Karoline Herfuurth kann aus eigener Erfahrung davon erzählen, dass Schönheitsideale ein Ansporn sein können, aber auch ganz schön zerstörerisch wirken. Mit „Wunderschön“ hat sie nun einen Ensemblefilm über ein sehr zeitgemäßes Thema gemacht – in fortschrittlichen Kreisen spricht man von Body Positivity, früher hätte man gesagt: sich selbst so anzunehmen, wie man ist. Bert Rebhandl hat für den tipBerlin ein Interview mit der Schauspielerin und Regisseurin geführt, die schon mit „SMS für dich“ fast im Alleingang ein populäres deutsches Kino etabliert hat, in dem Frauen nicht mehr nur die Objekte des Begehrens sind.
Karoline Herfurth: „Körperdruck ist halt nicht besonders lustig“
tipBerlin Frau Herfurth, wie kamen Sie auf die Idee zu „Wunderschön“?
Karoline Herfurth Das ist eine längere Geschichte. Bei den Dreharbeiten zu „SMS für dich“ habe ich Nora Tschirner kennen und lieben gelernt. Im Rahmen der Pressearbeit gab es auch ein Shooting, und da hat Nora gesagt, dass sie nicht die typischen Posen von Schönheit oder Coolness eingehen möchte, und dass sie auch nicht retuschiert werden wolle. Ich war irritiert, weil ich derartige Dinge davor fraglos hingenommen hatte. Nora hat mir dann einen Trailer gezeigt, von Taryn Brumfitts Dokumentarfilm „Embrace“, den Nora mitproduziert hat. Er beschäftigt sich mit der Frage, warum Körperdruck bei Frauen auf der ganzen Welt so stark verbreitet ist. Das hat mich extrem betroffen und berührt, weil mir bewusst wurde, wie sehr dieser Druck auch mich beeinflusst. Mit dem Produzenten Willi Geike habe ich dann bei einem gemeinsamen Abendessen darüber gesprochen, und er hat gesagt: Mach doch mal einen Film darüber.
tipBerlin Viele Fans würden vielleicht nach „SMS für dich“ eine weitere romantische Komödie erwarten. Aber dieses Mal steckt auch ein Schuss Drama drin.
Karoline Herfurth Wenn man dieses Thema anschaut, kann das nicht allein komödiantisch sein. Ich liebe Romantic Comedies, „SMS für dich“ war der richtige Stoff dafür, trotz der traurigen Momente. Bei „Wunderschön“ war es für mich noch mal anders gelagert. Dieser Körperdruck ist halt nicht besonders lustig, dem wollte ich gerecht werden. Daher lag der Fokus für mich bei diesem Film eher in den emotionalen Momenten als in den Komischen. Es war mir ein großes Bedürfnis, da eine große Bandbreite aus diesem emotionalen Feld einzufangen. Trotzdem bin und bleibe ich eine Freundin von Leichtigkeit im Film, weil sich das Leben nun einmal mischt. Man hat immer die Ernsthaftigkeit neben der Leichtigkeit.
„Mich sprechen idealisierte Körperbilder nicht an, sondern langweilen eher“
tipBerlin Sie spielen selbst die Hauptrolle, und zeigen dabei auch Mut zum unvorteilhaften Bild.
Karoline Herfurth Es ist mir sehr wichtig, das echt zu zeigen. Ich selbst bin als junges Mädchen mit vermeintlich perfekten Vorbildern aufgewachsen, die mich in einen Konflikt geworfen haben mit meinem eigenen Körper. Das war das, womit ich groß geworden bin. Je älter ich werde, je mehr Spuren ich an meinem Körper habe, desto wichtiger wird es mir, diese auch nicht zu verstecken, gerade als öffentliche Person. Es wird in der Werbung immer mehr auch mit normaleren Körperbildern geworben. Mich persönlich sprechen idealisierte Körperbilder nicht an, sondern langweilen eher. Ich wünsche mir da eine Entspannung und fände es gut, in Fragen der Schönheit den Fokus umzulenken: Hat meine Schönheit etwas mit meinem Selbst und meinem inneren Wohlgefühl zu tun?
tipBerlin Manche Stars wie Nicole Kidman achten sehr darauf, einen jugendlichen Körper fast zu verewigen. Sie machen hingegen für „Wunderschön“ eine ziemlich starke Veränderung durch. Wieviel davon ist echt?
