richtig gut waren auch die Liköre der Preussischen Spirituosenmanufaktur. Schroff und der Mikrobiologe Ulf Stahl, Lehrstuhlinhaber am Institut, hatten die Marke und mithin die „Versuchlikörfabrik“ nach der Jahrtausendwende neu belebt, woraufhin die „New York Times“ gar schreiben sollte, dass zwei Berliner den Gin neu erfunden hätten.

2010 entstanden dann die beiden Liköre „Wald“ und „Berg“ als Hauspirituosen des damals neu gegründeten Michelberger Hotels an der Warschauer Brücke. „Dieser Ort mit all seiner Geschichte und seinem Wissen hatte mich sofort in den Bann genommen“, erinnert sich Tom Michelberger an seine erste Begegnung mit Gerald Schroff und den kupfernen Destillations- und Fermentationsapparaturen in der Seestraße. Dort kommen nur selbst fabrizierte, über Wochen und Monate extrahierte Aromen in die Flaschen, was die überwältigende Anzahl an Gefäßen auf den drei Etagen erklärt.

Von Michelberger Berg bis Waldmeisterlikör: Die Bandbreite der MXPSM-Produkte ist groß. Foto: MXPSM/Alexander Kilian

Als der plötzliche Tod von Professor Ulf Stahl und die Durststrecke einer Pandemie die Preussische Spirituosenmanufaktur 2021 in die Knie zwingen sollten, war für die Michelbergers klar, dass dieser Schatz bewahrt werden müsse: „Und zwar so“, sagt Tom Michelberger, „wie wir die Manufaktur kennengelernt haben, handwerklich, enthusiastisch und nicht mal im Nachgeschmack marktgetrieben.“  

Anfang Juli hatte das neue Unternehmen MXPSM (Michelberger x Preussische Spirituosenmanufaktur) zum ersten Mal in die neuen alten Produktionsräume geladen. Neue Liköre sind hinzugekommen. So etwa eine Lavendelspirituose, gewonnen aus der Ernte der Michelberger Farm im Spreewald. Die Klassiker, ein  bergquellklarer Aquavit etwa oder der gesellige Weddinger Kräuterlikör, erstrahlen in neuem Gewand. „Wir haben auch den Vorteil“, so Tom Michelberger, „dass wir keinen riesigen Markt begeistern müssen. Unsere Spirituosen gibt es bei uns im Hotel, hier im Hofverkauf und bei wenigen ausgesuchten Freunden. Das lässt uns die Freiheit, auch ein ausgefallenes Liebhaberprojekt mitlaufen zu lassen.“

„Alkohol“, sagt Gerald Schroff, „ist ein Suchtmittel und ein Nervengift – aber eben auch ein wundervolles Extraktionsmedium. Es gäbe keine Parfums und auch keine flüssigen Medikamente ohne Alkohol.“ Und, so möchte ich hinzufügen, auch viel weniger Geschmack in der Welt.

  • MXPSM Seestr. 13, Wedding, Hofverkauf und Apéro-Bar jeweils donnerstags ab 16 Uhr, samstags sollen regelmäßige Führungen folgen, online

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