Diesen Sonntag ist es so weit: Clärchens Ballhaus öffnet wieder seine Pforten. Auf den Schwoof müssen wir zwar noch ein wenig warten, aber das Traditionslokal kommt nach achtmonatigen Renovierungsarbeiten zurück mit einer aktualisierten Karte und viel Gefühl für Berliner Traditionen. Wir waren natürlich schon einmal für euch da.

Alles Clärchen? Nun, alles klar. Zumindest sind die Gefühle noch immer die alten. Einzig, dass diese Gefühle nun ein wenig aufgeräumter sind. Das lässigste und leidenschaftlichste unter den historischen Berliner Ballhäusern wurde in den vergangenen Monaten mit ruhiger Hand neu gerichtet. Die elektrischen Leitungen geordnet. Früher war hier vielleicht mehr Lametta. Jetzt wirkt das Ballhaus leichter und luftig. Und auf eine Weise nostalgisch, die Raum lässt für das Hier und Jetzt.


An diesem Sonntag geht es also wieder los. Als Wirtshaus zunächst. Weil dieser Stadt, in der schon so oft und so leidenschaftlich auf dem Vulkan getanzt worden ist, das Tanzen zunächst noch nicht gestattet ist. Da war, nein, da ist ja dieses Virus. Und deshalb tut eben dieses Wirtshaus gut. Ein Wiener Schnitzel, so luftig und panadig wie jedes Wiener Schnitzel sein sollte. Ein Gastgarten unter alten Bäumen.
Clärchens Ballhaus ist zurück: Ein Wirtshaus tut der Seele gut
Ein, nein zwei lange Tresen, an denen auch künftig wieder alle zusammenstehen werden, die unterschiedlichen Generationen, die Biografien und Lebensentwürfe. Und erst der Spiegelsaal im Obergeschoss, der so oft schon Filmkulisse war. Auch und gerade für unseren ganz persönlichen Berlinfilm.


Verantwortlich für den laufenden gatsronomischen Betrieb ist das junge Catering-Unternehmen Berlin Cuisine, zuletzt kulinarisch angenehm aufgefallen etwa durch die Zusammenarbeit mit so tollen Berliner Köchen wie Micha Schäfer (Nobelhart & Schmutzig) und Vadim Otto Ursus oder einem kompletten Zero-Waste-Catering. Küchenchef im Clärchens ist Simon Dienemann, er war etwa Sous-Chef bei Kolja Kleeberg im Vau und Maximilian Strohe im Tulus Lotrek.


Zuletzt sollte Dienemann die Dependance eines russischen Starkochs schmeißen, das inzwischen bereits wieder geschlossene Cell in der Uhlandstraße. Er stand dort inmitten einer technologisch aufgerüsteten Edelküche. Und fragte sich, was dieser ganze Aufwand denn eigentlich soll, die ganzen Pulver, Schäumchen und Showeffekte. Das war noch vor Corona.
Ehrlich, unprätentiöse Wohlfühlküche im Clärchens
Nach Corona ist sich Simon Dienemann noch einmal sicherer, dass uns nun nach einer „ehrlichen, unprätentiöses Wohlfühlküche“ ist. Die Blutwurst vom Blutwurstritter Benser aus Neukölln auf süß-sauren Linsen und Kartoffelstampf, davor zwei Spreewälder Gurken mit wirklich scharfem Meerrettich. Eine Wirtshausküche ist das, nicht als ironisches Zitat, sondern als aufrichtige Verneigung vor einer handwerklichen Esskultur.
Dass die samt Blattgrün servierten Radieschen mit Rapsöl und Ziegenquark ein sehr purer und sehr zeitgenössischer Teller ist, passt gerade deshalb so gut ins Bild. Gute, saisonal-regionale Grundprodukte, ganz einfach zubereitet – vieles deutet ja daraufhin, dass sich auch unser Verständnis von Luxus und Statussymbolen mit Corona verändern wird.


Auch der Schwoof wird irgendwann zurückkommen. Nach Berlin und sowieso in die Auguststraße 24. In dieses zeitlose Haus, das es über die Dekaden und Epochen noch immer geschafft hat, seine Seele zu bewahren. Das der Stadt Trost gespendet hat, das immer ein Ort zum einander festhalten war. In kleinen Gesten ist das bereits wieder möglich. Bei einer aufrichtigen Wirtshausküche, die mit jedem Bissen einer herzhaften Umarmung gleicht.
- Clärchens – Original seit 1913, Auguststraße 24, Mitte, 030/555 78 54 40, Mo-Fr 15-23 Uhr / Sa+So 12-23 Uhr, www.claerchensball.haus


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Alles bleibt anders: So soll es mit Clärchens Ballhaus weitergehen. Eine andere Legende kämpft ums Überleben: Das Schwarze Café in Charlottenburg – nach 42 Jahren wird es eng. Andere Institutionen verabschieden sich: Corona hat jetzt schon Berlin verändert, die Zeit der Abschiede kommt.
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