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Neu im Kino

Filmstarts der Woche: Von Kristen Stewart in „Spencer“ bis zum Pornodrama „Pleasure“

Prinzessin Diana starb 1997 in Paris bei einem Verkehrsunfall. Ihre Faszinationskraft ist ungebrochen. Nun hat Pablo Larraín ihr einen weiteren Film gewidmet: In „Spencer“ versucht sich Kristen Stewart an einem Porträt einer sensiblen Frau, die an einer kalten Königsfamilie fast zerbricht. Außerdem diese Woche neu im Kino: Robert Guediguian setzt mit „Gloria Mundi“ seine Milieustudien in Marseille fort, „Lunana“ führt uns in das glückliche Land Bhutan im Himalaya, „Pleasure“ in die Abgründe der kalifornischen Pornoindustrie und „Égalité“ in das Leben rund ums Kottbusser Tor. Die Filmstarts der Woche im tipBerlin-Überblick.


Kristen Stewart als Prinzessin Diana in „Spencer“

„Spencer“ von Pablo Larrain. Foto: DCM

DRAMA „Ein Märchen, das auf einer wahren Tragödie basiert.“ So heißt es zu Beginn von Pablo Larraíns „Spencer“, und diese Widmung sollte man sehr ernst nehmen. Auf den ersten Blick wirkt der von Steven Knight („Eastern Promises“, „Peaky Blinders“) geschriebene Film wie ein klassisches Biopic: Drei Tage im Leben der Diana Spencer (Kristen Stewart) werden beschrieben, genauer gesagt das Weihnachtswochenende 1991, als sich die königliche Familie auf dem Landgut Sandringham aufhielt – und Lady Di sich entschloss, ihre lieblose Ehe mit Prinz Charles endlich zu beenden. Doch allein das ist reine Spekulation. Was genau hinter den Kulissen auf dem Anwesens passierte, weiß man nicht. Die britische Königin neigt zur Diskretion, ganz im Gegensatz zu Diana, deren rege Kontakte zur Boulevardpresse die „Königin der Herzen“ zu einer alles andere als glaubwürdigen Zeugin machen.

Ein Märchen ist es also tatsächlich, was Larraín hier inszeniert, größtenteils in Deutschland gedreht, denn hinter „Spencer“ steht federführend die Münchener/Berliner Produktionsfirma Komplizen Film. Wie ein Märchen wirkt das Leben von Diana jedoch nur äußerlich: Die Kulissen sind zwar prächtig, die Kleidung gediegen, das Essen ausgesucht edel. Dennoch fühlt sich Sandringham für diese Diana wie ein Gefängnis an: Durch die langen Gänge taumelt sie orientierungslos, und sie flüchtet sich in Fantasien, in denen sie Anne Boleyn begegnet, die von ihrem Gatten König Henry VIII. verstoßen und schließlich geköpft wurde.

Ganz so ist es mit Diana bekanntlich nicht gekommen, auch wenn ihre Fans dem Königshaus fraglos alles zutrauen. Auf wessen Seiten die Sympathien von Larraín und Knight liegen, ist keine Frage, und auch Kristen Stewart gibt sich komplett dem Konzept hin, von einer Frau zu erzählen, die von Zwängen erdrückt zu werden droht. Auch wenn sie viel zu klein ist und auch äußerlich wenig Ähnlichkeit mit Diana hat, wirkt Stewart perfekt besetzt. Bis ins Kleinste ahmt sie die Manierismen Dianas nach, ohne dass ihre Darstellung zur bloßen Mimikry verkommt.

Ähnlich wie in „Jackie“, zeichnet Larraín auch in „Spencer“ den schmerzhaften Prozess einer Emanzipation nach. Wenn Diana am Ende im Cabriolet von Sandringham wegfährt und mit den Kindern singt, wirkt sie wie befreit und so glücklich wie nie. Das mag zwar nicht die ganze Wahrheit sein, aber wahrhaftig mutet „Spencer“ nicht nur in diesem Moment an. Michael Meyns

D/GB/Chile 2021; 111 Min.; R: Pablo Larraín; D: Kristen Stewart, Jack Farthing, Richard Sammel; Kinostart: 13.1.