Karoline Herfurth Ich wollte eine frischgebackenen Mutter darstellen, die unter ihrem durch die Schwangerschaft veränderten Körper leidet. Um dieser Körperlichkeit gerecht zu werden, habe ich zehn Kilo zugenommen, und einen Teil des Bauches haben wir prosthetisch nachgebildet. Ich wollte keinen Fatsuit anziehen, das sollten schon echte Dellen sein. Jetzt habe ich zwar nicht mehr das Gewicht von dem Dreh, aber ich beschäftige mich auch nicht viel damit, und es spielt für mich keine große Rolle, ob ich jetzt wieder alle Kilos los bin. Ich beschäftige mich lieber mit der Frage, wie ich mich in jeder Lebensphase, immer wieder neu, schön fühle. Und das hat immer weniger mit der Form meines Körpers zu tun.
tipBerlin Manche Männer in „Wunderschön“ sind ein bisschen idealisiert, oder nicht?
Karoline Herfurth Ich wollte die Herausforderung von Optimierungsdruck auch bei Milan erzählen. Dieses Gefühl: Ich bin einfach nirgendwo mehr richtig da, zwischen Elternaufgabe und Beruf. Die Unsicherheit auf männlicher Seite durch den Wandel der Geschlechterrolle und dem damit einhergehenden Identitäsverlust wollte ich sensibel behandeln. Männer stehen ja auch stark unter Druck in ihrer Rolle, das Bild des Mannes wird unglaublich hinterfragt. Auch wenn der Fokus in diesem Film auf der weiblichen Perspektive liegt, war es mir wichtig, emphatisch und integrativ zu erzählen.
„Dass ich Regisseurin wurde, entstand aus einer Schnapsidee“
tipBerlin Sie haben als Schauspielerin begonnen, und sind nun eine der einflussreichsten Frauen im deutschen Kino. Was hat sie bewogen, sich als Regisseurin zu versuchen?
Karoline Herfurth Dass ich Regisseurin wurde, entstand aus einer Schnapsidee, einem Kurzfilm mit Freunden. Diese Art zu denken und zu arbeiten hat mich wahnsinnig ausgefüllt, es war großartig, die ganzen Aspekte des Filmemachens zu erleben. Als ich dann die Chance von Willi Geike bekam, einen ganzen Kinofilm zu machen, habe ich die einfach ergriffen. Heute fällt mir selber die Lücke, der Mangel an einer weiblichen Perspektive, viel stärker auf. Wenn ich sehe, was Reese Witherspoon da auf die Beine stellt, da stelle ich jetzt fest: Ich gucke Filme und Serien und fühle mich gemeint. Plötzlich wurde mir sehr deutlich, wie unsichtbar die weibliche Perspektive bisher war. Es ist dringend notwendig, das Geschichtenerzählen in diversere Hände zu geben.
tipBerlin Der Erfolg bringt Ihnen künstlerische Freiheit?
Karoline Herfurth Ich habe auf jeden Fall die Möglichkeit, den Menschen, die mitentscheiden, die Geschichten, die mich sehr bewegen, näherzubringen. Das ist dann aber von vielen Faktoren abhängig, ob etwas auch realisiert wird. Eine Geschichte zu finden, die Menschen dazu bewegt, ins Kino zu gehen, ist keine leichte Aufgabe. Und ich möchte gern viele Menschen erreichen, ich habe immer auch einen gewissen Anspruch an Kommerzialität. Aber die Chance zu haben, meine Vision zu vertreten, ist wahnsinnig schön.
tipBerlin „Wunderschön“ musste wegen Corona zweimal verschoben werden und startet jetzt in einer Phase, in der immer noch viel ungewiss ist. Wird sich die Kinobranche bald erholen? Was denken Sie?
Karoline Herfurth Das Kino stand auch schon vorher unter Druck, und Corona hat das immens verschärft. Aber es wurde in den letzten zwei Jahren auch sehr deutlich, dass Menschen sehr gerne ins Kino gehen. Ich bin sehr dankbar, dass Warner immer an der Kinoauswertung von „Wunderschön“ festgehalten hat, und ich freue mich sehr auf den Kinostart. Natürlich hat der Film nicht dieselben Chancen wie unter normalen Bedingungen, aber so ist das Leben im Moment nun mal, und ich freue mich trotzdem, die Möglichkeit zu schaffen, in diesen irren Zeiten mal kurz den Pandemie-Alltag vergessen zu können.
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