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„Wir standen mit dem Rücken zur Wand“: Das XJAZZ-Festival ist gerettet!

Die Zukunft war gefährdet. Nach einem Förderstopp des Senats drohte dem XJAZZ der Abgrund. Jetzt findet es doch statt – eines der couragiertesten Festivals für grenzenlosen Jazz ist gerettet! Ein Gespräch über Mut und Musik mit Festivalmachern Sebastian Studnitzky und Sebastian Hecht.

Neo-Soul und Folk Sängerin Annahstasia kommt 2024 zum XJAZZ. Fotos: Cheril Sanchez
Neo-Soul und Folk Sängerin Annahstasia kommt 2024 zum XJAZZ. Fotos: Cheril Sanchez

Zehn Jahre XJAZZ-Festival – vom 6. bis 12. Mai wird das Jubiläum gefeiert

Als von Fördergeldern abhängiges Festival einen offenen Brief zu schreiben und darin den Senat zu kritisieren, das muss man sich erst einmal trauen. Oder so verzweifelt sein, wenn man keine andere Chance sieht. So ging es dem kleinen Team des XJAZZ-Festivals: Ende November 2023 machten sie öffentlich, dass sie zum ersten Mal die vierjährige Förderung des Senats für Festivals nicht erhalten haben. Und ohne derartige Förderung können Kunst- und Musikfestivals, die Sounds jenseits des Mainstreams anbieten, nicht überleben. 

„Es war schon immer prekär“

Sebastian Studnitzky, Jazztrompeter, Pianist, Komponist, Labelmacher, Booker und Festivalgründer

„Es war schon immer prekär“, erzählt Sebastian Studnitzky, Jazztrompeter, Pianist, Komponist, Labelmacher, Booker – und eben Festivalgründer. „Die Situation, dass es unklar ist, ob es mit dem Festival weitergeht, die besteht eigentlich, seit es das Festival gibt. Wir haben immer damit zu kämpfen, dass wir mal eine Förderung erhalten, dann keine und es oft kurzfristig oder nicht kommuniziert wird.“ Und letztes Jahr haben sie direkt nach einer erfolgreichen Festivalausgabe, in dem Jahr, in dem sie vom Deutschen Jazzpreis als bestes Festival des Landes ausgezeichnet wurden, die Nachricht bekommen, dass sie in der nächsten Förderrunde nicht berücksichtigt werden. Das kann natürlich passieren – aber schon im Vorfeld liefen Versuche, mit Verantwortlichen zu sprechen, ins Leere.

Also ging das Team in die Offensive und machte diese Herausforderungen offen. Getreu nach dem Motto: „Jazz wäre nicht Jazz, wenn er nicht in Momenten des Mangels fortbestehen würde“, wie Studnitzky im offenen Brief an die Jazzszene im Herbst formulierte. „Wir standen mit dem Rücken zur Wand“, sagt er dazu heute.

XJAZZ Festival ist gesichert – für 2024 und 2024

Der Plan ging auf: Kultursenator Joe Chialo meldete sich beim Festival, um gemeinsam Lösungen zu suchen. Jetzt ist das Festival für dieses Jahr und das nächste gesichert und das Team kann sich auf das fokussieren, was es am besten kann: eine Brücke zwischen der jungen, diversen Musikszene der Stadt und den spannendsten Protagonist:innen der internationalen Jazzszene schlagen. „Ich kenne die meisten Namen auf dem Line-up auch nicht“, gesteht Studnitzky und grinst.

Ein junges Team, zu dem auch die Künstlerin Natalie Greffel gehört, verantwortet das Booking und profitiert von eigenen Beziehungen zu Musiker:innen. „Kernidee des Festivals ist es, die Berliner Szene zu repräsentieren“, erzählt der künstlerische Leiter Sebastian Hecht, der 2018 zum XJAZZ gestoßen ist. Ergänzt wird das Konzept mit Bookings von Headlinern, wie dem britischen Jazz-Superstar Shabaka Hutchings, der sein erstes Solokonzert in Deutschland spielen wird, aber auch den großen Namen von Morgen wie die Südafrikanerin Thandi Ntuli, hinzu kommen Kollaborationen mit Kollektiven wie Swim Good und Cassette Heads. Schon in der Vergangenheit haben später bekannte Namen, etwa das Moka Efti Orchestra, ihr Berlindebüt beim XJAZZ gegeben.

Manou Gallo mischt Jazz, Funk, Groove und Afro Beat. Foto: Solar X
Manou Gallo mischt Jazz, Funk, Groove und Afro Beat. Foto: Solar X

Das ist natürlich spannend für das aufgeschlossene und entdeckungshungrige Berliner Publikum, aber auch die Acts profitieren. „Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass ein Auftritt während des Festivals ein Push für die Karriere war“, ergänzt Studnitzky. Wo sogenannte Showcase-Festivals als Teil von Wirtschaftsförderung versuchen, Entscheider:innen aus dem Ausland anzuziehen, kommen sie zum XJAZZ auf eigene Kosten angereist und nehmen den Berliner Sound mit in alle Welt. 

„XJAZZ hat international einen ganz schön krassen Impact“

„Das Festival hat international einen ganz schön krassen Impact“, sagen die beiden Festivalmacher stolz und wirken dabei fast selbst ein bisschen ungläubig. Und apropos Berliner Sound: zum zehnten Jubiläum schenkt sich das Festival in Zusammenarbeit mit den Berliner Musikinstitutionen Brewery Studios und Analogue Foundation die Compilation „Entangled Grounds“, bei der Akteure aus dem XJAZZ-Kosmos in verschiedensten Konstellationen Songs aufgenommen haben. Der Sound des XJAZZ lebt fort und lässt sich nicht stoppen. Nicht einmal vom Berliner Senat. 

  • XJAZZ 6.5. bis 12.5., verschiedene Orte in Kreuzberg und Treptow, u.a. Emmauskirche, Festsaal Kreuzberg, FluxBau, Aeden, Festivalpass ab 219  €, Tages- und Einzeltickets, mehr hier

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