Egalité

„Égalité“ von Kida Khodr Ramadan. Foto: Alpha Centauri

DRAMA Kida Khodr Ramadan ist gebürtiger Libanese, Kreuzberger, Star der Serie „4 Blocks“, Schauspieler, Produzent, Autor, Familienvater, allerbester Lebensfreund von Frederick Lau. Ramadan zieht sein kreatives Ding durch und hat seine dritte Regiearbeit innerhalb von neun Drehtagen inszeniert – nach dem sehenswerten „Kanun“ (in Ko-Regie mit Til Obladen) und „In Berlin blüht kein Orangenbaum“. Und mit dabei ist nicht nur Lau als Produzent, sondern auch zwei von Ramadans Kindern als (richtig gute) Schauspieler.

Im Mittelpunkt von „Égalité“ steht die vierköpfige Migrantenfamilie Aydin. Sie lebt im Umkreis des Kottbusser Tors. Bei Tochter Leila (Dunya Ramadan) steht eine Mandeloperation an. Nichts Schlimmes, Routine, sagen die Ärzte. Doch nervös sind Vater Attila (großartig: Burak Yiğit aus „Victoria“), Mutter Aya (Susana Abdulmajid) und Leilas kleiner Bruder Nuri (Momo Ramadan) trotzdem. Als Leila aus der Narkose erwacht, schreit sie: „Ich kann nichts sehen!“ Für den Arzt Dr. Mühlendorf (Volker Meyer-Dabisch) und seinen Anästhesisten ist diese „Nebenwirkung“ unerklärlich, bis auf eine kleine Blutung sei alles glatt gelaufen. Attila nimmt seine Tochter mit nach Hause – keine kluge Entscheidung, weil es ihm in den Tagen darauf nicht gelingt, wieder Kontakt zu den Ärzten aufzunehmen. Er gerät immer tiefer in eine Spirale der Verzweiflung – und trifft eine folgenschwere Entscheidung.

Ein kleines, unabhängig produziertes Drama, in dem es um den Zusammenhalt einer Familie geht, aber auch, nicht nur unterschwellig, um Vorurteile gegenüber Migrant:innen. Denn Attila wittert überall Ressentiments, fühlt sich – aus Erfahrung – nicht für voll genommen. Martin Schwarz

D 2021; 84 Min.; R: Kida Kodr Ramadan; D: Burak Yiğit, Susana Abdulmajid, Dunya Ramadan; Kinostart: 13.1.


Gloria Mundi – Rückkehr nach Marseille

„Gloria Mundi“ von Robert Guediguian. Foto: Film Kino Text

MILIEUDRAMA Es geht eigentlich ganz gut los: mit der Geburt eines Kindes, der wir im Kreißsaal beiwohnen. Ein verklebtes kleines Mädchen kommt da in Marseille zur Welt, wird vorsichtig getrocknet, gesäubert und geduscht. Ihr Name ist ein Versprechen: Gloria. Doch der Filmtitel enthält auch bereits einen kleinen warnenden Zusatz: Sic transit gloria mundi – Vergänglich ist der Ruhm der Welt.

Einen ersten kleinen Misston verdeutlicht die Inszenierung bereits in einer Szene mit der jungen Mutter Mathilda (Anaïs Demoustier) auf der Entbindungsstation. Mit jeder neuen Einstellung springt die Kamera im Raum ein Stück zurück und gibt den Blick frei auf eine:n neue:n Besucher:in: Nicolas (Robinson Stévenin), der Vater von Gloria, Sylvie (Ariane Ascaride) und Richard (Jean-Pierre Darroussin), die Großeltern. Die Stimmung ist freudig, friedlich und entspannt. Dann öffnet sich mit Getöse die Tür: Mathildas Schwester Aurore (Lola Naymark) und ihr Freund Bruno (Grégoire Leprince-Ringuet) stürmen herein. Blumen fliegen durch die Gegend, Champagner wird entkorkt, Bruno drückt Nicolas zur Feier des Augenblicks vor der Tür ein Päckchen Kokain in die Hand. Die Stimmung ist umgeschlagen, man versteht nur noch nicht ganz in welche Richtung.

