Festival

Das Festival Psicotrópicos bringt Jazz, Hip-Hop und queere Partykultur aus Brasilien nach Berlin

Brasilien ist mehr als Karneval und Caipirinha – das Land steht auch für subkulturelle Szenen, Jazz, Hip-Hop, queere Partys und Performance-Kunst. Das Festival Psicotrópicos bringt all das nach Berlin. Zu den Highlights gehören Bala Desejo, Liniker und Sanni Est. Alle Infos zum Musikevent.

Die Pandemie verbrachten Bala Desejo gemeinsam in ihren Wohnungen an der Copacabana in Rio de Janeiro, wo sie der brasilianischen Avantgarde der 1970er-Jahre nachspürten. Foto: Leco Moura
Die Pandemie verbrachten Bala Desejo gemeinsam in ihren Wohnungen an der Copacabana in Rio de Janeiro, wo sie der brasilianischen Avantgarde der 1970er-Jahre nachspürten. Foto: Leco Moura

Rodrigo da Matta: „Wir wollen beim Psicotrópicos Festival das neue Brasilien zeigen“

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„Wir wollen das neue Brasilien zeigen“, sagt Rodrigo da Matta. Der DJ, Musiker und Organisationsmotor hinter Psicotrópicos und auch Bossa.fm, einer Medienplattform, die sich der brasilianischen Popkultur in Europa verschrieben hat, hat eine Mission. Das mediale Bild von Brasilien, das in Europa vorherrsche, und die Erwartungen, die an brasilianische Kultur- und Musikveranstaltungen geknüpft werden, möchte er auf den Kopf stellen. Oder eher: von dem Kopf auf die Füße. Brasilien, erzählt er, habe so viel mehr zu bieten als Samba, Karneval und sexistische Klischees, die sich darum ranken. Und mit Psicotrópicos kommt dieses Mehr, die Vielfalt der brasilianischen Musikszene in Berlin, auf die Bühne. 

Aber von vorne: gegründet hat er das Festival vor einigen Jahren in Madrid. „Wir hatten am Anfang nur drei Künstler:innen“, erzählt er und lacht. Eigentlich sollte es ein Festival für Performancekunst werden. Ein paar Jahre, einen Umzug nach Berlin und einen Neustart des Festivals im Jahr 2019 später, bildet das Festival, nun in seiner sechsten Ausgabe, die verschiedensten künstlerischen Disziplinen ab. Hauptsache, es kann dazu gefeiert werden.

Rodrigo da Matta: „Die Diaspora ist in den letzten Jahren größer geworden“

Dabei bringt das Festival nicht nur Künstler:innen diverser musikalischer wie künstlerischer Sparten aus Brasilien nach Berlin, sondern lädt auch in Berlin lebende Brasilianer:innen ein. „Die Diaspora ist in den letzten Jahren größer geworden“, berichtet da Matta. Gerade für marginalisierte, insbesondere queere und progressive Kunst- und Kulturschaffende sei es in den letzten Jahren unter der Regierung des rechtsextremen Ex-Präsidenten Bolsonaro immer gefährlicher geworden, in ihrer Heimat aktiv zu sein. Das Festival bringt diese Diaspora mit aus der Heimat anreisenden Performer:innen auf eine Bühne. Etwa die in Berlin lebende Sängerin, Produzentin und kürzlich als erste Brasilianerin und  Transfrau mit dem Deutschen Jazzpreis als Künstlerin des Jahres ausgezeichnete Sanni Est mit Liniker, die als erste Transperson letzten November für das beste brasilianische Album einen Latin Grammy gewonnen hat. Verbindungen und Beziehungen über Grenzen und den Ozean hinweg finden beim Psicotrópico- Festival Platz. 

Liniker, die Soul-Sensation und prominente Transfrau aus São Paulo. Foto: Andrea Pereira
Liniker, die Soul-Sensation und prominente Transfrau aus São Paulo. Foto: Andrea Pereira

Der Name selbst ist ebenso mit Bedeutung aufgeladen, wie auch mit einem Augenzwinkern: „Es ist ein Wortspiel“ grinst da Matta. Wie bei einem Vexierbild sagt es viel über die einzelne Person aus, ob sie nun zuerst an psychotropische Substanzen denkt (von denen der brasilianische Regenwald, munkelt man, so einige bieten kann) oder an den portugiesischen (und auch englischen, spanischen, lateinischen) Begriff für den südlichen oder nördlichen Wendekreis, die gemeinsam die tropische Zone umfassen. Tropisch heiß und ausgelassen wird es auf jeden Fall auf dem zweitägigen Festival. Das garantieren nicht nur Künstler:innen aus Genres wie Baile Funk und Hiphop, brasilianischem Jazz und elektronischer Musik, sondern auch brasilianische Dragperformer:innen, Diskussionspanels und ein brasilianischer Foodmarket.

Rodrigo da Matta: „Wir haben mit Psicotrópico eine Vision und eine Mission“

Und das ist alles nur der Anfang: „Wir haben mit Psicotrópico eine Vision und eine Mission“, erklärt da Matta. Viele der Künstler:innen spielen überhaupt das erste Mal in Deutschland, ja sogar in Europa. Künftig möchte er ihnen ermöglichen, in verschiedenen Städten auf dem gesamten Kontinent Psicotrópicos-Shows zu spielen. Dieses Jahr startet das Festival auch ein Experiment, das weiter ausgebaut werden soll: „Mit Eldani findet sich erstmals ein Künstler mit chilenischem Hintergrund im Programm. In Zukunft wollen wir gerne jedes Jahr ein Gastland haben“, sagt er. Der Austausch und die Verbindungen zwischen den verschiedenen lateinamerikanischen Kulturen und ihren Diasporas wird gefördert – und bringt neue Querverbindungen zutage.

Produzentin und DJ: Ella De Vuono sagt, sie wurde geboren, um Menschen zum Tanzen zu bringen. Ihre Sets reichen von House, Disco und Techno bis Breakbeat, Synth-pop und Electro. Foto: Recreio Clubber
Produzentin und DJ: Ella De Vuono sagt, sie wurde geboren, um Menschen zum Tanzen zu bringen. Ihre Sets reichen von House, Disco und Techno bis Breakbeat, Synth-Pop und Electro. Foto: Recreio Clubber

„Wir wollen zeigen: Brasilien ist zurück!“, sagt da Matta. Nach vier Jahren Bolsonaro-Regime und der Unterdrückung von Kunst und Kultur, von Vielfalt und Fortschritt will das Psicotrópico die Kreativität Brasiliens zeigen. Jetzt erst recht!

  • Psicotrópicos Festival Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2, Treptow, Fr 14.7., 20 Uhr + Sa 15.7., 14 Uhr, VVK ab 40 €, weitere Infos und Tickets hier

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