Filmkritik

„The Whale“: Wie gut ist Brendan Fraser in seiner Oscar-Rolle?

Brendan Fraser spielt in „The Whale“ einen stark übergewichtigen Dozenten für kreatives Schreiben, der seine Wohnung nicht mehr verlässt. „Wieso bist du so fett?“, fragt ihn die Tochter, von der er sich über Jahre entfremdet hat – und zu der er nun die Beziehung retten will, denn das Übergewicht ist lebensgefährlich. Lohnt sich der Film von Darren Aronofsky, für den Brendan Fraser als Hauptdarsteller den Oscar gewann? tipBerlin-Filmkritiker Michael Meyns hat „The Whale“ gesehen.

Brendan Fraser in „The Whale“: Für diese Rolle gewann er den Oscar als bester Hauptdarsteller, das Make-up-Team wurde ebenfalls ausgezeichnet. Foto: Courtesy of A24 Films

In der ersten Szene von „The Whale“ onaniert Fraser – und man fragt sich, wie das geht

Der Wal ist eine Metapher. Auch falls man Hermann Melvilles „Moby Dick“ nicht gelesen haben sollte, dürfte das klar sein, und wenn nicht, dann macht es Darren Aronofsky alle paar Minuten seines Kammerspiels „The Whale“ deutlich. Als subtiler Regisseur war der New Yorker noch nie bekannt, doch egal, ob er von einer manischen Balletttänzerin oder einem alternden Wrestler, von Junkies  oder von Noah erzählt: Hinter der oft überdeutlichen Metapher wird es erst richtig interessant.

Aronofsky achter Film „The Whale“ basiert auf einem Theaterstück von Samuel D. Hunter und versucht gar nicht erst, seine Theatralik zu kaschieren. Schauplatz ist ausschließlich ein Raum: die Wohnung von Charlie (Brendan Fraser), der, man muss es so sagen, fett ist.

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Wenn man ihn gleich in der ersten Szene beim Onanieren sieht, fragt man sich, wie das geht, da sein Körper nur aus Fettwülsten zu bestehen scheint, in deren Fugen sich laut Charlie schon Schimmel gebildet hat. Vor Jahren hatte Charlie Frau und Kind für einen Mann verlassen und ein neues Leben begonnen. Doch nach dem Tod dieses Mannes vergrub sich Charlie in seine Verzweiflung und begann zu essen. Derart fett ist er inzwischen geworden, dass seine letzte Woche geschlagen hat, und so beginnt der Film mit der Einblendung: Montag.

Darren Aronofsky ist der wohl religiöseste Atheist Hollywoods

Sadie Smith spielt die entfremdete Tochter. Foto: Courtesy of A24 Films

Während er von seiner Pflegerin (Hong Chau), einem Missionar und seiner ihm entfremdeten Tochter (Sadie Sink) besucht wird, siecht Charlie unweigerlich dahin und wartet auf das bei einem Blutdruck von 238/134 Unausweichliche. Bedenkt man nun jedoch, dass Aronofsky der wohl religiöseste Atheist Hollywoods ist, der sowohl „The Black Swan“ als auch „The Wrestler“ mit einem todesmutigen Sprung ins Licht enden ließ und in „Mother!“ eine wahnwitzige christliche Allegorie aufmachte, dann mag man bei Montag auch an den ersten Tag der Schöpfung denken, an deren Ende es heißt: Und Gott sah, dass es  gut war.

„The Whale“: Licht am Ende des Tunnels

Und so passt es dann auch, dass Fraser seine Figur, die sich kaum vom Platz bewegen kann, keineswegs als deprimierten, depressiven Typen spielt, sondern als einfühlsamen, selbstreflexiven Mann, der zum Ende seiner Existenz auf Erden weiß, was er will.

Beinahe wirkt Charlie schließlich wie ein Buddha, der seine Gestalt widerlich findet, aber akzeptiert hat, was er ist, und dadurch das Licht am Ende des Tunnels sieht.

  • The Whale USA 2022; 117 Min.; R: Darren Aronofsky; D: Brendan Fraser, Sadie Sink, Hong Chau; Kinostart: 27.4

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