Das wird deutlich, als der Film anschließend die soziale Verortung seiner Figuren vornimmt. Denn die Familie steht nicht auf der Sonnenseite des Lebens: Mathilda ist Verkäuferin und sieht sich ständig von der Kündigung bedroht, Nicolas chauffiert freiberuflich Tourist:innen herum (und sieht sich von den organisierten Taxifahrer:innen bedroht, was weiteres Unheil nach sich zieht). Sylvie arbeitet als Putzfrau, doch ihre Kolleg:innen streiken gerade. Sylvie lieber nicht, sie hat Angst, den Job zu verlieren. Richard ist Busfahrer, und Sylvies erster Mann Daniel (Gérard Meylan), der leibliche Großvater von Gloria, sitzt zunächst sogar im Gefängnis.

Geld spielt ständig eine Rolle, in den Dialogen, in der Inszenierung der Blicke. Und Bruno, der mit Aurore einen Secondhand-Laden eröffnet hat, scheint, wie Mathilda einmal bemerkt, das Geld wie ein Magnet anzuziehen. Der Film zeigt auch wie: Das Paar beutet Angestellte, Kund:innen und Familienmitglieder gleichermaßen schamlos aus. Die beiden sehen sich als Gewinner und haben für die Verlierer nur Verachtung übrig.

Immer wieder hat der französische Regisseur Robert Guédiguian mit einem festen Stamm an Darsteller:innen Filme über die „kleinen“, die sozial benachteiligten Leute in Marseille gemacht – insofern ist dieser klare Blick auf eine entsolidarisierte Gesellschaft im neoliberalen Spätkapitalismus auch eine Art trauriger Kommentar zu seinen vorherigen Werken. Das Frankreich unter Präsident Macron macht sich – mit fünfzehnjähriger Verspätung – gerade fit für den neoliberalen Weltmarkt: Die Utopie einer Besserung ist hier deshalb nicht in Sicht, und selbst der Charme der alten Hafenstadt Marseille ist kaum mehr erkennbar bei all den austauschbaren Glas- und Betonkuben, die als Gesicht der Städte unsere Zeit prägen. Lars Penning

F/I 2019; 106 Min.; R: Robert Guédiguian; D: Anaïs Demoustier, Robinson Stévenin, Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin; Kinostart: 13.1.


Lunana – Das Glück im Himalaya

„Lunana“ von Pawo Choyning Dorji. Foto: Kairos

NATURWUNDER In der malerischen Bergwelt der Lunana-Region im kleinen Gebirgskönigreich Bhutan liegt fernab von Straßen und Elektrizität eine der abgelegensten Schulen der Welt. Dorthin entsendet das Bildungsministerium einen jungen Lehrer namens Ugyen, der sein letztes staatlich verpflichtendes Unterrichtsjahr ableisten soll. Der junge Mann hat darauf allerdings gar keine Lust. Er will den Lehrerjob am liebsten an den Nagel hängen, Sänger werden und nach Australien auswandern. Nach einem achttägigen Trek erreicht Ugyen schließlich das Dorf an den Gletschern des Himalayas, wo ihn die rund 50 Dorfbewohner freudig empfangen. Seine Skepsis zeigt er offen, ist genervt von ihren religiösen Ritualen, verweigert sogar Opfergaben für die Berggötter und benutzt Handy und Kopfhörer, solange die Batterien noch durchhalten.

Es ist die klassische Geschichte des modernen Städters, der auf die traditionelle Landbevölkerung trifft und mit deren Lebensweise zunächst wenig anfangen kann. Als Ugyen sieht, dass es in dem notdürftig gezimmerten Schulgebäude an allem fehlt, möchte er eigentlich gleich wieder umkehren, lässt sich jedoch vom Enthusiasmus der Kinder zunächst überzeugen, zu bleiben. Weil im Winter das Wetter jedoch so unwirtlich wird, dass für Monate keiner das Dorf mehr verlassen kann, stellt sich bald die Frage, ob Ugyen nicht doch aufgeben wird.

Mit „Lunana – Das Glück liegt am Himalya“ ist dem Fotografen und Regisseur Pawo Choyning Dorji ein schöner Film über eine hierzulande eher unbekannte Region gelungen: mit attraktiven Landschaftsbildern, Dorfbewohnern voller Charme und einer Geschichte, die viel menschliche Wärme versprüht. Nora Stavenhagen

Bhutan 2019; 110 Min.; R: Pawo Choyning Dorji; D: Sherab Dorji, Ugyen Norbu Lhendrup, Kelden Lhamo Gurung; Kinostart: 13.1.


Pleasure

Filmstarts der Woche: Sofia Kappel in "Pleasure" von Ninja Thyberg solltet ihr unbedingt sehen. Foto: Weltkino
Filmstarts der Woche: Sofia Kappel in „Pleasure“ von Ninja Thyberg solltet ihr unbedingt sehen. Foto: Weltkino

DRAMA Als sie sich dem angesagtesten Agenten der Branche vorstellt, erteilt der ihr eine Absage mit der Begründung, in ihrem Portfolio gebe es zu viele No-Gos, will sagen, zu wenig Bereitschaft für Hardcore. Boy-Girl-, Girl-Girl-Sex sei ja ganz nett, aber bei weitem nicht mehr ausreichend für die immer extremer werdenden Begierden der Kundschaft. Und genügend Follows auf welcher-Plattform-auch-immer habe sie auch nicht. Also lässt Linnéa, die aus Schweden ins San Fernando Valley gekommen ist, um unter dem Künstlernamen Bella Cherry Karriere als Porno-Starlet zu machen, sich auf die harten Sachen ein. Sie dreht BDSM-Clips und Vergewaltigungsvideos, lässt sich zwei Penisse gleichzeitig in den Anus zwängen und demütigt eine Kollegin mit einem Strap-on-Dildo. Und siehe da, sie hat Erfolg und Follower:innen; sie hat aber auch die Illusionen verloren und die Schnauze voll – nicht nur vom Sperma.

Im Dienste der Wahrheit geht es in Ninja Thybergs Spielfilmdebüt „Pleasure“ explizit und unzimperlich zur Sache. Und die Wahrheit ist, dass das Geschäft der Herstellung von Pornografie mit der Lust, die diese beim Konsumenten erzeugen soll, wenig zu schaffen hat. Dass es sich um ein milliardenschweres, beinhartes Business handelt, in dem Physis verbraucht und Psyche beschädigt wird. Dass Porno eben nicht leicht verdientes Geld bedeutet für Menschen, die gerne Sex haben, und dass er erst recht keinen Freiraum eröffnet, in dem eine Frau ihre Sexualität entfalten könnte.

Das sind nicht eben neue Erkenntnisse, allerdings werden sie von Thyberg und ihrem sich selbst nicht schonenden Ensemble – darunter zahlreichen Protagonist:innen der kalifornischen Adult-Entertainment-Szene – auf ungewöhnliche Weise zusammengetragen: aus durchweg weiblicher Perspektive und ohne sich auch nur ein einziges Mal in den Fallstricken des Moralischen zu verheddern. Die Lust am Sex, die dem Pornografischen zugrunde liegt, stellt Thyberg nicht in Frage. Sie prangert vielmehr den verlogenen Umgang damit an sowie die durch den Internet-Porno-Boom bedingte Zunahme an demütigenden Darstellungen von Gewalt an Frauen. Und das in einem ohnehin männerdominierten, hierarchisch und machtbewusst organisierten Wirtschaftszweig. Der vielfach erhellende Effekt von „Pleasure“ ist vor allem Sofia Kappel in der Hauptrolle zu danken, die ungerührt durch den Sumpf watet, wie ein Magnet die Widersprüche des Gewerbes anzieht und gelassen zur Eskalation bringt. Alexandra Seitz

S/NL/F 2021; 109 Min.; R: Ninja Thyberg; D: Sofia Kappel, Revika Anne Reustle, Evelyn Claire; Kinostart: 13.1.


Mehr Kino in Berlin

Weiterhin aktuell: die Filmstarts der Woche vom 6. Januar. Endlich Neuigkeiten zu den Festspielen: Was zum Ablauf der Berlinale bekannt ist. Was wann wo läuft, erfahrt ihr im Kinoprogramm für Berlin. Weitere Texte und Rezensionen findet ihr in unserer Rubrik für Kino und Streaming.

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